"Krone"-Interview

Kommen jetzt härtere Strafen, Herr Moser?

Österreich
20.12.2017 05:55

Der neue Justiz- und Reformminister Josef Moser (62) spricht mit Conny Bischofberger über seine Karriere im Schatten von Blau und Schwarz, geplante Verschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten und wie sich das mit seiner "gnadenlosen Freundlichkeit" verträgt.

Im Entrée zu seinem Büro warten Dienstagmittag alle auf sein Eintreffen. Der Büroleiter, die Pressesprecherin, der Herr über die Kaffeeküche: "Minister kommen und gehen, aber der Kaffee bleibt gleich", scherzt er und serviert Melangen mit Milchschaum. Dann kommt der Chef: blauer Anzug, hellblaues Hemd, violett-gemusterte Krawatte, Dreitagesbart. Sogar die schwarze Uhr hat einen blauen Zeiger. Dass die meisten seiner Vorgänger und Vorgängerinnen Anwälte, Rechtsprofessoren oder im Justizministerium verwurzelt waren, scheint den ehemaligen Präsidenten des Österreichischen Rechnungshofes nicht zu stören. "Ich bin leidenschaftlicher Jurist und hatte in meiner Berufskarriere immer mit Gesetzen zu tun. Deshalb ist dieses Amt für mich auch eine Krönung", sagt Josef Moser. Er ist schnell in seine neue Rolle hineingewachsen.

"Krone": Herr Minister, haben Sie sich schon an die neue Anrede gewöhnt?
Josef Moser: Anreden habe ich nie sehr wichtig genommen. Ich fühle mich als Josef Moser, egal welche Funktion ich bekleide. Aber die Amtsübergabe durch Minister (Wolfgang) Brandstetter ist sehr herzlich gewesen, ich habe von allen Seiten großes Entgegenkommen gespürt.

Wenn Sie ganz ehrlich sind, wären Sie nicht lieber Finanzminister geworden?
Nein. Weil ich jemand bin, der nicht in Funktionen denkt. Mir geht es immer um die Aufgabe. Ich will Österreich enkelgerecht machen, das heißt zukunftsfähig. Ich will andere überzeugen, diesen Weg mit mir zu gehen, in einen Zug einzusteigen und eine Strecke gemeinsam zu fahren, um dieses Ziel zu erreichen.

Dieser Zug ist aber ein paar Jahre lang unterwegs, oder?
Das ist richtig (lacht). Aber die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen - die alte wie auch die junge Generation -, können wir erstens nur gemeinsam bewältigen und zweitens nicht von heute auf morgen.

Was Sie als Rechnungshofpräsident immer gefordert haben, können Sie jetzt umsetzen. Insgesamt waren das 599 Reformvorschläge und 1007 Empfehlungen. Wie viel Prozent werden Sie abarbeiten können in der kommenden Legislaturperiode?
Der Prozentsatz ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass wir bürgernäher werden, dass der Staat sich nicht als Obrigkeit, sondern als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger versteht, dass er transparent ist in seinem Handeln. Beim Rechnungshof waren wir im Vertrauensindex die Nummer eins, diese Richtung möchte ich weitergehen: die Unabhängigkeit der Justiz stärken, die Qualität der Mitarbeiter steigern, unseren Wert und Nutzen durch Bürgernähe transparent machen.

Wie groß ist der Respekt vor der Aufgabe?
Sehr groß. Weil ja auch große Hoffnungen da sind. Und die möchte ich nicht enttäuschen.

Kommen wir von den Reformen zu den Gesetzen. Sie werden oft als "gnadenlos freundlich" beschrieben, wie passt das mit der Härte zusammen, die das Regierungsprogramm im Bereich der Justiz vorsieht?
Es gibt die Eigensicht und es gibt die Fremdsicht und ich hoffe, die decken sich ... Ich bin generell jemand, der auf Menschen zugeht, dem Menschen wichtig sind. Aber ich lasse dabei mein Ziel nicht aus den Augen. Wer auf seinem Weg ständig stehen bleibt und auf alles Rücksicht nimmt, erreicht sein Ziel nicht. Deshalb würde ich sagen: Freundlich ja, aber es soll keiner darunter verstehen, dass ich deswegen faule Kompromisse eingehe.

Vorgesehen sind Verschärfungen, etwa bei Gewalt- und Sexualdelikten. Hat man das gemacht, um den Ängsten nach der Silvesternacht von Köln gerecht zu werden?
Man muss das Recht und eben auch Strafen immer an gesellschaftliche Entwicklungen anpassen. Da sind viele Dinge passiert, die unfassbar sind, bei denen eine besondere Härte an den Tag gelegt worden ist. Wenn es eine solche Verhärtung gibt, muss man dem entgegentreten.

Kommen jetzt härtere Strafen?
Das Strafrechtsänderungsgesetz ist ja vor Kurzem erst in Kraft getreten. Jetzt geht es darum, zu schauen, ob diese Bestimmungen ausreichend sind und wo Nachschärfungen notwendig sein werden. Wir brauchen eine Null-Toleranz-Politik, wenn jemand die Rechtsordnung verlässt, und gleichzeitig brauchen wir einen stärkeren Opferschutz. In diesem Wechselspiel wird sich die Justiz in der nächsten Zeit entwickeln. Dabei ist auch der präventive Gesichtspunkt zu beachten.

