Staatsanwalt erklärt:

Auch bei Semmeldiebstahl droht Gerichtsverfahren

Oberösterreich
15.07.2018 08:30

Aufnahme der Anzeige, Vorladung, Gerichtsverfahren! Das droht einem Mühlviertler, der - wie berichtet - in einem deutschen Supermarkt eine Semmel im Wert von 14 Cent mitgehen hat lassen. Würde so ein Bagatelldelikt auch bei uns vor Gericht landen? Der Linzer Staatsanwalt Philip Christl sagt: „Prinzipiell Ja!“

Krone:Ein Verfahren mit Ankläger, Richter, Verteidiger und so weiter - ist das nicht viel Aufwand wegen 14 Cent Beute?
Philip Christl: Das schon, aber Diebstahl bleibt Diebstahl. Grundsätzlich ist es auch bei uns möglich, wegen einer so geringen Beute vor Gericht zu landen. Allein schon, um andere von solchen Taten abzuhalten, muss auch ein Bagatelldelikt angeklagt werden.

Krone:Es muss aber nicht zwingend zu einem Gerichtsverfahren kommen.
Philip Christl: Wenn der Beutewert nicht sehr hoch ist - so bis etwa einhundert Euro - kann das Gericht das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen. Dazu ist aber erforderlich, dass der Täter bisher völlig unbescholten und einsichtig ist und er den Schaden bereits bezahlt hat.

Krone:Bei einer 14-Cent-Semmel oder Ähnlichem - was könnte das für einen Angeklagten bei uns bedeuten?
Philip Christl: Das würde als Diebstahl gewertet. Wenn der Wert unter 5000 Euro liegt, drohen bis zu sechs Monate Haft oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen.

Krone: Wenn jemand eine Semmel oder einen Apfel stiehlt, weil er Hunger hat?
Philip Christl: Wenn das aus einer unverschuldeten Notlage heraus ist, gibt es bei Lebensmitteln den Tatbestand der Entwendung. Darauf stehen bis zu einem Monat Haft oder 60 Tagsätze Geldstrafe.

Krone:Gibt es den alten Begriff des „Mundraubes“ noch?
Philip Christl: Bei der Entnahme von Bodenerzeugnissen, also „Bodenbestandteilen geringen Wertes“, gibt es kein gerichtliches Strafverfahren. Das wäre zum Beispiel, wenn man einen Maiskolben oder eine Karotte in einem Feld oder einen Apfel vom Baum pflückt. Oder auch, wenn man ein paar Äste im Wald sammelt.

Krone: Also wirklich nur geringste Mengen, keinen Korb voll.
Philip Christl: Genau. Dann wird kein Strafverfahren eingeleitet. Allerdings kann es dennoch ziemlich teuer werden. Denn der Eigentümer kann zivilrechtlich gegen solche Bagatellentnahmen vorgehen, kann Besitzstörungsklage androhen - das kostet gleich einige hundert Euro ...

Interview: Johann Haginger/Kronen-Zeitung

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