Moskau-Opfer

Wiener rief noch daheim an: “Bin gut gelandet”

Ausland
26.01.2011 10:41
Mit ihren Sprengsätzen haben die Selbstmord-Attentäter vom Moskauer Flughafen auch einen Angestellten aus Wien mit in den Tod gerissen. Nikolay Ivanov (41) hatte geschäftlich in Russland zu tun und telefonierte noch mit seiner Frau: "Bin gut gelandet" - dann explodierte die Bombe. Eine weitere Österreicherin (51), die seit dem Anschlag vermisst wurde, ist laut Außenamt ebenfalls tot.

Bis zuletzt hofften die Angehörigen des Buchhalters, aber auch die Kollegen in einer Möbelfirma in Wien, dass Nikolay Ivanov das furchtbare Attentat doch überlebt hat. "Seit seiner Landung in Moskau war aber jeder Kontakt abgerissen", so seine Büronachbarin Karin Golliasch. Der gebürtige Bulgare hatte erst vor einem Jahr bei der Firma Bene begonnen und war als Controller für kaufmännische Agenden in Russland mitverantwortlich. Er hinterlässt eine Frau und einen zweijährigen Sohn.

Vermisst gewesene Österreicherin tot
Die vorerst vermisste und nun identifizierte tote Österreicherin war nach Angaben eines ihrer Arbeitskollegen "tagelang nicht erreichbar". Nun herrscht laut Außenamt jedoch traurige Gewissheit, dass auch die Burgenländerin Heidemarie Wallner, die sich als Bankangestellte beruflich in Russland aufhielt, dem Anschlag zum Opfer fiel. Die alleinstehende Frau war gebürtige Hirmerin und lebte in Wien.

Um Haaresbreite dem verheerenden Selbstmordattentat entkommen sind ein Monteur aus dem Burgenland und ein Controller aus der Steiermark, die dienstlich vor Ort waren. "Das Gepäck meines Kollegen hat sich am Förderband verspätet, das hat uns das Leben gerettet. Fünf Minuten früher wären wir zur Detonation genau in der Ankunftshalle gewesen", schildert Reinhard Szekely aus Großpetersdorf. Dennoch wird er das Grauen nie vergessen. "Um uns herum war das Chaos. Verletzte schrien um Hilfe, es roch nach verbranntem Metall", so der Facharbeiter weiter.

"Musste an meine Familie denken"
Auch ein Steirer hatte eine ganze Legion an Schutzengeln. Der zweifache Familienvater: "Als ich den lauten Knall hörte, musste ich an meine Familie denken", erklärt Thomas Klenner. Trotz des Horrors blieben beide in Moskau und beten, "dass es zu keinem weiteren Terror kommt".

"Ich war ganz in der Nähe, als die Bombe explodierte. Es war ein fürchterlicher Knall. Ich bin dann zur Unglücksstelle hin und habe versucht zu helfen. Es herrschte Panik und blankes Entsetzen", berichtet Valentino Kolarik, der in Moskau für die AUA-Flugzeuge verantwortlich ist.

Spindelegger: "Feigheit ist erschütternd"
Mit Entsetzen reagierte Außenminister Michael Spindelegger auf den Terroranschlag in Moskau. "Die Feigheit und Brutalität dieses hinterhältigen Anschlages sind erschütternd und durch nichts zu rechtfertigen. Ich verurteile diesen Gewaltakt und die dadurch ausgedrückte Menschenverachtung auf das Schärfste", so Spindelegger. "Mein tiefes Mitgefühl gilt den Familien und Angehörigen der Opfer. Unsere Gedanken sind in dieser schweren Stunde bei ihnen."

35 Tote bei Anschlag
Insgesamt starben bei dem Selbstmordanschlag im Ankunftsbereich des Airports 35 Menschen. Von den 180 Verletzten wurden 110 im Krankenhaus behandelt, rund 30 von ihnen schweben in Lebensgefahr.

Hinter dem Angriff werden muslimische Extremisten aus dem Nordkaukasus vermutet. In der Krisenregion, wo auch das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien liegt, kämpfen Islamisten für die Unabhängigkeit von Moskau. Sie hatten immer wieder gedroht, den Terror ins russische Kernland zu tragen. Zuletzt kamen bei einem Doppelanschlag auf die Moskauer U-Bahn Ende März 2010 Dutzende Menschen ums Leben.

Terroristenpaar sprengte sich in die Luft
Nach Angaben aus russischen Polizeikreisen sollen mindestens zwei Terroristen den Anschlag in Domodedowo verübt haben: eine Frau und ein Mann, die beide bei der Explosion ums Leben kamen. "Die Explosion ereignete sich in dem Moment, als die mutmaßliche Selbstmordattentäterin ihre Tasche öffnete. Die Terroristin wurde von einem Mann begleitet. Er stand neben ihr - ihm wurde bei der Explosion der Kopf abgerissen", zitierte die russischen Agentur RIA Novosti einen Beamten. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Terroristen den Sprengsatz im Saal hinterlassen wollten. Die Explosion erfolgte spontan - oder ferngesteuert, obwohl keine Elemente gefunden wurden, die davon zeugen." Laut RIA gibt es auch Hinweise, dass das Terroristenpaar von einem Komplizen zum Flughafen gebracht worden war. Im Moment werden die Aufzeichnungen der Überwachungskameras geprüft.

Medwedew: "Wir brauchen totale Kontrolle"
Russlands Präsident Dmitri Medwedew sagte am Dienstag, die Sicherheit des Flughafens habe sich "im Zustand der Anarchie" befunden. Die dortigen Manager müssten die Verantwortung übernehmen. "Wir brauchen ein schärferes Kontrollsystem. Also eine totale Kontrolle. Wahrscheinlich wird sie länger dauern für die Passagiere, aber das ist der einzige Ausweg." Bei einer Sitzung mit Vertretern des FSB forderte Medwedew laut Interfax einen deutlich schärferen Anti-Terror-Kampf. Russland brauche mit Blick auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und andere Großereignisse einen "maximalen Schutz vor Anschlägen".

von Florian Hitz, Sabine Oberhauser, Markus Schütz, Christian Schulter (Kronen Zeitung) und krone.at

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