Dürre, Hagel und Sintflut sind an der Tagesordnung. Wir sind aufgerufen, etwas für den Planeten und unseren Fortbestand zu tun. Schuldzuweisungen bringen nichts - kleine Änderungen jedoch schon!
Beim Thema Klima gehen die Emotionen hoch. Spätestens, seit sich Klimaaktivisten auf die Straße kleben, dreht sich die Diskussion vor allem um eine Frage: Wer ist schuld am Klimawandel? Und darf jemand, der sich für das Klima auf die Straße klebt, dann noch Fleisch essen?
Aus einer reinen Klimaschutz-Perspektive scheint die Antwort auf diese Frage einfach. Tierische Produkte schneiden im direkten Vergleich immer schlechter ab als pflanzliche, wenn es um ihren CO2-Fußabdruck geht. Und Fleisch ist sowieso der Klimakiller schlechthin. Oder? Ganz so einfach ist es nicht. Denn: Fleisch ist nicht gleich Fleisch. Es spielt zum Beispiel eine große Rolle, wo das Fleisch herkommt. So hat Österreich beispielsweise die EU-weit klimafreundlichste Rindfleischproduktion. Auch muss man die Rolle von Nutztieren in unserem gesamten Lebensmittelsystem bedenken.
Bei der Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln fallen immer auch Nebenprodukte an, die wir Menschen nicht essen können oder wollen - zum Beispiel bei Getreide, Stängel oder Schalen. Tiere aber fressen diese Nebenprodukte und wandeln sie in für uns essbare Lebensmittel wie Milch und Fleisch um. Wäre das nicht der Fall, blieben enorme Mengen dieser Nebenprodukte ungenützt und müssten entsorgt werden. Radikale Verbote und Einschränkungen auf diesem Gebiet sind also wenig sinnvoll. Es geht vielmehr darum, dass die Menschen beginnen, Fleisch bewusst und aus klimaeffizienten, regionalen Produktionssystemen zu konsumieren.
Der Konsument gibt den Produktionsauftrag
Und einmal abgesehen davon: Warum konzentrieren wir uns immer nur auf das Thema Fleisch? Wie klimafreundlich unsere Ernährung ist, hängt noch von so vielen anderen Faktoren ab. Auch bei pflanzlichen Lebensmitteln spielen die Produktionsbedingungen eine große Rolle. Ein Vergleich: Wachsen etwa Tomaten in Österreich während der Saison, verursacht das rund 85 Gramm CO2 pro Kilo Tomaten. Kommen sie zwar aus Österreich, sind aber im Winter im beheizten Glashaus angebaut worden, verursacht das bis zu 9300 Gramm CO2 je Kilo. Auch Tomaten, die während der Wintermonate aus wärmeren Ländern nach Österreich importiert werden, haben einen um ein Vielfaches größeren CO2-Fußabdruck als österreichische Freilandtomaten.
Mit Abstand am meisten zu tun haben wir alle aber beim Thema Lebensmittelverschwendung. Bis zu unglaubliche zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen, die wir Menschen weltweit produzieren, entstehen durch die massive Menge an Lebensmittelmüll. Ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel landet nicht auf unseren Tellern, sondern geht entlang der Wertschöpfungskette verloren. Ein großer Teil wandert sogar von unserem Kühlschrank direkt in den Mistkübel - und damit auch alle Ressourcen, die für ihre Produktion aufgewendet worden sind.
Bewusster Konsum ist wichtiger Faktor
In Österreich wird der größte Anteil am Lebensmittelmüll übrigens in privaten Haushalten verursacht. Hier kann also wirklich jeder etwas zum Klimaschutz beitragen, indem er Lebensmittelverschwendung bei sich zu Hause vermeidet. Anstatt sich also zu fragen, wer was darf oder nicht darf, sollten wir uns darauf konzentrieren, was wir alles tun können. Und das geht im Übrigen weit über das Thema Ernährung hinaus.
Fleischgenuss überdenken
Unseren Überkonsum müssen wir nämlich auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens in den Griff kriegen. Sich permanent neue Billig-Kleidung zu kaufen oder dreimal im Jahr auf Urlaub zu fliegen ist dem Klima auch nicht zuträglich. Das bedeutet aber nicht, dass man grenzenlos Fleisch essen kann, nur weil man heuer noch keine Flugreise gemacht hat. Es bedeutet, dass wir täglich viele Möglichkeiten haben, mit unseren Konsumentscheidungen bewusst etwas für den Klimaschutz zu tun.
Jeder kann etwas tun. Auf alle Autofahrer zu schimpfen, ist zu einfach. Denn vielleicht verzichtet die Lenkerin auf Langstreckenflüge, hat eine Photovoltaikanlage und ernährt sich nachhaltig und bewusst. Und: den sinnlosesten CO2 Ausstoß verursachen wir, in dem wir Lebensmittel zu sorglos verschwenden.
Gastkommentar von Hannes Royer, Bergbauer und Obmann „Land schafft Leben“
Wir sind alle in der Pflicht
Schuldzuweisungen und Forderungen gibt es in der Klimadebatte zuhauf. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich kann sie nicht mehr hören. Die Politik ist schuld an diesem, die Wirtschaft muss jenes – das mag sein, aber die Zeit läuft uns davon und wir können es uns sehr bald nicht mehr leisten, die Verantwortung ständig nur von uns wegzuschieben.
Als Bauer bekomme ich das vor allem beim Thema Lebensmittelproduktion zu spüren. Wir alle wollen klimafreundlich produzierte Lebensmittel, sind aber gleichzeitig nicht bereit, unseren Konsum anzupassen und zum Beispiel auf Regionalität und Saisonalität zu achten. Und anstatt uns wirklich mit den ökologischen Auswirkungen unseres Essens zu beschäftigen, ernähren wir uns der Einfachheit halber vegan und fliegen dann nach Bali auf Urlaub, weil wir ja eh kein Fleisch essen.
Ich möchte damit zwei Dinge sagen: Wenn wir dem Klimawandel entgegenwirken wollen, reicht es nicht, uns auf einen einzigen Sektor einzuschießen und diesem die Schuld zuzuschieben. Und: Fast alle unsere Handlungen als Konsumenten verursachen CO2 – das liegt in der Natur der Sache. Anstatt uns in einem Bereich radikal einzuschränken, könnten wir es also einmal mit einem gesunden Mittelmaß in unserem gesamten Konsum versuchen: maßvoller Fleischgenuss, einmal weniger fliegen, ein T-Shirt weniger kaufen. Das würde mehr bewegen, als sich auf Straßen zu kleben – was dann sowieso unnötig wäre.
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