Missbrauchsvorwürfe

SOS-Kinderdorf: Gespräche um Umbenennungen laufen

Wien
24.10.2025 11:20

Nach den schockierenden Missbrauchsvorwürfen gegen den Gründer der SOS-Kinderdörfer, Hermann Gmeiner, sind Gespräche rund um Umbenennung von diversen Zentren, Plätzen, Straßen und Wegen – von Letzteren gibt es mindestens 14 – voll angelaufen. Auch die Entfernung von Denkmälern wird überlegt, wobei in Imst (Tirol) sogar bereits zwei abmontiert wurden. 

In Imst, wo das erste Kinderdorf im Jahr 1951 eröffnet worden war, zeigte man sich angesichts der Vorwürfe gegen Gmeiner schockiert. Zwei Denkmäler des SOS-Kinderdorf-Gründers – eine Bronzestatue vor der Imster Johanneskirche, eines vor dem Pflegezentrum – wurden bereits entfernt. Sie befinden sich unter Verschluss am Bauhof. Auch Umbenennungen einer Straße sowie von Kindergarten und Volksschule sollen folgen. „Es wird einen kompletten Schnitt mit allem geben, was seinen Namen betrifft“, sagte Bürgermeister Stefan Weirather (ÖVP) am Freitag.

Die Bronze-Skulptur von Hermann Gmeiner auf dem Bankerl vor der Johanneskirche in Imst wurde ...
Die Bronze-Skulptur von Hermann Gmeiner auf dem Bankerl vor der Johanneskirche in Imst wurde entfernt.(Bild: APA/STADTGEMEINDE IMST/OTHMAR KOLP)

„Einfach indiskutabel“
Missbrauch von Kindern sei „einfach indiskutabel“, begründete Weirather die Schritte. Auch die mögliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Imst stehe selbstverständlich im Raum. „Da sich die Ereignisse derzeit so überschlagen und Gmeiner schon lange tot ist, müssen wir aber erst prüfen, ob er überhaupt Ehrenbürger ist“, so der Bürgermeister dazu. 

Das Land Tirol leitete hinsichtlich der Gmeiner verliehenen Auszeichnungen eine „Aberkennungsprüfung“ ein, wie es am Freitag hieß. Der SOS-Kinderdorf-Gründer war im Jahr 1980 mit dem „Ring des Landes Tirol“ ausgezeichnet worden – der höchsten zu vergebenden Auszeichnung, für die ein Beschluss des Landtages notwendig ist. Bereits 1959 hatte Gmeiner das Ehrenzeichen des Landes erhalten.

„Mit einer Ehrwürdigung nicht vereinbar“
Im Tiroler Landes-Auszeichnungsgesetz sei festgelegt, dass eine Auszeichnung bei rechtskräftiger Verurteilung wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ex lege als widerrufen gelte oder posthum aberkannt werde, sofern Tatsachen im Nachhinein bekannt werden, die einer Verleihung entgegengestanden wären. „Die im Raum stehenden Vorwürfe sind zweifelsohne mit einer Ehrwürdigung durch das Land Tirol nicht vereinbar“, verlautete es aus dem Landhaus zur aktuellen Causa.

Die Vorwürfe würden eine Neubewertung der Auszeichnungen „dringend notwendig“ machen. Für eine Rückgängigmachung der Auszeichnungen seien die jeweiligen Gremien zu berücksichtigen, wurde betont.

In Wien wird ebenfalls über eine Umbenennung des im ersten Bezirk gelegenen Hermann-Gmeiner-Parks diskutiert. Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sprach sich gegenüber dem ORF Wien für eine Umbenennung aus. Voraussetzung dafür sei ein Antrag des Bezirks. Dort ließ man wissen, dass eine Umbenennung „unumgänglich“ sei, falls sich der Verdacht erhärte. Im Park befindet sich auch eine Büste Gmeiners. Die Grünen sprachen sich am Freitag bereits für eine Entfernung aus.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

In Graz steht man der Idee, den Hermann-Gmeiner-Weg im südwestlichen Stadtbezirk Straßgang umzubenennen, aufgeschlossen gegenüber. Mit heutigem Wissen hätte man den Weg nicht nach Gmeiner benannt, er ist nicht mehr der ideale Namensgeber, hieß es auf Anfrage aus dem Büro von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Es sei zum Glück nur ein sehr kleiner Weg mit wenigen Häusern, der Aufwand wäre gering. Rückmeldungen über Widerspruch habe man nicht. Zuständig sei das Stadtvermessungsamt, die Sache müsste im Gemeinderat beschlossen werden, hieß es.

Auch Ambulatorien denken Änderungen an
Auch die Organisation selbst überlegt, wie mit dem Erbe Gmeiners umgegangen werden soll. Die von SOS-Kinderdorf geführten Kärntner Ambulatorien in Moosburg und Villach („Hermann-Gmeiner-Zentren“) tragen den Namen des Gründers. Auch dort wird nun eine Änderung der Bezeichnung in Betracht gezogen, wie eine Sprecherin der „Kleinen Zeitung“ erläuterte.

