Kryptohandy & Co.

So schützen sich Regierungen vor Lauschangriffen

Web
24.10.2013 16:40
Angesichts der mutmaßlichen Überwachung eines Diensthandys der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel durch US-Geheimdienste (siehe Infobox) stellen sich viele Experten die Frage, ob die Bundesregierung überhaupt ausreichend gegen Spionage über die elektronischen Medien geschützt ist. Denn im Prinzip gelten für sensible Kommunikation der deutschen Regierung und Behörden strenge Regeln. In Österreich ist dies offenbar nicht der Fall.

Will Merkel sich mit ihrem Mann zum Essen verabreden, kann sie dafür ein normales iPhone oder einen Blackberry verwenden. Auch das private Surfen etwa mit einem iPad ist der Regierungschefin und ihren Ministern erlaubt. Für dienstliche Kommunikation gelten je nach Grad der Geheimhaltung jedoch technische Vorgaben. Dies betrifft nicht nur Regierungsmitglieder, sondern auch zahlreiche Ministerialbeamte.

Es gibt vier höhere Vertraulichkeitsstufen: "Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch", "Verschlusssache - Vertraulich", "Geheim" und "Streng Geheim". Nicht einmal Informationen der untersten Stufe - abgekürzt VS-NfD - dürfen aus einer ungesicherten Umgebung heraus - etwa per E-Mail von einem herkömmlichen Computer oder Smartphone - elektronisch weitergegeben werden.

Bei steigender Geheimhaltungsstufe sind E-Mail und SMS tabu, bei der Sprachkommunikation werden dann wenig nutzerfreundliche Kryptotelefone eingesetzt. Hier funktioniert die Sprachverschlüsselung nur, wenn das Gegenüber das gleiche Gerät verwendet. Wenn es ganz "Top Secret" sein soll, wird auch zu klassischen Schutzmaßnahmen gegriffen und die politischen Entscheider ziehen sich in abhörsichere Räume zurück.

Eigenes Regierungsnetz
Tauschen die deutsche Regierung und Ministerien sich intern aus, greifen sie auf das geschützte Regierungsnetz, den "Informationsverbund Berlin-Bonn", zu. Dieses ist im Prinzip vom normalen Internet abgekoppelt, die wenigen Knotenpunkte in die Außenwelt werden überwacht, um Cyberangriffe abzublocken. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik legt fest, welche technischen Vorgaben Arbeitsplatz-Rechner, Laptops und Mobilgeräte von Regierungsbehörden für die Einwahl in dieses Netz und bei sensibler Kommunikation erfüllen sollten.

Die Bonner Behörde verlangt zudem von Hard- und Softwareherstellern Einblick in die technischen Details und definiert, welche Geräte für welchen Geheimhaltungsgrad geeignet sind. Letztlich entscheiden aber die Ministerien in Eigenregie über ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen.

Begrenzte Palette an Smartphones und Mobilgeräten
Zweifel an der Datensicherheit von Smartphones gibt es schon länger - Berichten zufolge hat die NSA die Systeme von iPhone, Blackberry sowie das Betriebssystem Android schon geknackt und kann die Nutzerdaten der meisten gängigen Geräte auslesen. Für Merkel und andere Geheimnisträger gilt nicht nur deshalb, dass für vertrauliche Telefonate, E-Mail und SMS nur wenige mobile Geräte mit eingebauter Verschlüsselung verwendet werden dürfen.

Zahlreiche Ministerien nutzen als Smartphone den modifizierten Blackberry Z10 des Düsseldorfer Herstellers Secusmart. Dieser erlaubt eine verschlüsselte Sprach- und Datenübertragung bis zur niedrigsten Geheimhaltungsstufe VS-NfD. Zugelassen ist dafür auch das auf einem entkernten Samsung Galaxy basierende Simko 3 von T-Systems. Auf dem Smartphone laufen ein geschütztes und ein offenes System parallel, sodass die Nutzer damit auch im Internet surfen oder twittern können.

Bei dem mutmaßlich von US-Geheimdiensten abgehörten Gerät Merkels handelt es sich Berichten zufolge um ein älteres Verschlüsselungshandy des finnischen Herstellers Nokia, das die Kanzlerin von Oktober 2009 bis Juli 2013 benutzt haben soll. "Staatspolitisch relevante Kommunikation" sei über dieses Mobiltelefon aber nicht geführt worden, so Merkel.

Obama spricht mobil verschlüsselt
US-Präsident Barack Obama wurde zuletzt mit einem Blackberry Curve 8900 fotografiert. Ein Standardgerät wäre für ihn aber viel zu unsicher. Experten zufolge wurden seine Blackberrys mit einer eigens entwickelten Software aufgerüstet, die Anrufe und E-Mails verschlüsselt und über eigene Server laufen lässt. Die NSA habe das System nach langen Tests schließlich für abhörsicher befunden. Die Krux: Dadurch könne Obama nur mit ausgewählten Leuten telefonieren und Nachrichten austauschen. Sie benötigen angeblich identisch gesicherte Blackberrys, um seine Anrufe und Daten zu entschlüsseln.

Eine Software-Lösung ist aber wohl nie zu 100 Prozent sicher. Daher könne Obamas Blackberry zum Beispiel keine Mails mit Anhängen empfangen, heißt es. Außerdem müsse er immer wieder seine E-Mail-Adresse verändern. Manche Experten glauben zudem, dass sich Obamas Handys nur über eigene mobile Sendestationen des Weißen Hauses mit öffentlichen Mobilfunktürmen verbinden könne. Auf diese Weise solle die Identifikationsnummer der Geräte verschleiert werden, damit Obama nicht anhand seiner Handynutzung lokalisiert werden könne.

Keine Handy-Vorgaben in Österreich
Österreichs Spitzenpolitiker haben hingegen keinerlei Handy-Vorgaben. Sie erhalten zwar eine umfassende Sicherheitsberatung durch das Innenministerium, können ihre Mobiltelefone aber trotzdem frei wählen, sagte Ministeriumssprecher Andreas Marakovits am Donnerstag. "Es gibt keine Vorschriften von uns."

"Wenn neue Regierungsmitglieder angelobt werden, führen wir ein Sicherheitsberatungsgespräch mit ihnen", sagte Marakovits. Dabei gehe es allgemein um die Frage, wie man abhörsicher telefoniert. Zur Frage, ob bestimmte Handymarken oder Betriebssysteme empfohlen werden, äußerte sich der Sprecher unbestimmt. "Es gibt Sicherheitsempfehlungen an die Politik, die ein ganzes Maßnahmenpaket beinhalten", sagte er. Einzelheiten könnten aus Sicherheitsgründen aber nicht genannt werden.

Die Sicherheitsberatungsgespräche würden nicht nur Regierungsmitgliedern, sondern auch anderen Spitzenpolitikern, etwa den Klubobleuten der Parlamentsparteien, angeboten, berichtete der Sprecher. Außerdem führe das Innenministerium regelmäßig Kontrollen von Büroräumlichkeiten durch, um Abhöranlagen zu finden. Dem Innenministerium liegen aber keine Informationen vor, wonach auf österreichische Politiker Lauschangriffe durchgeführt worden seien.

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