Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
Accuser - Accuser
Pünktlich und akkurat wie ein Uhrwerk feuern die deutschen Thrash-Metal-Urgesteine Accuser ihre Alben im Zwei-Jahres-Rhythmus auf den Markt und lassen sich dabei weder von diversen Trends, noch von Pandemien oder sonstigem Firlefanz aus dem Konzept bringen. Auch wenn das Old-School-Fans nicht gerne hören, ist die Band seit der Reunion 2008 beständig stärker geworden und befindet sich am kreativen Gipfel der Karriere. Kein Wunder, dass man das zwölfte Studioalbum dann gleich unbescheiden nach sich selbst benennt - wann, wenn nicht jetzt? Off-Beat-Punk-Referenzen gaukeln eine hörbare Jugendlichkeit vor, doch die meiste Zeit riffen sich die älteren Herren gnadenlos durchs Gebälk. Da passt sogar das auf Papier etwas fragwürdige Agnostic Front-Cover „The Eliminator“ gut dazu. Kein Referenzwerk, wenig Innovation, aber fett produzierter deutscher Thrash. 7,5/10 Kronen
Benee - Hey U X
Spätestens seit dem Pop-Wunder Lorde wissen wir alle, dass der mittlerweile Corona-freie Inselstaat Neuseeland nicht nur als Traumkulisse für opulente Fantasyfilme dient, sondern ein ernsthafter Player im internationalen Pop-Business ist. Nach zwei erfolgreichen EPs, die teilweise auch schon bis zum US-Markt rüberschwappten, schickt sich die junge Benee nun an, der nächste erfolgreiche Exportartikel zu werden. Nachdem sie mit der Single „Supalonely“ mit Gus Dapperton auf TikTok viral ging, war es auch Zeit früh genug nachzulegen. Die Erwartungen an ihren artifiziellen Indie-Pop kann das 20-Jährige Wundertalent erfüllen, dafür hätte es die - zugegeben fantastischen - Features von Grimes, Lily Allen oder Flo Milli gar nicht gebraucht. Je nach Gastauftritt und Stimmung mäandern die Songs zwischen Future Pop, Elektronik, Hip-Hop, Dance und lupenreinem Indie. Alles zusammengemixt, wie es im Pop-Game heute üblich ist. Das aber sehr stark umgesetzt. „Hey U X“ ist ein famoser Einstand in die große Musikwelt. 7,5/10 Kronen
George Benson - Weekend In London
Tondokumente wie dieses haben derzeit schon einen bitteren Beigeschmack. Schließlich führen sie den Musikfan gedanklich zurück in Zeiten, als der Besuch von Livekonzerten noch zu einer mehr oder weniger regelmäßigen Freizeitbeschäftigung zählte. Jazz-Größe George Benson spielte vor gut einem Jahr (also echt nicht lange her) im prestigeträchtigen Ronnie Scott’s Jazz Club in London vor nur 250 Fans eine ganz besonders intime und famose Show. In der Setlist fanden sich gleichermaßen Höhepunkte aus den 80er-Jahren wie „Give Me The Night“, als auch Fan-Favoriten wie „In Your Eyes“ und Coverversionen wie „I Hear You Knocking“ von Dave Bartholomew. Wie es für so eine Show gehört, wird auch reichlich improvisiert und gespielt. Ein Freudenfest, das sich angesichts der derzeitigen Lage zwischen traurig und tröstlich die Waage hält. Healing Music! Ohne Bewertung
Blood From The Soul - DSM-5
Mit der Corona-Pandemie gehen Künstler unterschiedlich um, aber einer, der sichtlich Beschäftigung brauchte ist Shane Embury. Zuerst veröffentlicht er mit seinem Punk-Grindcore-Projekt Venomous Concept ein Album nach gefühlter Ewigkeit, danach schrieb er aktiv am neuen Meisterwerk von Napalm Death mit und nun erscheint auch noch das erste Album seines Spaßprojekts Blood From The Soul seit 27 (!) Jahren. Unfassbar. 1993 hatte er noch Lou Koller (Sick Of It All) mit an Bord und prägte mit einer Mischung aus Punk, Metal, Hardcore und Industrial ebenjenen Underground mit Godflesh oder Pitch Shifter. In der Gegenwart arbeitet Embury mit Converge-Schreihals Jacob Bannon, Drummer-Tausendsassa Dirk Verbeuren und Nasums Jesper Liveröd. Das Konzeptalbum „DSM-5“ befasst sich grob mit der mehr als aktuellen Mensch/Maschinen-Thematik und gerät nicht zuletzt dank Bannon wenig Industrial, dafür sehr viel sludgiger und mit Grind-Versatzstücken durchsetzt. Ein feines Häppchen für Krach-Fetischisten und All-Star-Projekt-Liebhaber. 7/10 Kronen
