Unrühmliche Studie

OECD: In Österreich hat Bildung keine Priorität

Österreich
13.09.2011 14:44
Österreich räumt dem Thema Bildung keine Priorität ein. Zu diesem Schluss kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie mit dem Titel "Bildung auf einen Blick 2011" ("Education at a Glance") der OECD. Es ist bei Weitem nicht das einzige Manko, das die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Bezug auf Österreich zu vermelden hat. Unser Land werde in den kommenden Jahren im Hochschulbereich generell weiter zurückfallen.

Die Ausgaben für Bildungseinrichtungen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt liegen mit 5,4 Prozent unter dem OECD-Schnitt (5,9 Prozent). Darüber hinaus gehört Österreich zu jenen Ländern, in denen zwischen 1995 und 2008 der Anstieg der Bildungsausgaben klar hinter dem Anstieg des BIP zurückgeblieben ist.

"Die Ausgaben für Bildungseinrichtungen im Verhältnis zum BIP erlauben Rückschlüsse darüber, in welchem Ausmaß ein Land Bildung Priorität einräumt", heißt es in der Studie. Am höchsten sind die Bildungsausgaben (öffentliche und private Aufwendungen zusammen) demnach in Chile, Dänemark, Island, Israel, Südkorea, Norwegen und den USA mit jeweils über sieben Prozent des BIP. Während Österreich bei den aus öffentlichen Mitteln finanzierten Bildungsausgaben mit 5,2 Prozent des BIP sogar knapp über dem OECD-Schnitt (5,0 Prozent) liegt, kommt es bei den privaten Aufwendungen nur auf 0,2 Prozent - weit unter dem OECD-Schnitt von 0,9 Prozent.

Besonders bedenklich: Seit 1995 sind die Bildungsausgaben im Verhältnis zum BIP in Österreich verhältnismäßig stark gesunken - von 6,2 Prozent auf zunächst 5,5 Prozent im Jahr 2000 und schließlich auf 5,4 Prozent im Jahr 2008. Verantwortlich dafür sind die Rückgänge der Ausgaben für den (vorwiegend öffentlich finanzierten) Schulbereich - von 4,3 Prozent (1995) auf 3,6 Prozent (2008) gemessen am BIP. Praktisch stabil geblieben sind dagegen die Ausgaben für den Hochschulsektor (von 1,2 Prozent des BIP im Jahr 1995 auf 1,3 Prozent im Jahr 2008).

Entwicklung entgegen internationalem Trend
Die österreichische Entwicklung läuft damit entgegen dem internationalen Trend. "In mehr als drei Viertel der Länder mit verfügbaren Daten für 2000 und 2008 war der Ausgabenanstieg für alle Bildungsbereiche zusammen größer als das Wachstum des BIP." Eine besonders starke Zunahme der Bildungsausgaben verzeichneten dabei Brasilien, Irland und Südkorea. Eine gegenläufige Entwicklung gab es neben Österreich tendenziell auch in Deutschland, Frankreich, Israel, Japan und der Slowakei.

Rechnet man dagegen pro Schüler bzw. Student, zählt Österreich zu den Ländern mit den höchsten jährlichen Ausgaben für die Bildungseinrichtungen. Diese Aufwendungen liegen in der Schweiz mit 14.977 Dollar pro Jahr (kaufkraftbereinigt) am höchsten, Österreich liegt mit 11.852 Dollar an vierter Stelle und deutlich über dem OECD-Schnitt von 8.831 Dollar.

Vergleicht man die Veränderungen der Ausgaben und der Schüler- bzw. Studentenzahlen, zeigt sich folgendes Bild: Im Schulbereich gab es zwischen dem Jahr 2000 und 2008 einen Rückgang der Schülerzahl um drei Prozent, die Bildungsausgaben sind im selben Zeitraum aber um acht Prozent gestiegen. Krasser ist die Entwicklung im Hochschulbereich: Dort ist die Zahl der Studierenden in diesem Zeitraum um 15 Prozent angestiegen, während die Aufwendungen für den Tertiärbereich um 48 Prozent gestiegen sind. Die Ausgaben pro Schüler haben sich damit um zwölf Prozent erhöht, jene pro Student um 29 Prozent.

Zahl der Hochschul-Absolventen rückläufig
Österreich wird aber trotz seiner steigenden Zahl von Hochschulabschlüssen im internationalen Vergleich weiter zurückfallen. Während es generell in OECD-Staaten einen "dynamischeren Ausbau der höheren Bildung gegeben hat", herrscht in Österreich im Bereich der Spitzenqualifikation "Nachholbedarf", erklärte OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher.

Derzeit liegt der Anteil der Hochschulabsolventen an der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren in Österreich bei gerade einmal 19 Prozent (OECD-Schnitt 30 Prozent). Hinter Österreich liegen damit nur die Türkei (13 Prozent), Portugal, Italien (je 15), die Slowakei, Tschechien und Mexiko (je 16). An der Spitze befinden sich Kanada (50 Prozent), Israel (45 Prozent) und Japan (44). 1997 lag die Akademikerquote im OECD-Schnitt bei 20 Prozent, in Österreich bei elf Prozent.

"Österreich hat bei der Zahl der Hochschulabschlüsse zwar aufgeholt, ausreichen wird das aber nicht, um mit anderen OECD-Ländern mitzuhalten", so Schleicher. Es sei "eine Kurve zu positiver Veränderung" erkennbar, setzen sich die aktuellen Abschlussquoten der 25- bis 34-Jährigen jedoch in diesem Maße fort, werde Österreich "noch weiter hinter andere OECD-Länder zurückfallen".

