Steeg im Lechtal

„Tiere sollen im Gatter erschossen werden“

Tirol
11.02.2021 11:55

Der Aufschrei nach dem blutigen Massaker im Vorjahr im Tiroler Kaisers (Bezirk Reutte) war groß - die „Krone“ berichtete. Das Land wollte die Gatterjagd verbieten - doch Fehlanzeige! Nun zeichnen sich ähnliche Szenen in der Nachbargemeinde Steeg ab. Das Land Tirol verweist auf die gültige Verordnung und betont, das Gatter sei inaktiv. Eine Tötung wird dementiert, man spricht hingegen von „jagdlicher Unterstützung“.

Am Dienstag vor einem Jahr schockierte das Massaker von Kaisers im Lechtal ganz Tirol – die „Krone“ berichtete. Insgesamt 34 Stück Rotwild wurden in einem Gatter erschossen, um die TBC-Gefahr einzudämmen.

Versprechen von LH-Stv. Josef Geisler (ÖVP)
In Tirol werde es „keine derartigen Gatterabschüsse mehr geben“, versprach LH-Stv. Josef Geisler (ÖVP). Im Juni zweifelte die FPÖ am Versprechen von Geisler – wegen folgendem Satz in der Abänderung ihres Antrages vonseiten der Regierung: „Konzentrierte Abschüsse in Wildgattern sollen jedenfalls vermieden werden.“ FP-Landesparteichef Markus Abwerzger betonte: „Dieser Satz heißt nichts anderes, als dass sich die Landesregierung die Möglichkeit des Tötungsgatters auch weiterhin offen lassen will.“

28 Hektar großes Gatter in Steeg
Und mit dieser Kritik hatten die Freiheitlichen womöglich recht. Denn Bewohner im Lechtal berichten, dass es nach wie vor ein Gatter gibt – es steht in Steeg, ist 28 Hektar groß und wird seit 2018 vom Land Tirol betrieben sowie mit Steuergeld bezahlt. „Das Gatter wurde 2011 vom Bundesheer aufgestellt. Innerhalb der Absperrung sind zwei kleine Tötungsgatter. Im Zuge der TBC-Vorbeugung wurden dort von Beginn an Tötungsaktionen abgehalten – bis heute“, sagen die Bewohner.

Vor allem der letzte Satz lässt aufhorchen, da ja im Vorjahr das Land – das zu diesem Zeitpunkt bereits die Jagd in Steeg betrieben hat – versprochen hatte, derartige Aktionen zu unterbinden. Warum also hat man das Gatter in Kaisers abgebaut, jenes in Steeg jedoch nicht?

„Die Abschusserfüllung ist hier sehr schlecht“
Laut den Bewohnern liege das nicht nur an der TBC-Eindämmung, sondern auch an der Abschusserfüllung: „Seit das Land Tirol mit seinem Veterinär und Amtstierarzt diese Jagd betreibt, gibt es dort die schlechteste Abschusserfüllung von allen Jagden. 2018 hatten sie kein Tier erlegt, 2020 haben sie in der offiziellen Jagdzeit bis 31. Dezember von sechs Stück, die auf dem Abschussplan sind, nur eines erlegt. Das macht kein gutes Bild. Aus diesem Grund wollen sie nun die übrigen fünf Tiere, die teilweise sogar hochtragend sind, vernichten.“ Und hier kommt wiederum die Gatterjagd ins Spiel: „Man will die Tiere bei der Futterstelle erschießen, die innerhalb des Gatters ist“, heißt es weiter.

Der dort stationierte Jäger weigere sich jedoch, das auszuführen. „Daher hat man ihm angedroht, dass – wie im Vorjahr in Kaisers – wieder auswärtige Jäger kommen und die Sache erledigen würden, wenn er diese Abschüsse nicht erfülle. Wo bleibt hier die Moral?“, fragen sich die Bewohner entsetzt. Die Deadline sei Mitte Februar – also jetzt.