Bluthund - StromGitarrenWutRap EP
Kommt uns da etwa der nächste Undergroundhit aus Deutschland hereingeflattert? Man weiß es nicht, aber Bluthund, vier maskierte Musiker aus Berlin, deren Anonymität sich mit Sicherheit nicht ewig durchziehen lässt, haben zumindest großes Potenzial, weil man sich nicht nur gewisser Vorschusslorbeeren sicher sein kann, sondern sein Handwerk versteht. So ist der Deuschrap-Opener „Bye Bye Irokesengang“ eine Hommage an Pussy Riot und ein ausgestreckter Mittelfinger in das Gesicht von Diktatoren, in „Soldatinnen und Soldaten“ zeigt man sich unzufrieden mit Sinn und Wesen der Deutschen Bundeswehr und mit dem EP-Closer „Wir fackeln alles ab“ lässt man der juvenilen Wut endgültig freien Lauf. Inhalt und Umsetzung könnten die Ärzte anno 1984 sein, doch dafür haben Bluthund zu wenig Berührungsängste mit anderen Genres. Knallt! Ohne Bewertung
Kala Brisella - Lost In Labour
14 Tage in der selbstgewählten Isolation in einer Brandenburger Dorfschule. Kein Glamour, kein Luxus, keine Ablenkungen. Manche Musiker brauchen es hart, dazu zählt auch das aus Theaterkreisen stammende deutsche Trio Kala Brisella, das sich für „Lost In Labour“ keinesfalls in gemütliche Gefilde begab. Kampfeslust, Drang und Hoffnung sind die Begriffe, die Kala Brisella (benannt nach einem Berliner Pizzabäcker) auf ihren Songs transportieren, die sich um ganz banale Themen des Alltags drehen. Etwa darum, wie man sich beruflich unter die Räder drehen lässt („Working Star“), der Anarchie-Ballade „Weißer Ritter“ oder das zwischen Liebe und Verlust pendelnde „Dunkler Wald“, das von einem Roman inspiriert wurde. Musikalisch ist auf dem Drittwerk von Indie über Post-Punk bis hin zu Krautrock-Referenzen alles erlaubt und erwünscht. Art-Rock könnte man dazu sagen. Wichtig, aber sicher nicht für jedermann geeignet. 7/10 Kronen
Phil Campbell And The Bastard Sons - We’re The Bastards
In wenigen Wochen jährt sich Lemmy Kilmisters Todestag zum fünften Mal. Daran erinnern nicht zuletzt auch die 40-Jahr-Feierlichkeiten zum legendären Motörhead-Album „Ace Of Spades“, doch auch sein langjähriger Gitarristen-Sidekick Phil Campbell ist noch immer dick im Geschäft. Gemeinsam mit seinen drei Söhnen hält er die Fahnen des Hard Rock munter hoch und veröffentlicht nun mit „We’re The Bastards“ das nächste Album, das nur so vor Nostalgie spritzt. Dass Bandname und Albumtitel klar nach Motörhead klingen ist klar, musikalisch fehlt aber schon sehr viel vom Anarchischen und Gesetzlosen, dass Lemmy zeit seines Lebens umschwebte. Die Songs hier sind wesentlich basischer, mehr im traditionellen Hard Rock verankert und setzen Groove vor Aggression. Neil Starrs Vocals sind über alle Zweifel erhaben, aber mehr als plätschernder Hintergrundrock ist das Ganze trotzdem nicht. Kurzweilig, angenehm, aber auch anspruchslos und aus der Zeit gefallen. 5,5/10 Kronen
Dexter - Yung Boomer
Es mag durchaus eine Diskussionsgrundlage sein, ob es in Zeiten wie diesen sinnvoller ist Künstler oder Kinderarzt zu sein. Dexter hat sich von seinem alten Job jedenfalls emanzipiert, um sich voll in die Kultur zu stürzen. Für Aufsehen gesorgt hat der Deutsche in den letzten Jahren als mehr als erfolgreicher Produzent von Casper, Cro oder Fatoni, mit „Yung Boomer“ veröffentlicht er nun auch sein zweites Soloalbum und versucht sich damit endgültig selbst ins gleißende Rampenlicht zu rücken. All die „brrs“ und „skrrts“ befinden sich auch hier, doch Dexter achtet penibel darauf, nicht zu sehr auf gängigen Trends zu reiten oder sich dem Trap zu ergeben. Eine bunte Gästeliste von Fatoni über Lgoony bis hin zu Lugatti & 9ine sind ebenso zu finden wie viele Old-School-Referenzen und Einblicke in sei Dasein. Ein interessantes Album, dass bewusst nicht auf dicke Hose macht. 7/10 Kronen
