Golan-Blauhelme

„Im schlimmsten Fall war es Beihilfe zum Mord“

Österreich
27.04.2018 17:40

Ließen UN-Soldaten aus Österreich ein Massaker zu? In am Freitag der „Krone“ und anderen Medien zugespielten Videos wird - wie berichtet - nahegelegt, dass österreichische Blauhelme im September 2012 auf den Golanhöhen neun syrische Geheimpolizisten in einen tödlichen Hinterhalt geraten ließen. Den Blauhelmen könnte nun ein Strafverfahren in Österreich ins Haus stehen. Sie könnten „im schlimmsten Fall“ wegen Beihilfe zum Mord belangt werden, so Völkerrechtler Manfred Nowak am Freitagabend.

Knapp fünf Jahre nach dem überhasteten Abzug lässt der österreichische Blauhelm-Einsatz am Golan wieder die Wogen hochgehen. Die im Mai 1974 unter dem damaligen UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim beschlossene Mission galt jahrzehntelang als Vorzeigebeispiel für das globale Engagement des neutralen Österreich. Der Tod von neun Syrern in einem Hinterhalt wirft nun einen Schatten auf den Einsatz.

(Bild: "Krone")

Die neun syrischen Geheimpolizisten wurden bei dem Angriff, der sich im September 2012 ereignet haben soll, vor den Augen der österreichischen UN-Soldaten von Schmugglern erschossen. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzte kurz nach der Veröffentlichung des Videos eine Untersuchungskommission ein.

(Bild: "Krone")

Nowak: „Hätten Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen“
Der Völkerrechtler und frühere UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, über die Soldaten, die auf den brisanten Aufnahmen zu hören sind: „Sie hätten die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen.“ Stattdessen hätten die Blauhelme den syrischen Polizisten, die von sich aus stehen geblieben seien und nachgefragt hätten, „wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben“. Das habe dazu geführt, dass die Syrer in den Hinterhalt gefahren seien.

Völkerrechtler Manfred Nowak (Bild: AFP PHOTO/STEPHANE DE SAKUTIN)
Völkerrechtler Manfred Nowak

Nowak verwies zudem auf Berichte, dass die UNO-Soldaten vorher Kontakt mit den Kriminellen gehabt und ihnen auch Wasser gegeben hätten. „Sie waren nicht neutral. Sie haben der einen Seite Rückendeckung gegeben“, folgerte der Wiener Universitätsprofessor. Zudem greife das Argument der Neutralität nur zwischen den Konfliktparteien Israel und Syrien, so Nowak. „Man kann nicht sagen, dass sie (die Schmuggler) im Auftrag der Israelis dort gewesen sind.“

(Bild: "Krone")

Dass die Blauhelme nach syrischem Recht belangt werden können, glaube er nicht, sagte Nowak. Der Vorfall habe sich in der entmilitarisierten Zone zugetragen. Allerdings komme das österreichische Strafrecht zum Tragen.

Untersuchungen noch ganz am Anfang
Die Untersuchungen in dem Fall sind laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums noch ganz am Anfang. So sei die Identität der an dem Vorfall beteiligten noch unklar. Diese habe man aufgrund der Videos noch nicht feststellen können. Reine Spekulation sei auch, dass die damalige Episode zum Abzug der österreichischen Blauhelme im Juni 2013 beigetragen habe, sagte der Sprecher.

(Bild: EPA)

Überstürzter Abzug nach fast 40 Jahren sorgte für Irritationen bei UNO und Israel
Österreich, das fast 40 Jahre lang im Einsatz war, entschied Anfang Juni 2013, die zuletzt knapp 380 heimischen Blauhelme abzuziehen. Dem von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) verkündeten Beschluss waren immer häufigere Verletzungen der Waffenstillstandszone vorangegangen. Die nur leicht bewaffneten Blauhelme seien kaum noch aus ihren Schutzräumen gekommen, hieß es. Der überstürzte Abzug wurde von den Vereinten Nationen irritiert zur Kenntnis genommen, Israel übte deutliche Kritik.

(Bild: APA/Herbert Pfarrhofer)

Auch Bundespräsident Heinz Fischer bewog die damalige Entscheidung später zu Selbstkritik. Er sei im Auto unterwegs gewesen, als ihn Verteidigungsminister und Bundeskanzler telefonisch von der Entscheidung des Rückzugs informiert hätten, rekapitulierte der Bundespräsident zum Ende seiner zweiten Amtszeit im Mai 2016. Es sei von Feuergefechten und vielen Toten die Rede gewesen. „Prüft das gut“, habe er gesagt. Dass er nicht explizit vom Abzug abgeraten habe, sehe er als einen seiner Fehler als Bundespräsident an - die Entscheidung sei nämlich falsch gewesen. „Und ich habe sie nicht zu verhindern gewusst.“

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