„Ausdauer und Fleiß“

Das Betriebsgeheimnis des chinesischen Erfolgs

Ausland
30.06.2018 06:00

Das Betriebsgeheimnis des chinesischen Erfolges - dieses Geheimnis würden viele wohl gern wissen. Der deutsche China-Experte Manfred Osten hat in einem gleichnamigen Vortrag vor der Außenpolitischen Gesellschaft (Präsident: Wolfgang Schüssel) das Geheimnis ein Zipfel weit gelüftet.

Chinas Erfolg hat viele Wurzeln, deren wichtigste wohl in den Konfuzianismus reicht. Wenn die Führung in Peking vom „Sozialismus unter chinesischen Vorzeichen“ und von der „harmonischen Gesellschaft“ spricht, dann dürfte damit ein Konfuzianismus des 21. Jahrhunderts gemeint sein.

Olympiaden des Geistes am alten Kaiserhof
China ist eine Lerngesellschaft, das System eine Erziehungsdiktatur. Bildung hatte schon immer hohen Rang - siehe die Beamtenprüfungen. Die dritte Prüfung am Kaiserhof war eine Olympiade des Geistes gewesen, so Manfred Osten. Die Namen der Sieger sind in die Stelen-Allee im Konfuziustempel in Peking eingraviert.

Bildungstraining mit 50.000 Schriftzeichen
Dazu kommt die große Leistungsbereitschaft. Manfred Osten: China ist ein Trainingslager regelmäßigen Lernens. Lernen ist gleich Nachahmung, und so kann aus dem Nachahmer ein Innovator werden. Das Bildungstraining beginnt schon einmal mit dem Erlernen von möglichst vielen der 50.000 Schriftzeichen.

China ist die einzige Weltmacht der Geschichte, die zurückkehrt. Die Machtausweitung in historischen Zeiten erfolgte durch zivilisatorische Hegemonie. Manfred Osten: „Nicht Kolonisation, sondern Kulturisation.“

„Neue Seidenstraße“ schaffte Abhängigkeit
Auf heute bezogen: Die Nachfrage nach Produkten aus China schafft Abhängigkeit: Beispiele „Neue Seidenstraße“, Infrastrukturbauten in Entwicklungsländern, Investitionen etwa in Afrika als Nachfolger der Europäer und in Südamerika als Nachfolger der US-Amerikaner. Die westliche Wohlstandsgesellschaft hat sich selbst in diese Abhängigkeit gebracht, um das Konsumbedürfnis seiner Bürger mit preisgünstigen Waren aus China zu befriedigen.

Chinas Außenpolitik ist Nachschubsicherung
Manfred Osten ortet zwei Urängste Chinas: Die Angst vor dem Hunger (Naturkatastrophen) und die Angst vor dem Zerfall des Reichs. China hat 21 Prozent der Weltbevölkerung, aber nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. In diesem Sinne ist Chinas Außenpolitik eine Nachschubsicherungspolitik.

Jeder Bürger Komplize seiner Überwachung
Der konfuzianische Staat ist ein Tugendstaat. In ihm wird jeder Bürger zum freiwilligen Komplizen seiner Überwachung, so Manfred Osten. Ziel ist die „große Harmonie“. Diese Harmonie verpflichtet auch den tugendhaften Herrschenden. Seine Legitimität („Mandat des Himmels“) bezieht er aus dem Erfolg. Jede Naturkatastrophe beunruhigt ihn.

Verliert er das Mandat, wird er radikal entmachtet. China ist wohl der einzige autoritäre Staat, wo an einem Baum (hinter der Verbotenen Stadt) vermerkt ist: „Tree where emperor hanged himself.“ (Der letzte Ming-Kaiser war aus dem Palast geflüchtet.)

Den Westen mit seinen eigenen Waffen schlagen
China hat ein langes Gedächtnis. Die 150 Jahre der Demütigung durch Europa haben bis heute in Chinas Verhalten Spuren hinterlassen. Es gilt, den Westen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Zitat aus einer Diskussion an der Hochschule für Fremdsprachen in Peking: „300 Jahre lang habt ihr im Westen uns Chinesen für modernisierungsunfähig erklärt. Jetzt zeigen wir euch, was in uns Chinesen steckt!“

Manfred Osten: „Die Verwestlichung sieht nur so aus. Im Inneren der Gesellschaft ticken sie aber weiter nach ihren alten Regeln.“ Fazit zum Geheimnis des Erfolgs: Ausdauer und Fleiß sind die Kardinaltugenden, so Osten.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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