Die Zukunft ist da!

Autos auf der CES: Fingerwisch & autonomes Fahren

Elektronik
07.01.2015 12:06
Autos werden immer mehr zu rollenden Supercomputern – kein Wunder, dass sich die Autokonzerne auf der Computer Electronics Show (CES, bis 9. Jänner) in Las Vegas so breit machen wie nie. Sie zeigen autonom fahrende Autos ebenso wie revolutionäre Bedienkonzepte, denn wie ein Smartphone muss ein hochkomplexes Fahrzeug vor allem eines sein: leicht zu bedienen.

So wie in "Mission Impossible: Phantom-Protokoll" werden wir unsere Autos wohl so bald nicht bedienen, aber der Weg führt in die Richtung. Soll die Masse begeistert werden, dann folgen amerikanische Unternehmen gern dem KISS-Prinzip. Was die Abkürzung bedeutet, erklärt Doug Welk, Chefingenieur beim Autozuliefer Delphi: "Keep it simple and stupid." Frei übersetzt: Halt es so einfach, dass es jeder Trottel begreift. Damit haben US-Firmen durchschlagenden Erfolg - nicht nur bei Erklärbuch-Reihen nach dem Motto "iPhone für Dummies", "Windows für Dummies", "Android für Dummies" - sondern auch mit Hard- und Software. Das iPhone etwa ist ja gerade deswegen so ein Renner, weil es fast jeder intuitiv bedienen kann.

Das Auto spricht mit mir
Die Bedienungsvereinfachung im Auto kann zum Beispiel darin bestehen, dass die Technik mit mir redet. Spracherkennung ist bisher eher auf abgehackte Kommandos beschränkt, die der Bordcomputer mit monotoner Stimme nachleiert - wenn er sie denn überhaupt versteht. Das will Delphi-Mann Welk jetzt menschlicher gestalten. Auf der CES wummern zwar im Hintergrund die Bässe vom Nachbarstand, aber mit dem Delphi-Computer lässt es sich ganz entspannt plauschen. Und das auch in ganz normalen Sätzen. Anders als Smartphone-Anbindungen können die ins Fahrzeug eingebauten Spracherkennungen auch Fahrbefehle weiterverarbeiten.

Autonomer Audi A7: Langstrecken-Test unter Alltagsbedingungen endete nach 560 Meilen in Las Vegas. (Bild: Audi)
Autonomer Audi A7: Langstrecken-Test unter Alltagsbedingungen endete nach 560 Meilen in Las Vegas.
Audi zeigt mit dem Versuchsträger A7, wie das Fahrzeug selbstständig einparken kann. (Bild: Audi)
Audi zeigt mit dem Versuchsträger A7, wie das Fahrzeug selbstständig einparken kann.
Auch bei BMW steuert das Fahrzeug alleine in eine Parklücke. (Bild: BMW)
Auch bei BMW steuert das Fahrzeug alleine in eine Parklücke.
Daimlers futuristische Luxus-Limousine F 015 soll 2030 autonom fahren. (Bild: Daimler)
Daimlers futuristische Luxus-Limousine F 015 soll 2030 autonom fahren.
Der Lenker sitzt dabei mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. (Bild: Daimler)
Der Lenker sitzt dabei mit dem Rücken zur Fahrtrichtung.
Moderne Technik ist nur gut, wenn sie jedes Kind bedienen kann (hier: Sprachsteuerung von Delphi). (Bild: Matthias Knödler)
Moderne Technik ist nur gut, wenn sie jedes Kind bedienen kann (hier: Sprachsteuerung von Delphi).
Pioneer zeigt Tablet-Nachrüst-Lösungen, deren Bildschirme das Wisch-und-Weg beherrschen. (Bild: Matthias Knödler)
Pioneer zeigt Tablet-Nachrüst-Lösungen, deren Bildschirme das Wisch-und-Weg beherrschen.

