Eine Vorarlberger Familie mit drei Töchtern hat einen steirischen Reproduktionsmediziner verklagt, weil dieser der Mutter, ohne deren Wissen Fremdsamen injiziert haben soll. Auch der leibliche Vater soll nichts von der Verwendung seines Samens gewusst haben. Nun werden weitere Geschädigte gesucht, die „Krone“ sprach mit der Anwältin der Familie.
Das türkischstämmige Ehepaar habe sich 1992 erstmalig an den Arzt gewandt. Aufgrund von Sprachbarrieren habe es Verständigungsprobleme gegeben, beide hätten nicht gewusst, wie eine solche Behandlung ablaufe, eine Aufklärung habe nicht stattgefunden, bestätigt die Innsbrucker Anwältin Lisa Holzmann gegenüber der „Krone“.
„Dabei ging die Mutter stets davon aus, dass sie bei der Spritze nur ein Medikament zur Fruchtbarkeitssteigerung erhält und eine Befruchtung dann auf natürlichem Weg erfolgen würde“, so die Anwältin. „Doch bei jeder der insgesamt 14 Behandlungen wurde die Frau mit Fremdsamen inseminiert. Durch dieses Vorgehen sind die drei Töchter gezeugt worden.“ Zum Motiv ist bisher noch nichts bekannt, doch der Ehemann der Mutter hatte offenbar eine Krankheit, die eine Befruchtung äußerst schwierig machen würde, erklärt die Anwältin. „Aufgeklärt wurde er darüber aber nicht, auch wurde er Jahrzehnte nicht behandelt.“
Wenn das einmal passiert, kann man vielleicht noch von Nach- oder Fahrlässigkeit sprechen, aber nicht, wenn das mehrmals passiert.
Rechtsanwältin Lisa Holzmann
Bild: Kanzlei Hermann Holzmann
DNA-Tests enthüllten unbekannte Väter
Für die Sitzungen flossen demnach insgesamt 84.000 Schilling (6.104,52 Euro), eine Rechnung habe die Familie nie erhalten. Ins Rollen kam das Ganze laut „Tiroler Tageszeitung“, weil eine der drei Töchter, eine Ärztin, ihrem Gefühl nachging „nicht ganz in die Familie hineinzupassen“, darum einen DNA-Test machte und dabei herauskam, dass der Mann, den sie als Vater kennt, nicht ihr leiblicher Vater ist. Weitere DNA-Untersuchungen ergaben, dass auch ihre Schwestern offenbar nicht von ihm abstammen. Ihre Erzeuger sind unbekannt. Über Nachforschungen in Gen-Datenbanken stieß die Ärztin schließlich auf den Mann, der genetisch ihr Vater ist. Dieser hatte aber offenbar keine Ahnung, dass sie seine Tochter ist.
Nichts von Verwendung des Spermas gewusst
Der leibliche Vater war in den 1990er-Jahren ebenfalls Patient bei dem Mediziner, allerdings nur, um seinen Hormonstatus abklären zu lassen. Dass die Spermienprobe des Salzburgers mutmaßlich verwendet wurde, um sie einer fremden Frau zu injizieren, habe dieser nicht gewusst. „Tatsächlich aber wurde das Sperma gezielt eingefroren und wenig später bei unserer Mandantin ohne Aufklärung darüber und ohne die Zustimmung von allen Beteiligten einzuholen, für eine Fremdinsemination verwendet“, so Anwalt Hermann Holzmann. Anwältin Lisa Holzmann ergänzt: „Der Mann wurde auch nicht auf Erb- oder Geschlechtskrankheiten untersucht, was unbedingt zum Schutz der Mutter und des Kindes geschehen hätte müssen.“
Mögliche weitere Geschädigte
Eigentlich wäre eine schriftliche Zustimmung einzuholen gewesen, auch die steirische Landesregierung habe entgegen der Bestimmungen keine Aufzeichnungen erhalten. Der Arzt bzw. dessen Sohn behaupte, ein Teil der Patientenakten sei in einem Lager durch einen Wasserschaden verloren gegangen. Man halte das für eine Schutzbehauptung, man habe eine weitere Patientin ausforschen können, der Ähnliches passiert sei. Als deren Tochter ihren biologischen Vater ausfindig machen wollte, habe der Arzt ebenfalls mit dem Wasserschaden argumentiert, ein anderes Mal aber angegeben, die Unterlagen seien bei einem Umzug verloren gegangen, so Holzmann. Man habe vergeblich versucht, über den Sohn mit dem mittlerweile betagten Arzt Kontakt aufzunehmen.
Die Familie wende sich nun an die Öffentlichkeit, um mögliche weitere Geschädigte ausfindig zu machen. „Es ist davon auszugehen, dass der Arzt auch andere Patientinnen einer Kinderwunschbehandlung Fremdsamen ohne ihr Wissen injizierte“, so die Tiroler Anwälte. Man habe daher den Mediziner wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Graz angezeigt, bestätigt deren Sprecher Arnulf Rumpold am Samstag auf „Krone“-Anfrage. Und auch zivilrechtlich habe man auf Schadenersatz geklagt. Der zivilrechtliche Prozess findet voraussichtlich Anfang September statt.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.