St. Marx im Gespräch

Wrabetz-Vision: Nur ein ORF-Standort, Umzug inklusive?

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER, ROBERT JAEGER; krone.at-Grafik)

Wo schlägt der ORF künftig seinen Hauptsitz auf? Um diese Frage zu klären, wurden am Donnerstag kurz vor Mitternacht von Generaldirektor Alexander Wrabetz Unterlagen, welche die Kosten und Nutzen verschiedener Modelle unter die Lupe nehmen, an die zuständige Arbeitsgruppe des ORF-Stiftungsrats verschickt. Fix vorgeschlagen wird darin, dass es künftig nur mehr einen Standort für Fernsehen, Radio und Online geben soll. Offen bleibt allerdings noch, ob der Küniglberg saniert wird oder ein Neubau in St. Marx erfolgt.

Die an die Arbeitsgruppe übermittelten 200 Seiten zur Standortfrage enthalten unter anderem einen Bericht des Generaldirektors, das Sanierungskonzept, die Kosten-Evaluierung sowie das Gutachten der Beratungsfirma Accenture. Die Arbeitsgruppe des Stiftungsrats wird am 10. April darüber beraten, die endgültige Entscheidung fällt im Stiftungsrat - laut aktuellem Zeitplan spätestens in der Sitzung Ende Juni.

Auf den ersten Blick sprechen die langfristigen Zahlen laut Informationen der APA derzeit eher gegen einen Neubau des ORF-Zentrums in St. Marx im Bezirk Wien-Landstraße. 1,49 Milliarden Euro würde der Neubau inklusive der laufenden Betriebskosten gerechnet auf 35 Jahre kosten, die Kosten für Sanierung und einen konsolidierten Betrieb auf dem Küniglberg wären im gleichen Zeitraum mit 1,37 Milliarden Euro um 120 Millionen Euro günstiger. Noch billiger wäre jedoch die derzeitige Drei-Standort-Variante mit dem Radiofunkhaus in der Argentinierstraße und der Ö3-Niederlassung in Heiligenstadt.

Wrabetz für einheitlichen Standort
Letztere schließt aber ORF-Chef Wrabetz kategorisch aus und empfiehlt einen gemeinsamen Sitz für Fernsehen, Radio und Online mit der Begründung, dass dies notwendig und ökonomisch sinnvoll ist. Die Niederlassungen in der Argentinierstraße und in Heiligenstadt sollen demnach fallen. Auch international gehe der Trend in Richtung der "Nutzung von Standortsynergien".

Als Beispiel werden die öffentlich-rechtlichen Sender BBC in Großbritannien, DR in Dänemark, NRK in Norwegen oder BR in Bayern angeführt. Ein einheitlicher Standort entspreche auch einem weitgehenden Konsens der ORF-Führungsmannschaft, heißt es in dem Papier weiter. Klare Empfehlung für oder gegen St. Marx gibt es in den Unterlagen nicht. Kenner der Unterlagen wollen allerdings eine Präferenz Wrabetz' für einen Neubau in Wien-Landstraße erkennen.

Betriebsrat für Beibehaltung des Küniglbergs
Für die Beibehaltung des aktuellen Standorts plädiert hingegen bereits seit Jahren der Betriebsrat des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die nackten Zahlen würden auch für die derzeitige Variante mit dem ORF-Zentrum am Küniglberg, dem Funkhaus in der Argentinierstraße sowie Ö3 in Heiligenstadt sprechen. Auf 35 Jahre gerechnet, würde die Drei-Standort-Variante etwa 1,24 Milliarden Euro kosten, heißt es dazu in den aktuellen Unterlagen an die Arbeitsgruppe.

"Auch unabhängig von Zahlen, Daten und Fakten gibt es aus Sicht der Belegschaft keinen Grund, die Standorte Funkhaus und Küniglberg zu verlassen", erklärte Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser bereits im Juli 2011. Lediglich eine Aufgabe des Ö3-Medienhauses in Heiligenstadt sei vorstellbar.

In den Berechnungen nicht enthalten sind bisher allerdings Synergieeffekte, die etwa durch strukturelle Einsparungen oder auch den Wegfall von Kosten aus Mitarbeiterfahrten zwischen den Wiener Standorten entstehen. An einem einzigen Standort wird es weniger Personal geben, wie Wrabetz in dem Papier erstmals deutlich durchblicken lässt. Der Personalaufwand des ORF beträgt derzeit 280 Millionen Euro. Errichtet man das Zentrum am Küniglberg, wäre mit jährlichen Einsparungen von 1,5 Prozent zu rechnen, in St. Marx sogar mit 2,75 Prozent. Das führt zu einem Kostenvorteil gegenüber der aktuellen Drei-Standort-Variante.

Wrabetz will Kosten für Neubau drücken
Um eine letztgültige Entscheidung für oder gegen St. Marx oder den Küniglberg zu treffen, will Wrabetz nun noch prüfen lassen, ob und in welchem Ausmaß die Baukosten für St. Marx reduziert werden können. Vizebürgermeisterin Renate Brauner hatte früher bereits erklärt, dass man dem ORF entgegenkommen wolle, etwa mit einem Public-Private-Partnership-Modell. Außerdem will Wrabetz prüfen, ob der Aufwand für die Technik an einem neuen Standort substanziell reduziert werden kann und ob sich durch Einsparungen am neuen Standort - inklusive Personalaufwand - der Kostenunterschied zwischen der Sanierung des Küniglbergs und dem Neubau in St. Marx kompensieren lässt. Entsprechende Zahlen will die Geschäftsführung nun erarbeiten.

Vor allem die Wiener SPÖ forciert den Umzug an den neuen Standort um das Media Quarter Marx, um dort ein "Zentrum der Medienbranche" aufzubauen. Dass der ORF "von St. Marx - dem besten Medienstandort der Stadt - aus senden und der Leuchtturm in der Zusammenarbeit mit jungen, innovativen Medienkräften sein" soll, hat die Wiener SPÖ bereits in ihrem Wahlprogramm 2010 festgehalten.

ÖVP strikt gegen Umzug nach St. Marx
Gegen St. Marx ist indes die ÖVP, die die Mehrkosten von 120 Millionen Euro auf 35 Jahre für nicht rechtfertigbar hält, wie es in ersten Reaktionen hieß. Diesem Argument hält Wrabetz in seinen Unterlagen die jährlichen Mehrkosten eines Neubaus gegenüber der Sanierung und Konsolidierung am Küniglberg entgegen. Diese liegen laut den aktuellen Berechnungen bei nur 4,3 Millionen Euro. Gegenüber der derzeitigen Drei-Standort-Variante liegen die jährlichen Mehrkosten bei 7,7 Millionen Euro. Die Zahlen könnten sich aber durch zu hebende Synergie- und Struktur-Effekte, bessere Konditionen und geringere Technik-Investitionen bei einem Neubau noch signifikant verändern, heißt es im ORF.