Paloma Faith - Infinite Things
Wundersamerweise hat es Paloma Faith trotz knapp zwei Dekaden im Musikbusiness irgendwie noch nicht geschafft, ihren Erfolg aus der Heimat Großbritannien rüber ins Festland zu tragen. So landete ihr letztes Werk „The Architect“ 2017 gar auf Platz eins der dortigen Albumcharts, wurde in unseren Breitengraden aber kaum wahrgenommen. Das, so hofft man zumindest, sollte sich mit dem fünften Full-Length-Album „Infinite Things“ nun endlich ändern. Singles wie „Gold“ oder „Last Night On Earth“ haben schon vorab angekündigt, dass man hier powervollen Pop ohne Fremdschäm-Körperschau geliefert bekommt. Inhaltlich besingt Paloma das bekannte Kunststück, wie man in einer langjährigen Beziehung doch noch einmal den Weg zurück zur Romantik findet und staffiert dieses Thema mit ihrer ausdrucksstarken Stimme und hittauglichen Rhythmen aus. Um wirklich aus dem Gros der weiblichen Popstars hervorstechen zu können fehlt es aber leider an den wirklich zwingenden Hits. So bleibt „Infinite Things“ schlussendlich nicht mehr als solide. 7/10 Kronen
Gentleman - Blaue Stunde
Als der deutsche Reggae-Künstler bei „Sing meinen Song“ ein Lied von Mark Forster gecovert hat, wurde eine lange Jahre mitgetragene Idee endlich in die Realität umgesetzt - ein Album auf Deutsch einzusingen. Für Fans von Tillmann Otto ist nun auch das schier endlose Warten auf neues Material zu Ende, datiert das letzte Studioalbum „New Day Dawn“ doch tatsächlich aus dem Jahr 2013. „Blaue Stunde“ hätte auch schon vor einem halben Jahr rauskommen sollen, doch dank Corona hat der 45-Jährige weitergeschraubt und -gefeilt, nun war es aber wirklich an der Zeit. Die erste Single „Ahoi“ hat er mit Sammy Deluxe verfasst, auch Summer Cem und sein alter Freund Sido sind als Gäste zu hören. „Blaue Stunde“ ist eine leichtfüßige Feel-Good-Platte, die vielleicht doch besser in den Sommer gepasst hätte, aber in Zeiten wie diesen durchaus tröstlich wirkt. Die deutschen Texte stehen Gentleman nicht schlecht, sind aber doch sehr gewöhnungsbedürftig. 7/10 Kronen
Ghøstkid - Ghøstkid
Wenn es in einer Beziehung irgendwann einmal gar nicht mehr geht, dann muss man wohl oder übel die Reißleine ziehen. So hat das auch Sebastian „Sushi“ Biesler gemacht, der mit dem semilustigen Party-Emocore von Eskimo Callboy schon länger nichts mehr anfangen konnte und seine musikalischen Visionen anderswo verortet sah. Als Ghøstkid muss er nicht mehr den Kasperl geben, sondern kann seine großen Idole Marilyn Manson, Bring Me The Horizon und Nine Inch Nails in seiner eigenen Version viel besser zum Ausdruck bringen. Stargäste wie Marcus Bischoff (Heaven Shall Burn) oder Mille Petrozza (Kreator) hätte es gar nicht gebraucht, denn die zwischen bedrohlicher Düsternis und angriffiger Aggression pendelten Songs übertreffen tatsächlich die hohen Erwartungen und zeigen den Frontmann in einer nicht für möglich gehaltenen Hochform. Ghøstkid ist eine Vermengung unterschiedlichster Härtestile und vermittelt trotzdem das Gefühl, Teil von etwas Neuem zu sein. Weitermachen! 7,5/10 Kronen
Hachiku - I’ll Probably Be Asleep
