Fußball unter der Lupe

Fußball im Wandel: „Ein Trainerauge reicht nicht“

Fußball International
09.12.2023 07:00

Wie gelingt es mir, mich auf das Spiel des Gegners einzustellen? Was darf ich unter Begriffen wie Key Performance oder Pressingindex verstehen? In ihrem Buch „Fußballspiel unter der Lupe - wie moderne Spielanalyse funktioniert“ widmen sich Manfred Uhlig, Ausbildner an der Bundessportakademie Wien, und Roland Leser, TV- sowie U21-Analyst im ÖFB-Team, diesen und vielen weiteren Fragen und werfen einen tieferen Blick auf den Sport, der weltweit die Massen bewegt. Krone.at fragte nach ...

„Krone“: Manfred, Roland, wie kam die Idee zustande, euer Wissen in ein Buch zu packen?
Uhlig: Wir kennen uns mittlerweile sehr lange, haben bereits einige Projekte gemeinsam umgesetzt. Die geteilte Erfahrung hat uns letztlich dazu bewogen, ein Buch zu schreiben, in dem wir das gesammelte Wissen unserer beiden Bereiche zusammenfügen. Ein Trainerauge allein reicht nicht aus, es braucht auch eine Spielanalyse, um eine Partie entsprechend qualitativ durchleuchten zu können. Letzten Endes konnten wir ein Buch auf den Markt bringen, das es so noch nie gegeben hat, das macht uns sehr stolz.
Leser: 1999 brauchte ich im Rahmen meiner Diplomarbeit eine Videoaufzeichnung einer Partie, was zur Folge hatte, dass ich ein Spiel filmen durfte, als Manfred als Akademieleiter von Rapid tätig war. Damals war das Thema „Spielanalyse“ noch ganz in den Ursprüngen, der Kontakt jedoch schon einmal hergestellt.

Was können Fußballbegeisterte aus den über 300 Seiten lernen? Wer sollte das Buch unbedingt auf dem Nachtkasterl liegen haben?
Uhlig: Natürlich zählen vor allem Trainer zur engeren Zielgruppe, aber auch Fußballfans, die sich näher mit dem Spiel auseinandersetzen wollen. Was passiert im Spiel? Welche Handlungen muss ein Spieler in welchen Situationen ausführen? Welche Rahmenbedingungen gibt es, um richtige und schnelle Entscheidungen zu treffen? Diese und viele weite Fragen haben wir uns als Ziel gesetzt, zu beantworten.
Leser: Analyse beschränkt sich nicht nur auf Videoanalyse, heutzutage zählt viel mehr dazu: etwa Liveanalysen während des Spiels, Daten- oder Trainingsanalysen. Außerdem braucht es einen großen Rahmen, eine Grundlage, speziell aus Trainerperspektive. Man muss das Buch nicht zwingend von vorne bis hinten durchlesen, viel eher soll es als Nachschlagwerk dienen.

Manfred Uhlig (l.) und Roland Leser im Krone.at-Interview (Bild: GEPA pictures, Z.V.G.)
Manfred Uhlig (l.) und Roland Leser im Krone.at-Interview
(Bild: Z.V.g.)

Wie viel Zeitaufwand wird heutzutage in Analysearbeit gesteckt?
Leser: Für jeden Gegner steht eine eigene Gegneranalyse an, das eigene Spiel wird analysiert, so auch das Mannschaftsverhalten. Hinzu kommen individuelle Gespräche beziehungsweise Analysen in Kleingruppen - etwa nur mit Verteidigern oder Stürmern. Vereine, die es sich leisten können, haben einen eigenen Analysten, der nur dafür verantwortlich ist. Der Zeitaufwand, der in die Arbeit mit den Spielern gesteckt wird, ist in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen, hat sich gar verzehnfacht. Übertreiben soll man es allerdings auch nicht, einen kognitiven Overload gilt es natürlich zu vermeiden.

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Tatsächlich sehe ich bei jungen Spielern, dass sie die Menge an Begriffen sehr positiv aufnehmen, da sie sich eine Fachterminologie aufbauen, mit der sie sich abgrenzen können.

