Bio eines Genies

Als Lennon noch kein Beatle war: “Nowhere Boy”

Kino
07.12.2010 10:59
Der Film "Nowhere Boy" umreißt mit brillanter Besetzung die Jugendjahre John Lennons in Liverpool. Später wird er mit einer gewissen Bitternis sagen: "Ich passte nirgendwo dazu. Ich war immer der Freak. Ich war niemals liebenswert. Ich war immer Lennon!"

Er ist ein schmaler Junger, dieser John, mit einer Mischung aus Trauer und Trotz im Blick, und Woolton, ein Stadtteil von Liverpool, ist sein Heimatpflaster. Ein rebellischer Teenager, hineingeworfen in die 50er-Jahre, dem man die Unbehaustheit seiner jungen Seele irgendwie ansieht. Lennon - so sein Familienname. John Lennon wächst bei seiner Tante Mimi und deren Mann auf. Seine Mutter hat ihn als Fünfjährigen bei ihrer Schwester zurückgelassen. 

Dass die Begeisterung für Rhythmen, die in seinen Gehirnganglien abrufbereit schweben, durch seine Frau Mama noch forciert werden wird, ahnt John noch nicht. Eine Mundharmonika ist sein erstes Instrument. Als er feststellen muss, dass seine Mutter in all den Jahren ihrer verstörenden Abwesenheit weniger als eine Meile entfernt von ihm lebte, ist die Verwirrung groß - und schmerzvoll. Doch die Neugier überwiegt. Und John Lennon fordert die Konfrontation heraus. Für kurze Zeit wird er angenommen und angekommen sein. Und durch sie, seine Mutter Julia, lernt er eine ganz neue Musik aus Amerika kennen: den Rock 'n' Roll. 

John Lennons Jugendjahre
"Nowhere Boy" ist die Geschichte und sensible Verfilmung der Jugendjahre John Lennons, als er sein musikalisches Talent vorsichtig auslotete und eine schräge Boygroup gründete, die unter dem Namen "The Quarrymen" firmierte - benannt nach der Quarrybank-Schule, die er jedoch leidenschaftslos besuchte. Als brillante Neuzugänge der Band sollten sich in der Folge Paul McCartney und George Harrison herauskristallisieren. 

Regie führte Sam Taylor-Wood, die bei den Filmfestspielen in Cannes mit ihrem Kurzfilm "Love You More" großen Beifall erntete. Nein, ein akkurates Biopic des jungen Lennon hatte die britische Filmemacherin nicht im Sinn. Vielmehr das Stimmungsbild einer Zeit, einer Stadt, die John Lennon prägen sollten. Taylor-Wood: "'Nowhere Boy' ist ein Film über ein großes Kind, das die Sinnlichkeit des Rock 'n' Roll für sich entdeckt – mit unabsehbaren Folgen für die Popgeschichte."

Kristin Scott Thomas als Tante Mimi
John Lennons Mutter nimmt den Filius, der ihren Freigeist bewundert, nach Blackpool mit. In verrauchten Hafenspelunken schärft sie sein Gehör für verschiedenste akustische Versuchungen, für Rhythmus und Sound und klärt ihn so nebenbei auf. Eine mit seiner Mom besuchte Wochenschau über den Charismatiker Elvis Presley und dessen Siegeszug durch Amerika und Großbritannien wird zum elektrisierenden Erlebnis für den jungen Mann. Fortan fühlt sich John Lennon hin- und hergerissen zwischen den zwei prägenden Frauen seines Teenagerdaseins: seiner Mutter Julia, gespielt von Anne-Marie Duff, und seiner Tante Mimi, in deren Rolle eine famos unterkühlte Kristin Scott Thomas schlüpft - ganz eiserne Lady, die John aber ihr Leben lang liebevoll-strengen Rückhalt geben wird. 

Und abermals erfährt John Lennons Leben eine überaus schmerzliche Zäsur. Denn die Frau, die sich endlich zu ihren nur legitimen Muttergefühlen bekennt, wird von einem vorbeirasenden Auto überfahren. Beim Begräbnis seiner Mutter wird John, der nur kurze Zeit Sohn sein durfte, in McCartneys Armen zusammenbrechen. Berührend seine - überlieferten - Worte: "Ich habe gerade erst angefangen, sie kennenzulernen ... sie wird nie wiederkommen!" 

"Ich habe meine Mutter zweimal verloren"
Später werden ihn seine latente Melancholie und sein Liverpooler Lebenszynismus zu folgenden Bemerkungen veranlassen: "Ich habe meine Mutter zweimal verloren. Einmal als Fünfjähriger und dann noch einmal mit siebzehn Jahren. Es hat mich sehr verbittert." Herzzerreißende Trauer schwebt auch über dieser englischen Wortspende, die aus dem Munde Lennons stammt: "Mother ... you had me, but I never had you!" - "Mutter, du hattest mich, aber ich hatte dich nie!"

Die Besetzung des jungen Lennon war ein für Sam Taylor-Wood diffiziles Unterfangen, die Wahl fiel schließlich auf Aaron Johnson - und das, obwohl er keine musikalische Vorbildung hatte, wohl aber das richtige Aussehen und die richtige Mischung aus jugendlicher Großspurigkeit und Charisma mitbrachte. Lange feilte er an dem zu erlernenden Liverpooler Slang, lernte Gitarre spielen und singen. 

Die Regisseurin: "Aaron wusste, wenn man John Lennon spielt, kann man sich nicht verstecken. Und er hat sich in diesen Part gestürzt, so als müsste er den Ärmelkanal schwimmend überqueren." Yoko Ono, der der Film gezeigt wurde, lobte Aaron Johnsons Performance. Ein Ritterschlag.

von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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