Die Schönehit des Reisens. Fernweh, Aufbruch, Grenzenlosigkeit - wunderschöne Begriffe, die für uns alle für einige Zeit leider nicht mehr greifbar sind. Das Gefühl des ständigen Unterwegsseins kennt Anika Ostendorf bestens. Die gebürtige Amerikanerin verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in Köln, wohnt mittlerweile aber mit ihrer Lebensgefährtin in Melbourne ist am Label der famosen Courtney Barnett. „I’ll Probably Be Asleep“ ist nun das heiß ersehnte Debütalbum der juvenilen Dream Popperin, die in Songs wie „Busy Being Boring“, „You’ll Probably Think This Song Is About You“ oder „Shark Attack“ gar keine Anstalten macht, den Ozean feiner Klänge verlassen zu wollen. Mit viel Hall, träumerischer Instrumentierung und unendlich Gefühl schwimmt sie durch die Songs und hinterlässt dabei ein Gefühl der inneren Zufriedenheit. Ein Album wie ein Wachtraum. 7,5/10 Kronen
Marika Hackman - Covers
Die famose Marika Hackman ist eine der besten und spannendsten Künstlerinnen im amerikanischen Indie-Segment. Corona hat auch der umtriebigen Sängerin zu schaffen gemacht, wodurch sie sich die Zeit genommen hat, ihre Lieblingssongs zu covern und sich somit zu eigen zu machen. Wie man es von ihr erwarten kann kratzt sie dabei aber nicht an der Oberfläche, sondern taucht ziemlich tief in die musikalische Welt ein, die sie selbst so sehr begeistert. Wir finden etwa eine famose Version von Elliott Smiths „Between The Bars“, lassen uns von der träumerischen Beyoncé-Version ihres Hits „All Night“ mitreißen oder sehen The Japanese House mit „Pink Light“ in einem anderen, durchaus interessanten Gewand an uns vorbeiziehen. „Covers“ ist freilich kein Album, das man aufgrund musikalischer Innovationen im Regal stehen haben muss, diente Hackman aber gleichermaßen wie ihrem Publikum zum Spaß und als Kampf gegen die Langeweile. Passt so! Ohne Bewertung
Harlott - Detritus Of The Final Age
Gott weiß, warum man gewissen Thrash-Metal-Bands immer wieder den Status der ewig Jungen aufbürdet. Die Australier von Harlott sind es definitiv nicht, auch wenn sich Frontmann Andrew Hudson sein unschuldiges Milchgesicht erst vor kurzem durch einen Bart vollwuchern ließ. „Detritus Of The Final Age“ ist das vierte Album und macht im Prinzip nichts anders als all die anderen davor. Schneidende Riffs, galoppierende Gitarrenausritte, hektisch-gehetzte Vocals und die untrügliche Liebe für Hochgeschwindigkeit zeichnen die mehr als soliden, aber eben auch leidlich gleichförmigen Songstrukturen aus. Hier knallt es natürlich aus allen Ecken und Enden und man kann sich von den vor allem an Warbringer und neueren Kreator angelehnten Songs schön den Schädel wund bangen, aber rechtfertigt das wirklich den Griff ins gespannte Portemonnaie? Entscheidet selbst. 6,5/10 Kronen
Jesu - Terminus
Als Godflesh-Legende Justin Broadrick zuletzt auf der Jesu-EP „Never“ mit club-tauglichen Klängen experimentierte, wurde die Unsicherheit im fein ausgesuchten Fanzirkel immer größer. Doch Broadrick wäre nicht Broadrick, wenn er nicht im richtigen Moment den wortwörtlich richtigen Ton finden würde. „Terminus“ ist eine wohlige Rückbesinnung zu den eklektischen Gitarrenklängen, die mit reichlich Dissonanzen und Drone-Gespielen durchzogen sind. Sieben Jahre nach der letzten Full-Length „Every Day I Get Closer To The Light From Which I Came“ wirkt der Brite mit sich und seinem Sound im Reinen, lässt sogar Platz für optimistische Klänge und Ambient-artige, beruhigende Gesangsspuren. Doch keine Sorge, in Songs wie „Sleeping In“ oder „Don’t Wake Me Up“ gibt es genug Momente für das stille Leiden, das Jesu-Fans an ihrer Lieblingsbands so sehr schätzen. Hier ruft der Herbst aus allen Poren! 7,5/10 Kronen
Faten Kanaan - A Mythology Of Circles
Ein instrumentales Klangsammelsurium, das sich der Zeit und der Natur widmet. Was nach akustischen Götzenbildern klingt, erweist sich als wunderbare Entspannungsplatte. Die Brooklyner Komponistin Faten Kanaan hat für ihr viertes Album „A Mythology Of Circles“ bei Fire Records unterschrieben und präsentiert einmal mehr durch den Synthesizer gejagte und alle Richtungen verformte Klanggebilde, die man zwischen fernöstlich und moosbehangen klassifizieren kann. Wenn es sehr elektronisch wird, hat man gar den unlängst tätigen Elektroniker Oneohtrix Point Never im Sinn, aber dafür ist Faten Kanaan am Ende doch zu soundschamanisch unterwegs. „A Mythology Of Circles“ ist beste Entspannungsmusik, aber nicht für jedermann geeignet. 6,5/10 Kronen