In Pinkafeld könnte das SOS-Kinderdorf eine neue Adresse bekommen. Derzeit liegt es noch an der Hermann-Gmeiner-Straße, das dürfte sich aber ändern, wenn es nach Bürgermeister Kurt Maczek (SPÖ) geht. Er will das Thema Umbenennung im Stadtrat aufgreifen und diskutieren. Wenn die Vorwürfe gegen Gmeiner stimmen, sollte man darüber jedenfalls nachdenken, sprach er selbst sich für die Umbenennung aus.

Würdigungen im ganzen Land

Der Gründer der SOS-Kinderdörfer wurde an zahlreichen Orten gewürdigt. Straßen bzw. Wege in ganz Österreich tragen seinen Namen. Laut dem Straßenverzeichnis der Statistik Austria sind es mindestens 14.

Auch in Klagenfurt gibt es eine Straße, die nach Hermann Gmeiner benannt ist. Am kommenden Dienstag werden die Mitglieder des Stadtsenats in ihrer Sitzung eine mögliche Umbenennung diskutieren, teilte eine Sprecherin von Bürgermeister Christian Scheider (FSP) auf Anfrage mit.

In der Stadt Salzburg wird die Stadtregierung ebenfalls das Thema eingehend beraten. „Die in den Medien erhobenen Vorwürfe gegen den SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner haben mich zutiefst erschüttert. Sollte sich die Tragweite der kolportierten Anschuldigungen bestätigen, sehe ich dringenden Handlungsbedarf. In einem solchen Fall ist es unsere Verantwortung, konsequent zu handeln und klare Zeichen zu setzen – aus meiner Sicht führt dann kein Weg an einer Umbenennung vorbei“, sagte Bürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ). Er kündigte Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von SOS-Kinderdorf sowie anderen Städten und Gemeinden an, die sich ebenfalls mit der Frage von Straßen- und Parkbenennungen auseinandersetzen.

Der Bürgermeister der Gemeinde Seekirchen am Wallersee im Salzburger Flachgau, Konrad Pieringer (ÖVP), sagte auf Anfrage, dass er sich zur Causa nicht äußern wolle, weil er die Sachlage nicht kenne. In Seekirchen befindet sich ebenfalls ein SOS-Kinderdorf in einer nach dem Gründer benannten Straße.

In St. Pölten, in der sich eine Hermann-Gmeiner-Gasse befindet, wurde auf Anfrage auf geplante Zusatzschilder verwiesen. Diese sollen künftig bei sogenannten „belasteten Straßennamen“ – aber auch bei besonders positiv besetzten Bezeichnungen – angebracht werden und mittels QR-Code über die betreffenden Personen informieren. „Wir gehen damit einen eigenen St. Pöltner Weg, womit wir gleichzeitig auch Widerstandskämpfer:innen, NS-Opfer und Persönlichkeiten, die Positives geleistet haben, ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken können“, wurde mitgeteilt. Der Antrag dazu werde dem Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung zur Beschlussfassung vorgelegt, hieß es.

In Hinterbrühl (Bezirk Mödling) soll über eine Umbenennung der Dr. Hermann Gmeiner-Gasse und der Hermann-Gmeiner-Schule diskutiert werden. Es gelte, „mit Vernunft und Augenmaß“ und gleichzeitig den Erkenntnissen der heutigen Zeit entsprechend zu handeln, sagte Bürgermeister Erich Moser (ÖVP).

Hermann Gmeiner wurde auch in seinem Heimatbundesland Vorarlberg mit zahlreichen Ehrungen bedacht. So ist er Ehrenbürger seines Geburtsortes Alberschwende. Dort ist der Gemeindesaal nach ihm benannt, auch ein Denkmal erinnert an ihn. „Das über Jahrzehnte geprägte Bild von Hermann Gmeiner ist durch die Vorwürfe aus den aktuellen Berichten stark erschüttert. Die Vorwürfe werfen große Schatten auf das Lebenswerk von Hermann Gmeiner“, befand Bürgermeister Klaus Sohm in einer Aussendung am Freitag. Die Gemeinde werde sich gründlich Gedanken über den Umgang mit ihrem Ehrenbürger machen. Man hoffe auf eine vollständige Klärung im Sinne der Betroffenen.

In Dornbirn ist Gmeiner ein Park und ein Weg gewidmet, in der Stadt wird nun laut Medienberichten überlegt, wie man damit umgehen soll. Gmeiner erhielt zudem 1974 das Goldene Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg. Eine Entziehung der höchsten Vorarlberger Landesauszeichnung ist bei lebenden Personen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, eine posthume Aberkennung ist gesetzlich nicht vorgesehen.

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