Diplomaten & Agenten

Gift-Krimi: USA & 16 EU-Staaten weisen Russen aus

Ausland
26.03.2018 16:59

Nach dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal im englischen Salisbury eskaliert der Streit zwischen dem Westen und Russland nun völlig! Die USA und mindestens 16 EU-Staaten gaben am Montag in einer offensichtlich abgestimmten Aktion bekannt, zahlreiche russische Bürger (Diplomaten und Agenten) auszuweisen. Die Regierung in Moskau will mit Gegenmaßnahmen reagieren. Der Westen vermutet Russland hinter der Giftattacke, der Kreml weist das zurück.

Die Entscheidung der 16 EU-Staaten, russische Diplomaten auszuweisen, sei in enger Abstimmung innerhalb der EU und mit NATO-Verbündeten gefällt worden, teilte dass das deutsche Außenministerium in Berlin mit. Dieser Gruppe gehören Deutschland, Frankreich, Polen, Tschechien, Litauen, Spanien, Italien, die Niederlande, Dänemark, Estland, Lettland, Schweden, Rumänien, Finnland, Kroatien und Ungarn an. Insgesamt sollen EU-weit 30 russische Diplomaten ausgewiesen werden. Einige EU-Staaten wie Slowenien, die Slowakei oder Portugal wollen noch abwarten.

Darüber hinaus kündigten auch die Nicht-EU-Mitglied Norwegen und Ukraine sowie Kanada Ausweisungen von russischen Diplomaten an. Nachdem bereits Großbritannien Mitte März 23 russische Diplomaten ausgewiesen hatte, rächte sich Russland damit, ebenfalls 23 Diplomaten seines Kontrahenten des Landes zu verweisen.

Berlin: „Ausweisung ist starkes Signal der Solidarität mit Großbritannien“
Deutschland weist demnach vier russische Diplomaten aus „Solidarität mit Großbritannien“ aus. „Die Ausweisung der Diplomaten ist ein starkes Signal der Solidarität mit Großbritannien und signalisiert die Entschlossenheit der deutschen Bundesregierung, Angriffe auf unsere engsten Partner und Alliierten nicht unbeantwortet zu lassen“, teilte am Montag das Außenministerium in Berlin mit. Weitere Sanktionen in den kommenden Tagen seien nicht auszuschließen. „Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei“, erklärte Außenminister Heiko Maas.

Kurz und Kneissl: „Wir werden keine Diplomaten ausweisen“
Für Österreich hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits vergangene Woche eine Ausweisung russischer Diplomaten ausgeschlossen. Gemeinsam mit Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) unterstrich er dieses Vorhaben am Montag erneut. „Wir werden keine nationalen Maßnahmen setzen. Vielmehr wollen wir die Gesprächskanäle nach Russland offen halten.“

Diplomaten können jederzeit für unerwünscht erklärt werden
Nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen können Diplomaten für unerwünscht erklärt werden. „Der Empfangsstaat kann dem Entsendestaat jederzeit ohne Angabe von Gründen notifizieren, dass der Missionschef oder ein Mitglied des diplomatischen Personals der Mission persona non grata oder dass ein anderes Mitglied des Personals der Mission ihm nicht genehm ist“, heißt es in Artikel 9 des Vertrages. Der Entsendestaat hat dann die betreffende Person entweder abzuberufen oder ihre Tätigkeit bei der Mission zu beenden. Der Empfangsstaat kann festlegen, dass betreffende Personen in einer bestimmten Frist ausreisen müssen.

USA: „Russische Agenten haben sieben Tage Zeit, das Land zu verlassen“
US-Regierungsmitarbeiter sagten am Montag in Washington, bei ihren Ausweisungen handle es sich um „bekannte Mitarbeiter der Geheimdienste“. Betroffen von den Ausweisungen seien 60 russische „Agenten“, die in hohem Maße damit beschäftigt seien, „aggressiv Informationen zu sammeln“. Zwölf der Personen seien bei den Vereinten Nationen in New York stationiert, hieß es weiter. Wie alle anderen auch hätten sie nun sieben Tage Zeit, das Land zu verlassen.

USA schließt russisches Konsulat in Seattle
Die Aktion ist den Angaben zufolge mit Großbritannien und weiteren Verbündeten koordiniert worden. Der Giftmordversuch in Großbritannien sei als Angriff auf Sicherheit und Stabilität des engsten US-Verbündeten gewertet worden, hieß es. Mit den Ausweisungen demonstrierten die USA ihre „unverbrüchliche Solidarität“ mit Großbritannien. Sie seien eine Antwort auf die „fortgesetzten Verstöße“ Russlands gegen die internationalen Regeln. Außerdem werde das russische Konsulat in Seattle auf Anweisung von Präsident Donald Trump komplett geschlossen. Das Konsulat werde für Spionageaktivitäten gegen eine nahe gelegene U-Boot-Basis sowie gegen die Fabrik des Flugzeugherstellers Boeing genutzt, hieß es zur Begründung. Russland habe derzeit deutlich mehr als 100 aktive Agenten in den USA.

May: „Bisher größte Sanktion gegen russische Diplomaten“
Die britische Premierministerin Theresa May sagte, es handle sich um die größte gemeinschaftliche Ausweisung russischer Diplomaten in der Geschichte. Insgesamt seien davon mehr als 100 Personen in 18 Ländern betroffen. „Das Vereinigte Königreich wird Schulter an Schulter mit der EU und der NATO stehen, um diesen Drohungen die Stirn zu bieten“, sagte die Regierungschefin. Tusk sagte, dass in den kommenden Tagen und Wochen weitere Maßnahmen verhängt werden könnten.

Russland schlägt zurück: 60 US-Diplomaten werden ausgewiesen
Russland wird einem Mitglied des Oberhauses zufolge auf die angekündigte Ausweisung russischer Diplomaten aus den USA entsprechend reagieren. Mindestens 60 US-Diplomaten müssten das Land verlassen, sagte Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates, am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Auch der russische Botschafter in Washington protestierte gegen die Ausweisung seiner Landsleute. Die USA zerstörten das Wenige, das noch an Beziehungen zwischen beiden Staaten übrig geblieben sei, sagte Anatoli Iwanowitsch Antonow. Die Reaktion Russlands werde im gleichen Maße erfolgen - die USA verstünden nur die Sprache der Stärke. „Es versteht sich von selbst, dass der unfreundliche Schritt nicht folgenlos bleiben wird“, hieß es in einer Aussendung des Außenministeriums. 

Großbritannien hat bisher keine Beweise veröffentlicht
Russland hatte den Vorwurf der EU zurückgewiesen, hinter dem Anschlag in Salisbury zu stecken. Die Führung in Moskau warf der EU vor, sie lasse sich in eine von Großbritannien und der USA inszenierte Kampagne hineinziehen, mit der ein Keil zwischen die Union und Russland getrieben werden solle. Großbritannien hat bisher keine Beweise für eine Verwicklung Russlands in den Anschlag veröffentlicht und lediglich davon gesprochen, dass Russland „höchstwahrscheinlich“ hinter dem Anschlag stecke. Dem schlossen sich die EU-Staaten am Freitag an. 

Der Anschlag auf Skripal und seine Tochter wurde der britischen Darstellung zufolge mit einem Nervengift ausgeführt, das aus der Sowjetunion stammt. Unklar ist, wo das verwendete Gift hergestellt wurde. Zurzeit sollen Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen die Proben vom Tatort untersuchen.

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