17-jähriger Jungstar

Matej Svancer: Ein Einhorn unter Talentierten

Olympia
05.02.2022 11:22

Angeführt von einem der aufregendsten Teenager-Talente der Welt steigen Österreichs Ski-Freestyler auf die olympische Big-Air-Rampe von Peking. Matej Svancer hat sich sprunghaft unter den ganz Großen in den Snowparks etabliert, legt sich vor der Flugshow auf viel beachteter Bühne aber selbst die Latte tief. Vermutlich weil der 17-Jährige weiß, zu welchen Höhen er an guten Tagen fähig ist.

Wie prall gefüllt seine Trickkiste ist, zeigte Svancer schon am Anfang des Olympiawinters, als ihm in Chur (SUI) mit beinahe maximaler Punktezahl sein Premierensieg gelang. In Steamboat Springs legte er noch eine halbe Rotation drauf, zeigte als erster Athlet weltweit in einem Bewerb etwas, das in der Fachsprache „nosebutter triple cork 1980“ heißt - drei Überkopf-Rotationen mit fünfeinhalb Drehungen um die eigene Achse.

Zweimal trat Svancer heuer in Big-Air-Events im Weltcup an, zweimal gewann er. Die Matura hat er erst 2023 vor sich, sportlich ist die Reifeprüfung längst abgelegt. Natürlich gehört der gebürtige Tscheche, der den regelmäßigen Skiurlaub mit seinen Eltern in Kaprun im Alter von zehn Jahren endgültig zu einem Daueraufenthalt werden ließ, am Montag (02.30 Uhr MEZ/Qualifikation) und Mittwoch (4.00/Finale) zu den Medaillenfavoriten.

Rhetorisch bleibt der Luft-Akrobat, dessen Name korrekterweise „Schwanzer“ ausgesprochen wird, lieber am Boden. „Ich würde sehr, sehr gerne gewinnen. Es wäre ein Traum. Aber es ist weit weg, dass an genau dem Tag alles perfekt passt“, sagte Svancer.

Auch bei einer Pressekonferenz der Freestyler bei den Olympischen Spielen am Samstag wies Svancer die Favoritenrolle weit von sich: „Ich finde es nur witzig, wie viele Leute ihr Geld verlieren, wenn sie auf mich setzen.“ Er habe bei den X-Games „so ziemlich seine ganze Ladung an Tricks gezeigt“, Überraschung darf man von ihm nicht mehr erwarten. Anders die Konkurrenz: „Die anderen haben echt krasse Sachen drauf.“ Wie er die Qualifikation am Montag angehen werde, wisse er noch nicht. „Ich habe nichts Neues mehr übrig.“ Kurz vor dem Wettkampf wird das allerdings anders ausschauen: „Zehn Minuten vorher sollte ich es echt schon gut überlegt haben“, sagte Svancer.

Die Teilnahme an den X-Games in Aspen kurz vor Olympia war für Svancer die Erfüllung (s)eines Bubentraums. Seine Sprünge, darunter der siegbringende vom Weltcup in Steamboat, wurden jedoch viel schlechter als zuvor bewertet. Schwer enttäuscht, aber höflich zurückhaltend packte Svancer seinen Skisack. Er habe bei seinem Einstand keinen Aufstand machen wollen. „Auch wenn es vielleicht besser gewesen wäre.“

Nach Olympia wartet Schule
Wie viele Freeskier hat Svancer einen Racing-Background, im Skigymnasium Saalfelden tauschte er mit 13 Jahren den Hundertstelkampf gegen die Uhr durch die Gier nach neuen Tricks. Schulbücher werde er keine nach China mitnehmen, gestand er vor der Abreise, wohlwissend, dass Olympia zur Ferienzeit stattfindet. „Aber nach den Semesterferien kommt eine Lawine auf mich zu. Dann war ich fünf Wochen nicht in der Schule.“

In Interviews gibt sich Svancer locker-lässig, betont cool mit einem Hang zum Unbestimmten, was sprachlich auch daran liegt, dass seine Muttersprache Tschechisch ist. Kreativität ist sein Ding, ein Design-Studium nach der Matura würde ihn reizen, bereits jetzt lässt er Intuition walten. Er entscheide sich oft Sekundenbruchteile vor dem Sprung für den jeweiligen Trick. Resultate und Ergebnisse sind, das nimmt man ihm ab, nicht seine Grundmotivation im Sport. „Mich stresst nur, dass mein Sprung nicht klappen könnte“, sagt Svancer, während ihn seine Trainer als extrem talentiert, aber auch als zielstrebigen Arbeiter beschreiben.

Überhaupt scheint ihm der Trubel zwar zu taugen, aber irgendwie auch zu irritieren. Er sehe sich als normalen Jugendlichen, sagte Svancer zuletzt in einem Interview. In der virtuellen Welt nennt er sich selbst „matej_unicorn“ (matej_einhorn), sein Profilbild ziert ein „Thug Life“-Einhorn mit Flügeln in Regenbogenfarben. Bei allem coolen Understatement weiß er offenbar doch recht genau, dass er zur seltenen Gattung der Überflieger gehört.

„Er ist ein Wunderkind“
Dass sich der Jugend-Olympiasieger (2020) und Juniorenweltmeister (2021) auch im professionellen Zirkus etablierte, war für Wegbegleiter vorgezeichnet. „Er ist ein Wunderkind“ , beantwortete Lara Wolf, Österreichs weibliche Nummer eins in dieser Zweibrett-Sparte, die Frage nach seinem Talent. Svancer gehöre die Zukunft, sagt die 21-Jährige, die ihre olympische Feuertaufe bereits 2018 in Pyeongchang erlebt hat. Und nach Platz 16 („Ich habe mir das alles einmal angeschaut“) vier Jahre später mit dem Aufwind des ersten Weltcup-Podestplatzes (im Slopestyle) volles Risiko gehen will. „Es kann nur ‘All in‘ das Motto sein.“

Wolf sieht sich selbst nicht im Favoritenkreis: „Es sind 28 Frauen am Start, und jede ist auf eine Medaille aus“, sagte sie. „Ich bin da jetzt nicht als Topfavoritin da.“ Ihr Motto lautet daher: „Ich bringe meine Tricks hinunter und schaue, was kommt.“ Gegenüber Pyeongchang sei das Können vor allem der Frauen viel höher: „Da ist das Niveau von null auf 100 gestiegen.“

Die weiteren Austro-Starter auf der einzigen permanenten Big-Air-Schanze weltweit sind der nachnominierte Daniel Bacher, der noch jünger als Svancer das ÖOC-„Küken“ ist, und Laura Wallner. „Einfach genießen“, lautet Bachers Devise, „Vollgas“ und nicht taktieren die von Wallner. Nach drei „Runs“ in der Quali stehen die Finalisten fest. Die dürfen dann auf der Rampe am Gelände eines aufgelassenen Stahlwerks im Westen der Millionenstadt um die Medaillen tricksen.

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