"Übernimm doch bitte das Steuer, der Stau nervt." Das könnte so ein Kommando sein, bei dem die Technik eingreift. Bosch präsentiert auf der CES ein Versuchsfahrzeug mit der neuesten Generation seines Stauassistenten, der bei quälendem Stop-and-Go lenkt, bremst, beschleunigt und in der Spur bleibt. Die Technik werde sich auch außerhalb des Luxus-Segments bald flächendeckend durchsetzen, sind sich die Schwaben sicher. Weil sie einfach zu bedienen ist und einen echten Vorteil bietet.

"Autofahren für Dummies" – das Fahrzeug macht's alleine
Neben den klassischen Zulieferern steuern auch immer mehr Computer- und Software-Konzerne ihr Knowhow dazu bei, dass das Auto mitdenkt und mitlenkt. Und das bedeutet auch: Weitgehend unfallfreies Fahren wird möglich. Schließlich sind an 90 Prozent aller Crashs menschliche Fehler schuld. Grafikkarten-Spezialist Nvidia etwa zeigt einen Computer, der besonders schnell und präzise Objekte unterscheiden kann. "Nvidia Drive" kann blitzartig Fußgänger, Radfahrer oder Rehe und sogar verschiedene Automodelle erkennen, so Konzern-Chef Jen-Hsun Huang. Sein Superrechner kann gleichzeitig Bilder von bis zu zwölf Kameras verarbeiten - und so selbstständige Assistenzsysteme exakter einsetzen helfen. Der Fahrer muss selber nichts dazutun. "Autofahren für Dummies" sozusagen.

Das autonome Eingreifen ist so etwas wie die Spitze der einfachen Bedienung im Auto: Der Computer macht das Richtige im Straßenverkehr, ohne dass der Fahrer noch lenkt, bremst oder Gas gibt. Allen voran die futuristische Luxus-Limousine F 015 von Mercedes, die etwa auf das Jahr 2030 datiert ist und dann komplett autonom fahren soll, so dass ihre Insassen sogar mit dem Rücken zur Fahrtrichtung ihre Zeit im Auto für andere Dinge nutzen können. Audi hat einen autonomen Versuchsträger auf Achse anreisen lassen und BMWs i3-Forschungsfahrzeug macht sich fahrerlos auf die Suche nach einem Parkplatz. Autonomes Lenken, Gasgeben und Bremsen mit dem klassischen Fahrer als System-Überwacher ist aber fast überall bei den vertretenen Herstellern schon Standard.

Mach doch, was du willst, Auto!
Um Leben und Tod geht es natürlich nicht immer gleich - oft aber um Komfort. Deswegen tritt auch das autonome Einparken bald in eine neue Phase ein: Sowohl VW als auch BMW und Audi zeigen Modelle, die ihre Parkbucht ansteuern, ohne dass der Fahrer im Auto sitzt. Er drückt vielmehr auf dem Minidisplays seines Smartphones ein Feld, und das Auto kurvt in die Lücke.

Die Smartwatches, die auf der Messe zu sehen sind, können die erforderlichen Daten allerdings im Moment noch nicht verarbeiten. Das sagen etwa Entwickler von LG oder Panasonic. Dazu müssen Apple oder Google erst einmal die Schnittstellen zu ihrer Autosoftware auch für die sogenannten Wearables - wie zum Beispiel Uhren - freigeben. "Technisch ist das aber kein Problem", so John Avery von Panasonic.

Schon eher eine Herausforderung wird es für den Fahrer, wenn künftig verstärkt Informationen aus der virtuellen Umwelt wie Facebook-Nachrichten oder Tausende Internet-Radiosender seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Bosch hat dazu bereits Instrumente entwickelt, die solche Informationen ins Blickfeld des Fahrers einblenden - Tacho und Drehzahlmesser werden dann im virtuellen Cockpit einfach verkleinert. Die Technik wird noch in diesem Jahrzehnt auch in Kompaktwagen einziehen.

