Dutzende Anrufe und kilometerweite Reisen - erst dann findet sich im Notfall oft ein Tierarzt, wie zwei aktuelle Beispiele zeigen. Halter von Hunden, Katzen und anderen Tieren sind besorgt. Droht eine Versorgungskrise?
Der schlimmste Albtraum jedes Tierhalters: Der Liebling braucht dringend Hilfe, man steht hilflos daneben, muss ihn leiden sehen - und kein Tierarzt ist erreichbar! Vor diesem Dilemma steht man immer öfter in der Steiermark.
Ein Beispiel aus den sozialen Medien: Es ging um das Pferd einer Steirerin, das eine lebensbedrohliche Akuterkrankung hatte. Verzweifelt wurde mehr als ein Dutzend Veterinäre angerufen, bis sich endlich einer bereit erklärte, zu kommen - verbunden allerdings mit einer langen Wartezeit.
Hund drohte nach Mitternacht zu ersticken
Kein Einzelfall, wie die Kommentare zum Posting zeigten. Oder aus eigener Erfahrung der Schreiberin: Kurz nach Mitternacht droht der geliebte Hund zu ersticken und röchelt fürchterlich. Mindestens zehn Tierärzte in der Oststeiermark und im angrenzenden Burgenland werden kontaktiert - niemand ist zu erreichen. Schließlich muss in die Hauptstadt Graz gerast werden, wo eine einzige Tierklinik offen hat.
Wie kann es sein, dass immer weniger Tierärzte verfügbar sind? Und das, obwohl wir - siehe Interview unten - eine Rekordzahl an Veterinären haben? Und wie soll das weitergehen - auch mit den Kosten? Die sind teilweise nicht mehr zu stemmen. Schnell einmal beträgt die Rechnung Hunderte, sogar Tausende Euro und stürzt Tierhalter in tiefe Verzweiflung.
„Das System gehört von Grund auf neu gedacht“, so „Krone“-Tiereckenchefin Maggie Entenfellner. „Das fängt beim Studium an, wo es durch die EU-Öffnung für Einheimische gar nicht mehr so viele Plätze gibt. Und was die Kosten betrifft: Ich kann nur appellieren, eine Versicherung abzuschließen.“
Auch Walter Obritzhauser, Chef der steirischen Tierärztekammer, erkennt einige Probleme, wie er im Interview erzählt.
„Krone“: Warum ist es derzeit oft so schwierig, an einen Tierarzt zu kommen?
Obritzhauser: Wir haben aktuell 430 Veterinäre, so viele wie noch nie. Aber: Davon ist ein hoher Prozentsatz weiblich, und viele arbeiten nur in Teilzeit. Während ein Tierarzt früher so etwas wie ein Allgemeinmediziner war und alles konnte, sind jetzt immer mehr spezialisiert. Womit es für sie schwierig ist, allgemeine Dienste nachts oder am Wochenende anzubieten.
Es gibt auch kaum mehr Kliniken, die 24 Stunden geöffnet haben.
Davon hatten wir vor einigen Jahren noch zehn, jetzt nur noch drei. Ein Faktor sind die Kosten. Früher wurden hier Freiberufliche eingesetzt, jetzt müssen diese angestellt sein, was eine Lawine an Kosten mit sich bringt.
Wir hören aber auch immer öfter von Lesern von exorbitanten Rechnungen und Behandlungen, die ungerechtfertigt scheinen.
CTs und andere Geräte sind teuer und müssen sich amortisieren - natürlich werden solche Untersuchungen dann auch angeboten. Ob sie immer gerechtfertigt sind? Im Zweifelsfall bitte eine zweite Meinung einholen.
Wollen die Tierärzte nicht mehr so viel arbeiten?
Ich sehe es als Verpflichtung unseres Berufsstandes, dafür zu sorgen, dass wir rund um die Uhr für Notfälle da sind. Man kann nicht Tierarzt werden und sagen: Ich arbeite nur von 9 bis 17 Uhr.
Wie kann man wieder eine Versorgung rund um die Uhr gewährleisten?
Über Versicherungen und adäquate Bezahlung. Und Stadt und Land müssen bei der Finanzierung helfen. Anders sehe ich da keine Lösung.
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