Noch einmal 10 Cent

Kopier-Gebühren steigen trotz VfGH-Prüfung erneut

Österreich
28.07.2011 17:22
Der Verfassungsgerichtshof prüft die Rechtmäßigkeit der exorbitant hohen Gebühren für Aktenkopien an Österreichs Gerichten. Die Gebühr von derzeit 1 Euro bzw. 50 Cent pro Seite beschränke möglicherweise den freien Zugang zum Rechtssystem, hieß es diese Woche. Das hindert das Justizministerium trotzdem nicht daran, eine weitere Gebührenerhöhung durchzuziehen. Ab Montag sind 60 Cent bzw. 1,10 Euro zu berappen; möglicherweise ein "Last-Minute-Abcashen", denn der VfGH-Beschwerde durch zwei Anwälte werden gute Chancen vorausgesagt...

Die Vereinigung der Österreichischen StrafverteidigerInnen protestierte am Donnerstag mit einer Aussendung gegen die neuerliche Anhebung der Kopierkosten. Pro vervielfältigter Seite sind ab Montag 1,10 Euro bzw. 60 Cent zu bezahlen. Letztere, wenn Anwalt oder Beschuldigter den Kopierer selbst bedienen und nicht auf eine gerichtliche (Kopier-)Fachkraft zurückgreifen.

"Diese Kosten stehen in keiner Relation zu den tatsächlichen Personal- und Materialkosten, die der Justiz aus dem Kopieren von Akten erwachsen", stellte Richard Soyer, der Sprecher der Vereinigung, am Donnerstag fest. Es handle sich um "eine reine Geldbeschaffungsaktion auf dem Rücken von Beschuldigten". 

Laut einer parlamentarischen Anfrage von Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser "verdiente" die Justiz im vergangenen Jahr mit den Kopiergebühren über drei Millionen Euro. "Das Schröpfen geht munter weiter", meinte Steinhauser am Donnerstag.

Strafverteidiger begrüßen VfGH-Untersuchung
Für die Strafverteidiger wird mit den exorbitanten Kopierkosten das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weshalb sie das in diesem Zusammenhang vom VfGH eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren begrüßen.

"Zu Recht hegt das Höchstgericht Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Bundesgesetze und gegen die Gesetzmäßigkeit der Erlässe des Bundesministeriums für Justiz", bekräftigte Soyer. Mit diesen Bestimmungen würde nicht nur der "Grundsatz der Waffengleichheit" im Strafverfahren missachtet (die Staatsanwaltschaften müssen für das Anfertigen von Kopien keine Gebühren entrichten, Anm.), "sondern auch das Grundrecht auf effektive Verteidigung gefährdet, wenn sich nur mehr reiche Beschuldigte die notwendigen Aktenkopien leisten können".

Selbst wer abfotografiert, muss für "Kopie" zahlen
Besonders unverständlich erscheint es den Verteidigern, dass selbst dann pro Seite 50 bzw. ab nächster Woche 60 Cent zu berappen sind, wenn sie selbst die Akten mit einer eigenen Digitalkamera abfotografieren und daher keinerlei Mitwirkung des Gerichtspersonals am Kopiervorgang oder auch nur ein Kopierer erforderlich sind.

"Eine Gebühr ist an sich ein Kostenbeitrag für eine staatliche Gegenleistung. Wenn ich die Aktenteile, die ich brauche, selber fotografiere und ausdrucke, kostet das den Staat aber gar nichts", gab der Tiroler Anwalt Laszlo Szabo am Donnerstag zu bedenken. Szabo hatte sich beim VfGH beschwert, nachdem er sich in einer privaten Angelegenheit Grundbuchauszüge besorgt hatte und zehn Euro bezahlen sollte, obwohl er die Urkunden mit seiner Digitalkamera abgelichtet und in seiner Kanzlei ausgedruckt hatte. 

Seiner Ansicht nach dürfe der Staat in diesem Fall keinen Cent verlangen, da er ja auf kein Kopiergerät der Republik zurückgegriffen habe: "Man kann mir daher auch nicht einen Beitrag zu den Strom- und Tonerkosten in Rechnung stellen."

Karl schlägt Halbierung der Kosten vor
Dieses Vorbringen wurde vom Höchstgericht ebenso aufgegriffen wie jenes eines oberösterreichischen Verteidigers, der in einem Strafverfahren ebenfalls mit seiner Kamera Aktenbestandteile abgelichtet und somit nicht auf die Infrastruktur des betreffenden Gerichts zurückgegriffen hatte. Die Strafverteidiger hoffen nun, dass der VfGH die gesetzliche Gerichtsgebühren-Regelung zu Fall bringt. Die Chancen dafür stehen laut Rechtsexperten gut.

Justizministerin Beatrix Karl hat bisher nur angekündigt, im Herbst einen Gesetzesvorschlag präsentieren zu wollen, der zumindest eine Halbierung der Kopierkosten bringen soll. Warum dann die jetzige Erhöhung trotzdem durchgezogen wird, bleibt ein Rätsel...

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