Jeder fünfte 15- bis 19-Jährige nicht in Ausbildung
Ein weiterer Punkt der OECS-Studie zeigt, dass sich in Österreich jeder fünfte 15- bis 19-Jährige nicht mehr in Ausbildung befindet. Die Bildungsbeteiligung sinkt dabei sukzessive in den letzten Jahren der Sekundarstufe II, die neben der AHS-Oberstufe und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen auch die Lehre einschließt. Auch der Anteil der noch in Ausbildung befindlichen 20- bis 29-Jährigen liegt unter dem OECD-Schnitt.

Während die Bildungsbeteiligung der 15- bis 19-Jährigen in 25 von 31 Ländern über 80 Prozent (OECD-Schnitt: 82,1 Prozent) liegt, befinden sich in Österreich 79,4 Prozent dieser Altersgruppe in Ausbildung. Deutlicher ist der Abstand bei den Buben, von denen 78,8 Prozent zwischen 15 und 19 Jahren in Ausbildung sind (Mädchen: 80 Prozent). Experte Andreas Schleicher erklärt sich das mit dem "hohen Teil an österreichischen Jugendlichen, die bereits früh ins Arbeitsleben einsteigen".

Positives ist hingegen bei der Bildungsbeteiligung der Drei- bis Vierjährigen zu vermerken. Hatte die OECD in ihrer Studie 2008 noch kritisiert, dass Österreich bei der vorschulischen Bildung - also dem Besuch eines Kindergartens - nachhinkt, liegt der Anteil mit 72,3 Prozent mittlerweile über dem OECD-Schnitt von 70,1 Prozent. Später, also vom letzten Kindergartenjahr bis zum Ende der AHS-Unterstufe bzw. der Hauptschule, liegt die Bildungsbeteiligung der 5- bis 14-Jährigen in Österreich mit 98,4 Prozent knapp unter jener des OECD-Durchschnitts (98,6).

Kleinere Klassen, kürzerer Unterricht
Österreichs Schüler sitzen zwar in kleineren Klassen - dies aber kürzer als viele ihrer Kollegen in anderen Industriestaaten. Die durchschnittliche Klassengröße liegt laut 0ECD mit 18,9 Kindern in der Volksschule (OECD: 21,4) und 22,6 Kindern in der AHS-Unterstufe bzw. Hauptschule (OECD: 23,7) unter dem OECD-Schnitt.

Dass in der Volksschule 12,6 Schüler (OECD: 16) und in der Sekundarstufe 9,9 Kinder (OECD: 13,5) auf einen Pädagogen treffen, begrüßt Schleicher zwar "als angenehm für die Bildungsbeteiligten", "aber die Senkung der Höchstzahl ist nicht zwangsläufig eine geeignete Investition, um Qualität zu verbessern". Hier wäre die "reine Lernzeit, also die Unterrichtszeit wichtiger". Und die ist bei Österreichs Jüngsten kürzer bemessen als bei ihren Kollegen.

Hierzulande müssen Sieben- bis Achtjährige 690 Stunden und Neun- bis Elfjährige 766 Stunden jährlich in den Klassen sitzen (OECD: 749 bzw. 793 Stunden). Etwas länger als im OECD-Schnitt fällt hingegen die Pflichtunterrichtszeit für Zwölf- bis 14-Jährige aus (Ö: 913 Stunden, OECD: 873).

Lehrer kürzer im Klassenzimmer
Dass auch Lehrer im OECD-Vergleich kürzer in den Klassenräumen stehen, unterstreicht für das Unterrichtsministerium laut einer Aussendung am Dienstag die "Notwendigkeit eines neuen Lehrerdienstrechts". So liegt die gesetzliche bzw. vertragliche jährliche Gesamtarbeitszeit der österreichischen Lehrer mit 1.776 Stunden zwar über dem OECD-Schnitt (etwa 1.660), die Anzahl der Unterrichtsstunden liegt aber klar darunter.

Während die österreichischen Pädagogen in der Volksschule mit 779 Stunden genauso lange in der Klasse stehen wie ihre Kollegen im OECD-Schnitt, unterrichten sie im Bereich der Sekundarstufe deutlich kürzer: In der Hauptschule bzw. AHS-Unterstufe stehen sie 607 Stunden in der Klasse, während der durchschnittliche Lehrer im OECD-Schnitt 701 Stunden unterrichtet. Ähnlich sieht es an der AHS-Oberstufe und an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen aus (Ö: 589 Stunden, OECD: 656 Stunden).

Sehr hoher Lebensstandard für Akademiker
"Bildung auf einen Blick" bescheinigt Österreich abschließend aber auch einen sehabschluss. An der Spitze liegt Luxemburg mit einem kaufkraftbereinigten Jahresnettoeinkommen von 56.564 Dollar, gefolgt von den USA (51.793 Dollar) und Österreich (43.162 Dollar). Der OECD-Schnitt liegt bei 31.836 Dollar.

Ähnlich die Einkommenssituation von Absolventen der Sekundarstufe II (im Wesentlichen Lehre und Matura). Hier liegt Österreich mit 31.136 Dollar ebenfalls im Spitzenfeld hinter Luxemburg (38.684 Dollar), Irland (32.908) und den USA (32.859) und deutlich über dem OECD-Schnitt von 22.976 Dollar.

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