Frag doch mal einen Take-That-Fan (am besten einen weiblichen), was er oder sie vom Comeback der ehemaligen Teenie-Schwärme hält. Die Reaktionen reichen von „Is mir Wurscht, i steh jetzt eh auf U2“ über „Nein, bitte ich hab doch seit zehn Jahren für keinen Rockstar mehr geweint“ bis zum triumphalen „Ich wusste, warum ich den Bravo-Star-Schnitt hab hängen lassen“.
Kaum ein Teenager, dessen pubertäre Hochphase in den Jahren 1990 bis 1996 stattfand, der nicht irgendwie mit Take That in Berührung kam. Sei es als kreischender Fan, ruhiger Betrachter oder stiller Verachter (was eher auf jene männlichen Zeitzeugen der Take-That-Ära zutreffen wird, deren körperliche Entwicklung vielleicht nicht ganz so zielstrebig auf den Mark-Owen-Typ als Endstadium hinsteuerte).
Sieht man einmal von den (damals?) optischen Qualitäten und der dazugehörigen Vergötterung der vier verbliebenen „Nimm das“-Jungs ab, bleiben acht Nummer-1-Singles während der letzten drei Jahre ihrer Ära eins, die von 1990 bis 1996 dauerte. Wohlgemerkt: Die acht Hits stammen von gerade einmal zwei Alben, auf denen zusammen 24 Songs zu finden sind. Wirtschaftlich betrachtet, ist diese „Ausbeute“ wahrscheinlich höher als bei Ölbohrungen in Saudi-Arabien.
„Beautiful World“ ist das vierte Studioalbum von Take That und alles deutet darauf hin, dass es an die Erfolge seiner Vorgänger anknüpft: Ausverkaufte Comeback-Tour in Großbritannien, Nummer eins in mehreren europäischen Chartländern und eine Single, die im Radio öfter zum Zug kommt, als die Signatur der Verkehrsfunkdurchsage – und das alles, obwohl sie sich jetzt als vier unrasierte, casual gekleidete Mittdreißiger präsentieren und in ihren Videos Mikrofonständer auf einen isländischen Hügel schleppen, anstatt mit einem Mädel unterm Arm, den Mount Everest zu besteigen, wie wir das gefälligst erwartet hätten...
Nichtsdestotrotz: „Patience“ heißt die aktuelle Single und ist zugleich der beste Song auf „Beautiful World“. Würde ein Uni-Professor ein Veranschaulichungsobjekt zur Anatomie des Popsongs benötigen, in „Patience“ hätte er einen neuen Einserkandidaten gefunden. Kurz: dieses Lied hat einfach alles, was Erfolg ausmacht – und das musst du als Freund und Feind anerkennen.
Und da wären:
Und schließlich:
Die übrigen Tracks auf „Beautiful World“ – sie stammen allesamt aus den Federn der vier Bandmitgliedern und einer langen Liste von Co-Writern – beschäftigen sich ähnlich gekonnt mit ähnlicher Thematik. Allerdings reicht die Vielfalt von „ultra-schnulzig“ bis „sanft-rockig“, was früher mit Sicherheit nicht der Fall war. Alpha-Tier Gary Barlow hat wie so oft zuvor, den Löwenanteil beigesteuert - sowohl am Geschriebenen als auch an den Leadvocal-Passagen. Er ist auch als einziges Bandmitglied in den Musikercredits (Piano) vertreten.
Am Ende des Tages bleibt „Beautiful World“ eine routinierte, nicht gerade von überraschten Augenaufschlägen begleitete Pop-Produktion, die vom Talent der Songschreiber und von deren Gespür für Musik lebt. Die Platte ist einfach „nett“ - genauso nett, wie die vier Jungs, die sie gemacht haben, genauso nett wie die wirklich gute Single „Patience“ und genauso nett, wie der Titel, den sie ihrem Werk gaben. Schließlich hat diese „Beautiful World“ Take That doch auch sehr nett behandelt…
7 von 10 Nettigkeiten
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