Erstes Länderspiel

Selige Fußballzeiten

Vorarlberg
11.12.2022 11:55

„Krone“-Kolumnist Harald Petermichl hat sich mit der „Mutter aller Länderspiele“ beschäftigt. Die Bedingungen waren beim ersten Aufeinandertreffen Schottlands und Englands offensichtlich ganz andere als heute. Analysten gab es wohl damals noch keine.

Es versteht sich von selbst, dass die wirklich wichtigen Fußballereignisse auch hier den ihnen gebührenden Platz finden müssen. Ein willkommener Anlass also, sich während des immer noch laufenden Adventturniers einmal mit der Mutter aller Länderspiele zu befassen, denn heute vor ziemlich genau 150 Jahren (und elf Tagen) wurde der erste freundschaftliche Länderkampf der Fußballgeschichte zwischen England und Schottland ausgetragen.

Allerdings nicht, wie biedere Phantasie es nahelegen könnte, im Wembley Stadium, weil dessen Bau erst 50 Jahre später begann, und auch der Ibrox Park in Glasgow erst 1899 seine Eröffnung erleben sollte. So mietete man sich kurzerhand auf dem vom West of Scotland Cricket Club genutzten Geläuf namens Hamilton Crescent in Partick ein, um Sportgeschichte zu schreiben.

Ankündigungen zeigen, dass streng nach Association Rules gespielt wurde, also mit einer Vereinheitlichung des Regelwerks. Nun waren auch Pässe nach vorne gestattet und somit die Abseitsregel gelockert, weil man jetzt erst offside war, wenn man weniger als drei Gegenspieler vor sich hatte. Feldspieler durften das Spielgerät nicht mehr mit den Händen berühren und die Hosen mussten eh schon seit 1866 bis über die Knie reichen.

Bei den Aufstellungen beider Teams waren die Voraussetzungen höchst unterschiedlich, da es in England über 100, in Schottland dagegen nur zwei Handvoll Clubs gab, weshalb der kaledonische Spielführer Robert Gardner ausschließlich Kicker seines Vereins Queen̕s Park FC aufbot, während sich sein englischer Kollege Cuthbert Ottaway bei neun Clubs bediente.

Trotz der aus heutiger Sicht geradezu obszön offensiven Aufstellungen (England bot acht, Schottland sechs Stürmer auf) endete das Match, das wegen des großen Andrangs (4.000 wollten das Spektakel sehen) etwas verspätet um 2:20 post meridiem angepfiffen wurde, mit einem torlosen Remis.

Ob es „eines der besseren 0:0“, wie es heute gerne mal heißt, war, ist nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln, es könnte aber, wenn man die zeitgenössischen Spielberichte etwas enteuphemisiert, auch ein rechter Grottenkick gewesen sein.

Egal, überliefert ist, dass sich die beiden Teams nach vollbrachtem Tagwerk gemütlich zum Dinner im Carrick̕`s Royal Hotel getroffen haben und dort bei gekochtem Wildschwein in Pfefferminzsauce und dem einen oder anderen Pint lauwarmer Cervisia bestimmt eine ordentliche Nachbesprechung gemacht haben werden. Und das ganz ohne redselige Analysten wie Christoph Kramer oder Roman Mählich. Selige Fußballzeiten!

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