Roland Leser

Key Performance, Pressingindex etc. - Was darf man sich darunter vorstellen, wie können diese Begriffe Trainern weiterhelfen?
Uhlig: Daten wie etwa der Pressingindex geben Rückschlüsse darauf, ob und wie gut meine Spielkonzepte umgesetzt wurden. Je mehr Informationen, desto besser. Jedoch ist es wichtig, die Informationen richtig zu filtern. Welche Daten sind relevant, welche weniger? Wie kann ich die Informationen ins Training implementieren?

Das Buch ist innerhalb Österreichs (€ 40,- inkl. MwSt. und Versand) und in Deutschland und der Schweiz (€ 46,- inkl. MwSt. und Versand) gegen Vorkasse erhältlich. (Bild: Z.V.g.)
Das Buch ist innerhalb Österreichs (€ 40,- inkl. MwSt. und Versand) und in Deutschland und der Schweiz (€ 46,- inkl. MwSt. und Versand) gegen Vorkasse erhältlich.

Wie viele Taktikvorgaben darf man seinen Spielern zumuten? Ab wann ist weniger mehr?
Uhlig: Man darf Spieler nicht überfordern, es muss stets die Freiheit bestehen, sich im Match entfalten zu können.
Leser: Tatsächlich sehe ich bei jungen Spielern, dass sie die Menge an Begriffen sehr positiv aufnehmen, da sie sich eine Fachterminologie aufbauen, mit der sie sich abgrenzen können. Zu viel Informationen von außen sind allerdings problematisch.

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Mannschaften wie Frankreich oder die Niederlande liegen uns, ich sehe das sehr positiv.

Manfred Uhlig

Wie hat sich die Einführung der Videoanalyse auf den Fußball ausgewirkt? Was ist anders als vor 20 Jahren?
Leser: Die Videoanalyse verändert das Spiel. Du bereitest dich auf den Gegner vor, der Gegner bereitet sich wiederum auf dich vor. Schon beginnen die Spielchen: Ich weiß, dass du mich analysierst und ich glaube zu wissen, was du bei mir siehst, worauf ich wieder reagiere. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Spieler verloren geht. Ich sehe vor allem bei jungen Spielern, dass diese mehr und mehr auf Input von außen warten. Damals wurde definitiv freier gespielt. Die Fähigkeit, selbst Entscheidungen zu treffen, geht verloren. Einige Trainer legen daher mittlerweile wieder vermehrt Fokus darauf, das intuitive Verhalten ihrer Spieler zu fördern.
Uhlig: Das Spielkonzept sollte als Rahmen gesehen werden, in dem Spieler ihre Potenziale entsprechend ausführen. Die Kunst ist es, den Gegner, der dich analysiert hat, zu überraschen. Eine einzige Aktion - sei es eine Rote Karte oder ein früher Ausschluss - kann ein Spiel von Grund auf verändern. Entscheidend ist es, dass Spieler lernen, auf solche Situationen schnell und erfolgreich zu reagieren.

Österreich erwartet bei der EM eine Hammergruppe. War es das mit dem Traum von der K.-o.-Phase?
Leser: Gegen gute Teams ist es viel einfacher, sich vorzubereiten, da sie starke Spielmuster haben. In Partien gegen schwächere Gegner spielt der Zufall eine größere Rolle. Österreich wird sich gegen Frankreich und die Niederlande extrem gut vorbereiten können.
Uhlig: Das ist ein Super-Los für uns! Ich bin davon überzeugt, dass wir super Chancen haben gegen genau solche Teams, die sehr aktiv im Ballbesitz sind, den Aufstieg zu schaffen. Solche Mannschaften liegen uns, ich sehe das sehr positiv. Unser aktiver Stil kommt uns gegen diese Nationen sehr gelegen. Ralf Rangnick hat dem Team mehr Mut, mehr Power verliehen. Wir können jeden Gegner schlagen.

Das Buch „Fußballspiel unter der Lupe - wie moderne Spielanalyse funktioniert“ können Sie unter www.rolandleser.com bestellen.

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(Bild: KMM)



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