Kasache im Visier

Strafverfahren gegen Alijew wegen Mordes eingeleitet

Österreich
11.07.2011 13:56
In der Causa um den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Alijew ist in Österreich ein Strafverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft ermittle seit einer Woche wegen Mordes und erpresserischer Entführung gegen Alijew, sagte der zuständige Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, am Montag. Alijew wurde 2008 in Kasachstan wegen der Entführung zweier Bankmanager verurteilt, die mittlerweile tot aufgefunden wurden. Er behauptet, Opfer eines politischen Feldzugs durch Kasachstans Behörden zu sein.

Die beiden Bankmanager Zholdas Temiraliyev und Aybar Khassenov waren am 31. Jänner 2007 in der Umgebung der staatlichen Nurbank, deren Haupteigentümer Alijew ist, spurlos verschwunden. Mitte Mai wurden die Leichen der beiden Männer in der Stadt Almaty aufgefunden. Obwohl die Körper durch die Lagerung in Kalkfässern auf dem Gelände einer ehemaligen Firma Alijews bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren, konnte ihre Identität durch DNA-Tests nachgewiesen werden.

Am 23. Mai 2007 startete die kasachische Justiz Ermittlungen gegen Alijew, drei Tage später wurde er als kasachischer Botschafter in Wien abgesetzt. Es folgten ein Haftbefehl und ein Auslieferungsantrag, aufgrund dessen Alijew am 1. Juni 2007 vorübergehend in Haft genommen wurde. Alijew gelang es daraufhin erfolgreich, das Vorgehen der kasachischen Justiz als politisch motiviert darzustellen. Er sprach von manipulierten Beweisen und beteuerte, dass die beiden Männer noch lebten, als er das Land verlassen habe.

Behörden als Fluchthelfer?
Der Anwalt der Witwen der beiden Nurbank-Manager, Gabriel Lansky, bezichtigte die österreichischen Behörden, sich als Fluchthelfer für Alijew und seine vier mutmaßlichen Mittäter zu verdingen. Bei einem Treffen hochrangiger Vertreter von Innen-, Justiz- und Außenministerium Ende Mai soll die Hoffnung geäußert worden sein, dass sie sich ins Ausland absetzen, berichtete Lansky. Das Treffen habe stattgefunden, nachdem die Behörden durch den Leichenfund in Kasachstan "nachweislich Wissen hatten, dass Aufklärung droht".

Am Montag gab sich Lansky dann angesichts des eigeleiteten Verfahrens zufrieden: "Wenn es ernsthafte Ermittlungen sind, bin ich sehr optimistisch." Ein Gerichtsgutachten aus Deutschland habe nicht nur die Opfer eindeutig identifiziert, sondern auch starke Indizien auf die Täter gegeben. So seien an den Leichen Folterspuren und Präparate festgestellt worden, die sich mit Zeugenaussagen deckten. Lansky betonte, drei Handlanger und Beteiligte von Alijew würden in Österreich leben, möglicherweise auch ein vierter. Er gehe davon aus, dass das Mordverfahren auch gegen sie geführt werde. "Wenn das der Fall ist, steht die Causa vor der Aufklärung."

Alijew bestreitet Vorwürfe
Alijew selbst bestreitet alle Vorwürfe und spricht von einer politischen Kampagne seines Ex-Schwiegervaters, des autoritären kasachischen Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajewhat. Es handle sich um Rache für seine Ambitionen auf das Präsidentenamt und dafür, dass er sich geweigert habe, dem Staatschef und seiner Entourage lukrative Unternehmensanteile zu überschreiben. Am 8. August 2007 lehnte ein Wiener Gericht den Auslieferungsantrag ab, weil Alijew in seinem zentralasiatischen Heimatland kein faires Verfahren erwarten könne. Nachdem Alijew am 17. Jänner 2008 wegen der Entführung der beiden Banker in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, stellte Kasachstan neuerlich einen Auslieferungsantrag - diesmal zur Vollstreckung der Strafe. Es dauerte mehr als drei Jahre, bis auch dieser am 16. Juni 2011 vom Wiener Landesgericht abgelehnt wurde.

