Verzweiflung ist groß

Trotz gültigem Attest keine Therapie für Tirolerin

Tirol
25.04.2021 10:00

Die Innsbruckerin Margit Kahr (66) hat seit rund einem Jahr eine halbe Spenderlunge. Laut ihrem Lungenfacharzt ist sie von der Maskenpflicht befreit. Doch eine private Krankenanstalt in Tirol akzeptiert das nicht, obwohl ihr Attest laut Gesundheitsministerium Gültigkeit hat. Die Einrichtung betont: „Wir dürfen unsere Regeln selbst festlegen.“

Die Innsbruckerin Margit Kahr hat gesundheitlich seit Jahren zu kämpfen. Im Jänner des Vorjahres erhielt sie eine halbe Spenderlunge. Im April desselben Jahres wäre sie beinahe an einer schweren Blutvergiftung gestorben. Sie war fünf Wochen im Krankenhaus, danach hätte sie eine Reha benötigt, doch diese fiel wegen der Pandemie ins Wasser.

„Ich hatte starke Schmerzen“
Die 66-Jährige harrte bis zum Winter aus, doch dann ereilten sie neue Beschwerden. „Meine Füße sind angeschwollen, ich kam zeitweise in keinen Schuh mehr hinein und Wasser trat aus meinem linken Fuß. Ich hatte Schmerzen. Mein Hausarzt zog die Notbremse, er verschrieb mir Heilgymnastik, Massagen und Lymphdrainagen“, schildert Kahr.

„Ich bekomme durch Masken keine Luft“
Auch in den Therapiestätten gilt eine FFP2-Maskenpflicht. „Doch ich bekomme wegen meiner Spenderlunge durch diese Masken keine Luft. Mein Lungenfacharzt hat mir ein Attest ausgestellt“, erklärt Kahr. Laut dieser Bestätigung, die der „Krone“ vorliegt, sollte sie gar keine Maske tragen. „Dennoch trage ich zumindest einen normalen Mund-Nasen-Schutz. Zudem lasse ich mich regelmäßig testen und bin geimpft“, sagt sie.

Die Therapie hat die Tirolerin bei einer privaten Einrichtung (Name bekannt) begonnen. „Beim ersten Besuch habe ich den Angestellten mein Attest für die Maskenbefreiung ausgehändigt. Es wurde akzeptiert, ich erhielt meine Termine. Bei zehn Einheiten hatte ich mit meiner normalen Maske keine Probleme. Und die Therapie schlug auch sehr gut an“, betont Kahr.

„Ich fühle mich als Mensch zweiter Klasse“
Dann kam Freitag, der 16. April. „Plötzlich hieß es, dass ich ohne eine FFP2-Maske nicht mehr behandelt werden dürfte. Ich konnte es kaum glauben, eine schlüssige Erklärung blieb aus, meine restlichen fünf Termine wurden gestrichen. Ich fühlte mich, als wäre ich ein Mensch zweiter Klasse. Ich habe rechtens gehandelt und benötige augenscheinlich die Therapie. Warum werde ich so behandelt?“, fragt sie.

In einer schriftlichen Stellungnahme der privaten Anstalt hieß es folglich: „Ich hoffe, dass behördlicherseits möglichst bald eine Regelung für diese Personengruppe gefunden wird.“

Laut Ministerium sind derartige Atteste gültig
Doch worauf nimmt die Therapieeinrichtung Bezug? Denn das Gesundheitsministerium bestätigt gegenüber der „Krone“: „Die Maskenbefreiung ist nach § 19 Abs. 2 der 4. COVID-19-SchuMaV durch einen in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte(n) Arzt/Ärztin nachzuweisen. Die Maskenbefreiung ist in sämtlichen Bereichen, wo ansonsten Maskenpflicht existiert, gültig.“

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„Die Maskenbefreiung ist nach § 19 Abs. 2 der 4. COVID-19-SchuMaV durch einen in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigte(n) Arzt/Ärztin nachzuweisen. Die Maskenbefreiung ist in sämtlichen Bereichen, wo ansonsten Maskenpflicht existiert, gültig.“

Gesundheitsministerium

„Wir dürfen unsere eigenen Regeln festlegen“
„Dieser Fall ist schwierig“, betont die stellvertretende Ärztliche Leiterin der Einrichtung, „doch prinzipiell dürfen wir als private Krankenanstalt unsere eigenen Regeln festlegen, sofern wir diese gut begründen können. Das haben uns auch Juristen der Tiroler Landessanitätsdirektion sowie der Tiroler Ärztekammer bestätigt."

„Vorschriften sind für alle Patienten gültig“
Einzig bei der lungentransplantierten Frau Kahr, die ein Attest bezüglich ihrer Maskenbefreiung vorgelegt hat, sei zuerst eine Ausnahme getätigt worden. „Doch nach erneuter Rücksprache mit unserem Chef und der Ärztlichen Leitung haben wir beschlossen, unsere Patientin nur mehr mit FFP2-Maske zu behandeln - weil das in Lungen-Rehazentren auch so gehandhabt wird. Das ist nun eine Regel, die für alle Patienten gültig ist, weil schlichtweg die Sicherheit der Patienten und Mitarbeiter gewährleistet sein muss“, erklärt die Ärztin.

Das große Problem ist: Wo zieht man Grenze?
Man mache sich sehr wohl Gedanken darüber, auf welche Weise alle Patienten therapiert werden können. „Doch Atteste für Maskenbefreiungen sind viele im Umlauf. Die Frage dabei ist: Wo zieht man die Grenze? Im Moment behalten wir unsere Regeln bei“, erläutert die Verantwortliche. Auf die Frage, was eine adäquate Lösung für Patienten wie Frau Kahr sei, betont sie: „Das kann ich nicht sagen.“

Neuen Therapieplatz gefunden
Die 66-Jährige hat mittlerweile eine neue private Therapieanstalt gefunden, die ihr Attest akzeptiert: „Ich hoffe inständig, dass das auch so bleibt.“

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