Psychische Belastung

Wie Kinder unter den Folgen der Pandemie leiden

Steiermark
03.02.2021 09:07

Mehr Essstörungen, schlimmere ADHS-Symptome, Depressionen: Die Psyche von Kindern und Jugendlichen leidet in der Corona-Pandemie ganz besonders. Wie sich diese Erfahrungen auch noch Jahre später auswirken werden und was Eltern nun tun können, erklären zwei steirische Experten im Gespräch.

Wolfgang Kaschnitz von der Med Uni Graz sieht jeden Tag, wie sich die Pandemie auf junge Patienten auswirkt. „Auf der Ambulanz für Psychosomatik der Kinderklinik in Graz merken wir seit dem ersten Lockdown im März einen deutlichen Anstieg bei Essstörungen.“ Davon sind vor allem Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren betroffen. „Die Pandemie ist ein gravierender Verstärker und Auslöser - aber nicht unbedingt die einzige Ursache.“

Die Klinik ist ausgelastet - eine Triage sei aber zum Glück nicht notwendig, da es derzeit weniger Infektionskrankheiten gibt und dadurch mehr Betten für psychosomatisch erkrankte Kinder bleiben.

Kinder tun sich schwer, die Situation einzuschätzen
Corona betrifft uns alle - aber wieso fügt es gerade Kinder und Jugendlichen solchen Schaden zu? „Kinder können die Situation nicht so einschätzen wie Erwachsene. Sie sehen die Perspektiven auf Besserung nicht.“ Außerdem mache die Pandemie einen größeren zeitlichen Teil ihres Lebens aus: Für eine Zehnjährige ist ein Jahr ein Zehntel ihres Lebens.

Auf jüngere Kinder wirkt die Pandemie ebenfalls stark. „Eltern merken zum Beispiel im Homeschooling, wie schlimm das ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen, Anm.) ihrer Kinder wirklich ist“, erzählt Kaschnitz. Jenen, die Struktur im Alltag am meisten brauchen, fehlt sie auch am meisten. „Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen haben damit große Probleme. Für sie ist eine langfristige Perspektive wichtig - die gibt es zur Zeit aber nicht.“

Entwicklungsstörungen sind möglich
Alarmierend sind auch Kaschnitz’ Prognosen für Kinder im Vorschulalter. „Sie werden im Kindergarten sozialisiert. Das fehlt jetzt, und daran leiden die jungen Kinder massiv.“ Selbst wenn der Lockdown vorbei ist, wird er nachwirken. Sogar Entwicklungsstörungen sind möglich. „Die Kinder werden sicher längere Zeit Probleme haben, das zu verarbeiten.“

Unbelastete Kinder entwickeln depressive Symptome
Die Einschätzungen teilt auch Katharina Purtscher-Penz, Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LKH Graz II Süd. Seit Beginn der Krise nehmen die Akut-Fälle zu. „Wir merken, dass selbst vorher unbelastete Kinder ängstlich sind, sich zurückziehen oder depressive Symptome zeigen. Bei jenen, die davor schon krank waren, verschlimmern sich die Symptome.“

Bei Erstklässlern fällt auf, dass sie nicht in ihrer Klassengemeinschaft angekommen sind. „Sie sind einsam geblieben, niedergeschlagen - manche resignieren und geben auf.“ Bei Jugendlichen kann das bis hin zu Suizidgedanken führen. Gleichzeitig haben Kinder aber auch eine hohe Resilienz und können Belastungen verarbeiten.

Eltern sollten Gespräche suchen und erklären
Was Eltern nun tun können? Wichtig ist das Gespräch mit den Kindern. „Vor allem Jüngere können oft nicht einordnen, was bedrohlich ist. Man sollte den Grund für Abstands- und Hygieneregeln erklären“, sagt Purtscher-Penz. Sorgen, etwa finanzieller Natur, sollte man ansprechen. Bei Stress in der Familie gilt es, in einer ruhigen Minute das Gespräch zu suchen.

Außerdem sind geregelte Tagesabläufe wichtig. „Immer am Tag vorher besprechen, was morgen ansteht“, rät Purtscher-Penz. Lob ist nicht nur für jüngere Kinder, sondern auch für Teenager von großer Bedeutung. Wenn man sich ernsthafte Sorgen um sein Kind macht: nicht zögern, Hilfe zu holen. „Man sollte nicht zu lange warten. Es gibt Hilfe. Wir sind da und erreichbar.“

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