Sie sprechen es nicht aus, aber hat die Flüchtlingsbewegung zu einer Verhärtung beigetragen?
Es gibt natürlich auch Straftäter, die zur Gruppe der Asylwerber gehören. Aber wir dürfen deshalb nicht jedem Asylwerber Fehlverhalten unterstellen.

Sollen straffällig gewordene Asylwerber abgeschoben werden?
Wenn jemand in unserem Land eine Straftat begeht, dann soll man den Strafvollzug in der Heimat des vermeintlichen Täters prüfen. Es wird Aufgabe der Politik sein, dafür zu sorgen, dass Abschiebungen nach einem negativen Asylbescheid auch erfolgreich durchgeführt werden können.

Das wird für Menschen aus Syrien und Afghanistan zum Beispiel nicht gehen.
Das stimmt, da gibt es keine entsprechenden Maßnahmen.

Stichwort Jugendgerichtsbarkeit: Ist es aus Ihrer Sicht richtig, 18- bis 21-Jährige wie Erwachsene zu behandeln?
Das werden wir prüfen. Wir wollen dabei stark mit dem Parlament und den betroffenen Berufsgruppen zusammenarbeiten.

Der Verfassungsgerichtshof wird demnächst einen neuen Präsidenten bekommen: Wie viel Fingerspitzengefühl wird notwendig sein bei dieser wichtigen Besetzung?
Es wurde auch in der Vergangenheit mit Fingerspitzengefühl agiert und ich bin mir sicher, dass es auch bei den Nachbesetzungen so sein wird. Ich werde das verfolgen und mich wenn nötig auch einbringen.

Ehe für alle: War es richtig, dass sie vom Höchstgericht vorgeschrieben wurde?
Ich finde es gut, dass endlich eine Entscheidung gefallen ist.

Sind Sie glücklich darüber?
Ich bin ein sehr toleranter Mensch und finde es gut, dass eine Lösung auf dem Tisch liegt.

Woran wird man in ein paar Monaten merken, dass der Justizminister jetzt Josef Moser heißt?
Ich hoffe, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen, dass ich ein Teamspieler bin, der die Stellung und Anerkennung der Justiz als dritte Kraft im Staat weiter stärkt.

Sie waren ja einst Büroleiter von Jörg Haider, da laufen noch immer Prozesse. Haben Sie Angst, dass da noch was auf Sie zukommen könnte?
Ich war nie involviert, und egal was kommt, die Justiz wird unabhängig agieren. Diese Unabhängigkeit werde ich mit aller Kraft stärken.

Derzeit läuft der Prozess gegen Karl-Heinz Grasser. Ist ein fairer Prozess in Ihren Augen garantiert?
Die Justiz wird auch hier genau das tun, was notwendig ist, um ein mögliches Fehlverhalten auch zu ahnden. Wir haben dafür ausgezeichnete Richterinnen und Richter.

War es kein Fehlverhalten vom Ehemann der Richterin, auf Twitter zu schreiben, Grasser gehöre eingesperrt?
Das beurteile ich nicht, denn ich möchte mich nicht in Entscheidungen einmischen, die gefallen sind. Ich stehe in vollem Ausmaß zu diesen Entscheidungen.

Herr Moser, Sie haben in einem blauen Umfeld Karriere gemacht und sind auf einem schwarzen Ticket in die Regierung gekommen. Warum sind Sie nie Parteimitglied geworden?
Ich wollte mich nie über Seilschaften einbringen, sondern immer mit meinem Sachverstand, mit meinen Kenntnissen und meinem Wesen. Ich wollte immer Eindrücke über die Grenzen hinweg gewinnen, ohne Scheuklappen. Der Grund, warum ich mich jetzt zu 100 Prozent im Team von Sebastian Kurz einbringe, ist, dass ich das erste Mal die Chance sehe, wirklich etwas zu verändern.

Haben Sie sofort "Ja" gesagt?
Ich habe es mit meiner Frau besprochen. Sie meinte: Mit deiner Leidenschaft und Kraft halte ich dich zu Hause wahrscheinlich eh nicht aus, also mach es lieber, bevor du unzufrieden bist. Sie hatte recht. Man kann sich nicht jahrelang einbringen und dann, wenn man die Möglichkeit hat, es umzusetzen, "Nein" sagen.

Angeblich sollen Sie in der ÖVP nicht nur Freunde haben ...
Ich fühle mich in der ÖVP sehr gut aufgehoben. Auch die Ländervertreter haben mich positiv empfangen, ich war eigentlich überrascht, wie groß ihr Entgegenkommen war.

Was wünschen Sie sich politisch und persönlich vom neuen Jahr?
Politisch dass ich die Erwartungen, die an mich gestellt werden, erfüllen kann. Privat wäre mein Wunsch, dass ich gesund bleibe und neben meiner Funktion noch genügend Zeit habe für meine Familie und meine zwei Katzen.

Freunde nennen ihn "JoMo"
Geboren am 6. Oktober 1955 in Osttirol, "aber nur zufällig", betont der "waschechte Kärntner". Der Vater war Sägemeister, die Mutter Hausfrau. Moser studiert Jus und ist in den frühen 90er-Jahren Büroleiter von Jörg Haider. Von 1992 bis 2002 war er FPÖ-Klubdirektor im Nationalrat, von 2004 bis 2016 Rechnungshofpräsident und zuletzt Präsident des Wirtschaftsforschungsinstitutes EcoAustria. Seit 37 Jahren mit Dr. Daniela Moser verheiratet, eine erwachsene Tochter. Moser, den Freunde "JoMo" nennen, ist Rotarier und Katzenmensch.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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