Kein Weltuntergang

Erdloch-Sekte kehrt ans Tageslicht zurück

Ausland
16.05.2008 14:54
Friedliches Ende des "Dramas von Pensa": Nach fast 200 Tagen in einer Erdhöhle sind die letzten neun Anhänger einer russischen Weltuntergangssekte am Freitag ans Tageslicht gekommen. Im November 2007 hatten sich mehr als 30 Menschen, darunter auch Kinder, mit Proviant in ein unterirdisches Tunnelsystem zurückgezogen. Zwei Frauen sind während der Zeit in der Höhle gestorben.

Die Sektenmitglieder wollten sich im Gebiet Pensa rund 650 Kilometer südöstlich von Moskau auf das Ende der Welt vorbereiten, das ihrer Überzeugung nach kurz bevorsteht. Man habe die neun Verbliebenen, darunter eine 82-jährige Frau, überzeugt, dass von den Leichen der zwei in der Höhle gestorbenen Frauen Infektionsgefahr ausgehe, teilte ein Behördensprecher mit.

Das Tunnelsystem war vom spirituellen Führer der Sekte, Pjotr Kusnezow, angelegt worden. Der Bauingenieur ging allerdings nicht mit in die Tiefe. Kusnezow war vor einiger Zeit in die Psychiatrie eingewiesen worden und erholt sich derzeit von einem Selbstmordversuch. Erst vor kurzem hatte er öffentlich eingeräumt, dass er sich bei seiner Prognose des Weltuntergangs geirrt haben könnte.

Sekten suchen "orientierungslose Seelen"
Ähnliche Sekten wie die "Wahre russisch-orthodoxe Kirche", deren Mitglieder die "Höhlenmenschen von Pensa" waren, gebe es im ganzen Land, so der russische Sektenexperte Alexander Dworkin. "In einigen Regionen Sibiriens ziehen sich die Gläubigen in die Taiga zurück", sagte Dworkin. Auch würden ausländische Sekten wie die Scientology Kirche ihre Netze auswerfen, um "orientierungslose Seelen zu fangen".

Sektenanhänger drohten mit Selbstmord
In den vergangenen sechs Monaten hatte das russische Fernsehen und Zeitungen immer wieder Bilder von dem Versteck gezeigt. Darunter waren auch ein paar Innenaufnahmen, von denen einige nach dem teilweisen Einsturz des primitiven Tunnelsystems entstanden waren. Auch Polizisten waren immer wieder zu sehen, die anfangs noch im schmutzigen Schnee um das Dorf Nikolskoje die Be- und Entlüftungsrohre der Erdhöhle bewachten. Außerdem verhinderte die Sondereinheit, dass weitere Jünger in die Erde hinabsteigen. Die Gläubigen in der Höhle hatten stets gedroht, sich anzuzünden, sollten sie gewaltsam aus ihrem Versteck geholt werden.

Verwesungsgeruch war unerträglich
Verhandlungsführer hatten laut Medienberichten bis zuletzt Probleme, die Menschen zum Verlassen des Erdlochs zu bewegen, weil ihnen das "Bibelwissen zum Argumentieren" gefehlt habe. Der Polizei gelang es allerdings im Frühjahr, zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder zur Aufgabe zu überreden. Nun kamen auch die letzten Anhänger - zwei Männer und sieben Frauen -  ans Tageslicht, nachdem zwei Frauen in der Höhle schon vor Wochen gestorben waren: eine Frau an Krebs, die andere angeblich an den Folgen des Fastens. "Die Verbliebenen konnten offensichtlich den Verwesungsgeruch nicht mehr ertragen", sagte ein Behördensprecher der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Nach seinen Angaben ist der Gesundheitszustand der neun Gläubigen "zufriedenstellend". Allerdings steht den Sektenmitgliedern, die Personaldokumente ablehnen, weiterer Ärger bevor. Die Behörden würden ihnen Pässe ausstellen, "ob sie wollen oder nicht", drohte ein Behördensprecher am Freitag.

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