Dokument zeigt, wie viel Geld Tötungsteam erhält
Im Zuge der Kaisers-Ermittlungen sind interessante Details zum Gatter in Steeg ans Licht gekommen. So hat es 2011 und 2012 insgesamt 246.277 Euro gekostet – Steuergeld wohlgemerkt. Zudem beweisen die Auflistungen, dass jährlich ein Tötungskommando angeheuert wurde – dieses habe in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 56.617 Euro gekostet.

Prinzipiell wundern sich die Bewohner über die brisante Angelegenheit: „Hat das Land Tirol in Zeiten wie diesen, in denen die Corona-Pandemie ohnehin Unmengen von Geld verschlingt, tatsächlich noch das Geld für derartige Sachen?“

Ungleiche Behandlung
Die zwei Hegebezirke Lechtal 1 - von Holzgau bis Kaisers - und Lechtal Mitte - von Häselgehr bis Bach - waren bis jetzt beide in der TBC-Bekämpfungszone enthalten. „Während Lechtal 1 stets Abschusszahlen von 70 bis 80 Prozent vorweisen konnte, lagen diese in Lechtal Mitte bei 50 bis 60 Prozent. Dennoch kommt Lechtal Mitte nun aus der Bekämpfungszone heraus und wird wieder nach dem Tiroler Jagdgesetz behandelt“, verstehen die Lechtaler Bewohner die Welt nicht mehr.

Ein weiterer Vergleich: Der Zielbestand für Lechtal 1 liege bei fünf Tieren auf 100 Hektar, dieses Ziel habe man bereits im Vorjahr erreicht. „In Lechtal Mitte fehlt es diesbezüglich noch grob. Dennoch kommen sie nun aus der TBC-Bekämpfungszone heraus. Die Gründe dafür wurden noch nicht offiziell kommuniziert“, verdeutlichen die Bewohner.

Abbau des Gatters nur mit Zustimmung des Ministers
„Seit vier Jahren gibt es in Tirol keinen TBC-Fall an Rindern. Grund dafür ist die effektive Seuchenbekämpfung“, betont das Land. Die geltende Rotwild-TBC-Bekämpfungsplanverordnung §4 Abs. 1 sehe ein verpflichtendes Wildgatter vor. „Dazu gibt es seit 2011 das Gatter in Steeg, in welchem mittlerweile sämtliche Gattertüren offen stehen. Das heißt, das Gatter ist inaktiv und seine Funktion im Sinne von behördlichen Maßnahmen der Tierseuchenbekämpfung wird nicht mehr genutzt“, heißt es weiter. Um das Gatter bestmöglich im Sinne öffentlicher Interessen zu nutzen, habe man ein Konzept für eine forstliche Nachnutzung erstellt.

„Das entspricht nicht den Ansprüchen des Landes“
Bestätigt wird hingegen, dass das Jagdgebiet vom Land seit Mitte 2018 gepachtet wird: „Im ersten Jagdjahr wurde die Abschussquote zu 88 Prozent erfüllt, 2020/21 liegt diese derzeit leider nur bei eins von sechs Tieren. Es konnte trotz intensiver Bejagungsversuche kein Wild mehr erlegt werden. Dies entspricht nicht den Ansprüchen des Landes, die Anstrengungen zur Einhaltung der Abschussvorgaben werden verfolgt.“

„Jagdliche Unterstützung“
Dass auswärtige Jäger die Sache erledigen würden, sei nicht zutreffend: „Vielmehr wurde und wird jagdliche Unterstützung für den für das Land tätigen Berufsjäger beiseite gestellt.“

Bundesmittel bzw. Tiroler Tierseuchenfonds
Die Mittel für das Gatter entstammen fast zur Gänze aus Bundesmitteln und nur geringfügig aus dem Tiroler Tierseuchenfonds. „Der Abbau des Gatters bedarf der Zustimmung des Bundesministers. Wesentlich ist dabei, dass bei einer Reduktion des definierten Seuchengebietes weiterhin streng kontrolliert wird.“

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