Außerdem hat der ehemalige Botschafter zugleich über seine Anwälte mitteilen lassen, dass er sich schon seit zwei Jahren nicht mehr in Österreich aufhalte. Auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding erklärte, Alijew befinde sich "nach den zur Verfügung stehenden Informationen nicht auf österreichischem Bundesgebiet." Der derzeitige Aufenthaltsort Alijews ist nicht bekannt - es wird aber vermutet, dass er sich auf Malta befindet. Alijews Anwalt Manfred Ainedter sagte am Montag, er wolle nächste Woche Kontakt mit dem zuständigen Staatsanwalt aufnehmen. Es müsse die Frage geklärt werden, ob ein derartiges Inlandsstrafverfahren gegen seinen Mandanten überhaupt zulässig sei.

Kritik an Österreichs Justiz
Die österreichische Justiz hat bereits zwei Auslieferungsanträge Kasachstans ohne Angabe von Gründen abgelehnt und sieht sich daher massiver Kritik ausgesetzt.Die EU-Kommission verlangt von der österreichischen Regierung Auskunft im Fall Alijew. Nach Angaben von Redings Sprecher Matthew Newman hat die EU-Justizkommissarin bereits im März einen Brief an die damalige österreichische Justizministerin Claudia Bandion-Ortner mit Bitte um Aufklärung geschrieben. Bisher habe die Kommission darauf jedoch keine Antwort bekommen. Nach dem Wechsel an der Spitze des Justizministeriums will Reding nunmehr die Causa beim informellen Treffen der EU-Justizminister im polnischen Sopot mit Bandion-Ortners Nachfolgerin Beatrix Karl ansprechen. Allerdings kann die EU-Kommission in dieser Causa kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten.

Der Sprecher Redings verwies darauf, dass auch Abgeordnete des EU-Parlaments bereits Aufklärung in der Causa gefordert hatten. So hatten der deutsche Europaparlamentarier Elmar Brok und der Berliner Rechtsanwalt Lothar de Maiziere Österreich im April aufgefordert, im Fall des Ex-Botschafters in Wien aktiv zu werden. "Es wäre absurd, wenn die EU diejenigen vor strafrechtlicher Verfolgung schützt, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben", kritisierte Brok damals im Zusammenhang mit der Klage zweier ehemaliger Leibwächter des früheren kasachischen Ministerpräsidenten Azekhan Kazhegeldin, die angeben, von Alijew persönlich gefoltert worden zu sein, weil sie sich geweigert hatten, ihren Chef zu belasten.

In Hinblick auf den jüngsten Druck der EU in der Causa sagte Sektionschef Pilnacek am Montag, das Justizministerium habe EU-Justizkommissarin Reding bereits am 5. Mai geantwortet. In dem Schreiben werde erklärt, dass sich Alijew nach heimischen Informationen nicht in Österreich aufhalte und in Österreich auch kein Aufenthalts- und Asylrecht genieße. Wegen des damals laufenden Auslieferungsverfahrens habe zu diesem Zeitpunkt in Österreich jedoch noch kein Inlandsstrafverfahren eingeleitet werden können. Derzeit werde aber geprüft, welche Personen zu vernehmen seien, sagte Pilnacek. In Österreich werden vier mutmaßliche Komplizen Alijews vermutet.

Beobachter sehen in nunmehrigen Ermittlungsverfahren gegen Alijew eine Konsequenz der beiden abgelehnten Auslieferungsverfahren. So betonte der Verfassungsrechtler Heinz Mayer bereits im Juni, dass das Strafgesetzbuch die Justizbehörden zur Strafverfolgung verpflichte, wenn ausländische Täter nicht an ihre Heimat ausgeliefert werden können. "Nichts zu tun und zu warten, bis die Leute weg sind, ist unzulässig", so Mayer.

Neue Azeige eingebracht
Indes wurde am Donnerstag voriger Woche offenbar eine weitere Strafanzeige gegen Alijew eingebracht, die laut Staatsanwaltschaft Wien jedoch noch nicht eingelangt ist. Darin wird Alijew erneut von einem ehemaligen kasachischen Leibwächter vorgeworfen, Folter und Misshandlung in Auftrag gegeben und teilweise sogar selbst verübt zu haben.

So soll Alijew im Dezember 1999 in seiner damaligen Funktion als Leiter des Komitees für Nationale Sicherheit den Leibwächter Petr Afanasenko mittels Folter zu einem falschen Geständnis gezwungen haben. Afanasenko, ehemaliger Chef des Personenschutzdienstes von Ex-Premier Kazhegeldin, wurde laut seinen Wiener Anwälten im Jahr 1999 in Kasachstan verhaftet, nachdem Kazhegeldin angekündigt hatte, als Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl anzutreten und sich in der Folge aufgrund politischer Verfolgung ins Ausland absetzte.

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