Fingerspiele in der Luft
Genau wie Gestensteuerung. Wischen und mit zwei Fingern den Bildschirmausschnitt vergrößern - das kennt der Autofahrer schon vom Tablet. Viele Zulieferer und Hersteller präsentieren jetzt Prototypen, bei denen das auch im Auto-Display funktioniert. Parrot und Pioneer zeigen sogar Nachrüst-Lösungen, deren Bildschirme das Wisch-und-Weg beherrschen. Ob die Daten dabei von einem Apple- oder Android-Smartphone kommen, ist den Einbau-Multimediasystemen gleich.

Auch die Gestensteuerung ganz ohne Bildschirmberührung funktioniert bereits bei einigen Herstellern, so bei VW oder bei BMW. So führt im Concept Car "Golf R Touch" ein Wischen in Richtung Frontscheibe beispielsweise zum Schließen des Schiebedachs, ein Wischen weg von der Frontscheibe zum Öffnen.

Ein BMW erkennt vier Gesten, über die der Fahrer mit dem Auto kommuniziert, sozusagen als Vorstufe zu dem, was die Münchner in "Mission Impossible: Phantom Protokoll" in einem BMW i8 zeigen.
So kann der Fahrer beispielsweise einen Telefonanruf durch Tippen in die Luft annehmen, durch Wegwischen ablehnen. Malt er mit dem Finger einen Kreis in die Luft, wird das Radio lauter oder leiser. Eine weitere Geste – ein Tippen mit zwei Fingern in die Luft – konfiguriert der Fahrer selbst, sie kann zum Beispiel bedeuten, dass sich das Display automatisch ausschaltet oder sich die Navigation mit dem Nachhauseweg einschaltet.

Hauptsache einfach. Da machen die Zulieferer, Nachrüster und Software-Entwickler auf der CES den etablierten Autoherstellern mächtig Dampf. "Wir können da noch lernen", gibt etwa Volkswagens Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer unumwunden zu: "Den Trend bei der Bedienung setzen da die Firmen aus der Informationstechnologie."

Apple und Google als Konkurrenten der Autoindustrie
Insbesondere die deutschen Hersteller engagieren sich im Zukunftsthema "Connected Car". Unter dem Begriff mag ein unbedarfter Nutzer heute vor allem die Möglichkeit verstehen, Smartphone-Apps im Auto zu nutzen – ein Punkt, bei dem die Autohersteller mit IT-Branchengrößen wie Apple oder Google zusammen arbeiten. Wie stark das Bestreben ist, das Zukunftsfahrzeug derart mit seiner Umwelt zu verbinden, dass die Unterhaltung in den Vordergrund, die Fahraufgabe in den Hintergrund rückt, zeigt die Messe nicht zum ersten – allerdings sicher auch nicht zum letzten Mal.

Bei aller Annäherung an die Unterhaltungselektronik-Industrie: Die Branchenriesen sind auch die künftigen Konkurrenten der Autohersteller. "Es besteht derzeit eine Co-Opetition: einerseits Kooperation, andererseits Konkurrenz", beschreibt dies Profen wie Apple und Google bedrohen mit neuen Geschäftsmodellen die Hersteller, insbesondere weil sie als Big-Data-Player den direkten Kundenkontakt anstreben." Google beispielsweise forscht schon länger am selbstfahrenden Auto, im vergangenen Jahr haben die Amerikaner einen putzigen Prototypen vorgestellt. In Konkurrenz mit den Elektronikriesen zu treten, bedeutet für die Hersteller dann auch, sich deren Geschwindigkeit anzupassen: "Die Autohersteller stehen unter Druck ihre Entwicklungszyklen insbesondere im Connected-Car-Bereich zu verkürzen", so Bratzel. Auf die CES im kommenden Jahr darf man als schon mal gespannt sein.

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