Bestechungsskandal

1860-Präsident Wildmoser tritt zurück

Sport
16.03.2004 10:14
Beim TSV 1860 München ist die "Ära" Wildmoser vorbei. Der 64-Jährige erklärte nach zwölfjähriger Amtszeit seinen Rücktritt als Präsident des Fußball-Bundesligisten. Der Aufsichtsrat bestätigte nach seiner dreieinhalbstündigen Sondersitzung am Montag den Rückzug des "Löwen"-Chef und bestellte den bisherigen Aufsichtsrat Karl Auer zum Präsidenten.
Wildmoser habe sein Amt auf eigenen Wunsch zurVerfügung gestellt, betonte das Gremium. Für Wildmoserund seinen Sohn wird die Schmiergeld-Affäre womöglichein Nachspiel haben. Der FC Bayern will gegen den als Hauptbeschuldigteninhaftierten Sohn Karl-Heinz gerichtlich vorgehen. Auch dem Seniordroht eine Zivilklage, wenn sich die Vorwürfe gegen ihn bestätigen.
 
"Irgendwann geht es auf den Geist"
"Ich wollte Ruhe im Verein, dass die Spieler keinAlibi haben, wenn sie am Sonntag gegen Freiburg verlieren", sagteWildmoser im Bayerischen Fernsehen, "1860 ist mir ans Herz gewachsen,aber wenn man zwölf Jahre lang permanent beschimpft und dummangemacht wird, dann geht einem das irgendwann auf den Geist.In sechs Wochen kriege ich die Rente, die will ich genießen."Auer sagte in einer ersten Reaktion: "Es geht jetzt darum, weiterenSchaden vom Verein abzuwenden". Der 56-Jährige leitet eineVertriebsfirma im oberbayerischen Holzkirchen und ist seit 1996im Aufsichtsrat.
 
Weiterhin Tatverdacht
Mit höhnischen Gesängen verabschiedetendie Mehrheit der rund hundert Fans den alten "Löwen"-Chef,der kommentarlos das Vereinsgelände mit dem Auto verließund sich zu einem geplanten TV- Auftritt begab. "Es war eine einvernehmlicheSitzung, mit deren Ergebnis alle zufrieden sind", sagte der MünchnerOberbürgermeister Christian Ude (SPD), der vor dem Treffenals Aufsichtsrats-Mitglied wegen des "erschütternden Schmiergeld-Skandals"seine Forderung nach dem Rücktritt von Wildmoser erneuerthatte. Der Großgastronom war am vorigen Freitag nach dreitätigerHaft gegen eine Kaution von 200.000 Euro unter Auflagen freigelassenworden war. Gegen ihn besteht aber weiterhin Tatverdacht.
 
1,7 Millionen über Schweizer Konten
Ausgerechnet vor der entscheidenden Sitzung überseine Zukunft als "König der Löwen" schien Wildmosersenior sein Kämpferherz verloren zu haben. "Ich bin im Zweifel,was ich tun soll", sagte er am Vormittag, "wenn mir einer blödkommt, stehe ich auf und gehe. In so einem Amt bist du letztlichnur eine Marionette". In der Schmiergeldaffäre wurden neueErmittlungsergebnisse publik, wonach rund 1,7 Millionen der 2,8Millionen Euro Bestechungsgeld über Schweizer Konten geflossensind. Das bestätigte der Anwalt von Karl- Heinz Wildmoserjunior.
 
FC Bayern will klagen
Dem Wildmoser-Sohn drohen auch vom FC Bayern Konsequenzen.Die Anwälte der Stadion-GmbH würden eine Zivilklagegegen ihn vorbereiten, sagte Manager Uli Hoeneß der MünchnerZeitung "tz" Zudem würden die Bauherren und "damit auch derTSV 1860 als Gesellschafter" auch gegen den Senior klagen, solltensich die Vorwürfe gegen ihn bestätigen. Der Junior waram vorigen Freitag als Geschäftsführer der Stadion-GmbHabberufen worden.
 
Eiszeit zwischen den Münchner Vereinen
Die Bayern waren schon nach Wildmosers Verbal-Attacken gegenFranz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge auf Distanz gegangen."Solange die Vorwürfe gegen Herrn Wildmoser bestehen, werdenwir uns mit ihm nicht mehr an einen Tisch setzen, dafür istzu viel vorgefallen", sagte Hoeneß. Er bekräftigteaber im Deutschen Sportfernsehen (DSF), man wolle den Stadionbaugemeinsam mit 1860 vorantreiben, stellte vor der Aufsichtsratssitzungaber auch klar: "Wenn die Fronten nicht geklärt werden, dannmüssen wir unsere eigenen Konsequenzen ziehen: Stadionbauweiterhin mit 1860, aber nicht mit Wildmoser!"
 
Die Vorgeschichte
Wildmoser soll zusammen mit seinem Sohn bei der Vergabedes Auftrags für den Bau des neuen Münchner Fußballstadions"Allianz Arena" an die Alpine Bau Deutschland GmbH Schmiergelderin Höhe von 2,8 Millionen Euro kassiert haben. Die Vorwürfelauten auf Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung.
 
Konkret soll Wildmoser Alpine gesteckt haben, dassdie Münchner Bundesligavereine als Bauherren maximal 280Millionen Euro für den Neubau des Stadions akzeptieren wollten.Damit konnte die Firma - so der Verdacht - den Betrag voll ausreizen.
 
Der Auftrag wurde nach Auffassung der Ermittlergenau zu diesem Maximalbetrag und damit zu "einem deutlich überhöhtenPreis" vergeben. Mindestens das Schmiergeld, das mit 2,8 MillionenEuro ein Prozent des Preises betrug, sei aufgeschlagen worden.
 
Das Frankfurter Architekturbüro Albert Speerund Partner sieht sich in dem Korruptionsskandal als Zeuge. BeiDurchsuchungen am Dienstag hätten die Staatsanwälteversichert, dass niemand aus dem Büro beschuldigt werde,erklärte Speers Partner Michael Denkel am Mittwoch. Diesgelte auch für Albert Speer, der derzeit im Urlaub sei. DasArchitekturbüro war nach Denkels Angaben frühzeitigin das Stadionprojekt eingebunden.
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(Bild: KMM)



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