Katla - Allt þetta helvítis myrkur
In der isländischen Metalszene ist bekannt, dass die immer größer werdenden Sólstafir sich vor einigen Jahren wild mit ihrem ehemaligen Drummer Guðmundsson Óli Pálmason zerkracht haben. Das führte nicht nur zum Split zwischen den beiden Parteien, sondern auch dazu, dass der Autofreak mit Katla sein eigenes Projekt gegründet hat. Dass er jetzt nur eine Woche nach seinem ehemaligen Arbeitgeber selbst ein neues Album nachlegt ist sicher nicht nur dem Zufall geschuldet, gibt aber zumindest die Möglichkeit zum Direktvergleich. Während Sólstafir sich mit ihrem aktuellen Werk keinen großen Gefallen in der eigenen Diskografie gemacht haben, zeigen sich Katla von einer wesentlich knackigeren Seite. „All diese verdammte Dunkelheit“, wie das Album auf Deutsch übersetzt heißt, glänzt mit unterschiedlichen Stimmungen, einer bitterkalten Atmosphäre und harschen, aber spannenden Aggressionsausritten, die dem „großen Bruder“ fast gänzlich fehlen. Die Schlacht haben Katla klar gewonnen, der Krieg geht ohnehin weiter. 7,5/10 Kronen
L.A. Guns - Renegades
Bandstreitereien gibt es in der Musikhistorie zuhauf, es aber zu schaffen, dass man gleich zweimal unter dem komplett gleichen Namen durch die Welt tingelt ist ein Novum. Die guten, originalen L.A. Guns sind freilich jene um Gitarrist Tracii Guns und Sänger Phil Lewis, die auf ihren letzten Alben auch den dreckigen Sleaze Rock der 80er-Jahre feierten. Die Epigonen hat Drummer Steve Riley zusammengeschraubt, der mit dem Werk „Renegades“ auch einen veritablen Bauchfleck landet. Wesentlich bekömmlicher und AOR-tauglicher tönen die Songs auf diesem Werk, bei dem Sänger Kurt Frohlich zwar eine adäquate Figur abgibt, aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Feuer und Handwerk für wirklich zwingende Songs zu allen Teilen fehlen. Wer sich durch die zehn Nummern gequält und noch immer aufrecht steht, der übersteht auch einen dritten Lockdown. 08/15-Rock von der Stange. 3,5/10 Kronen
Lambchop - Trip
Im Herbst 2019, also einige Zeit vor Corona, hatte Mastermind Kurt Wagner bereits die Idee, anstatt auf Tour zu gehen lieber alle Bandmitglieder in sein Studio nach Nashville einzuladen, um Songs einzuspielen. Allerdings keine neuen. Jeder sollte sich einen persönlichen Favoriten aussuchen und ihm mithilfe aller anderen eine eigene Farbe geben - ein Coveralbum mit kompositorischen Freiheiten also. Wie man es von profunden Musikern mit viel Backgroundwissen erwarten kann, wurden es natürlich keine 08/15-Nummern, sondern fein ausgewählte Song-Preziosen aus der zweiten Reihe. Wilcos „Reservations“ etwa ist ein Fiebertraum der Melancholie, den Mirrors-Song „Shirley“ verwandeln Wagner und Co. in ein Krautrock-Manifest, während „Love Is Here And Now You’re Gone“ von den Supremes von der Bariton-Stimme des Sängers veredelt wird. Und - es gibt dieses Mal kein Autotune. Schadet ehrlich gesagt auch nicht - danke Lambchop! Ohne Bewertung
Macabre - Carnival Of Killers
Von den völlig abgedrehten Illinois-Schlächtern Macabre ist man gewohnt, dass es im Schnitt nur etwa ein Album pro Dekade gibt, aber im Endeffekt ist das auch mehr als genug. Bei manchen Bands wächst man irgendwann einfach raus und mir geht es hier so. Die Serienmörder-Schlachtpalette auf „Carnival Of Killers“ zieht sich vom Coverartwork über die Songs gewohnt stringent durch, war aber etwas das genau 20 Jahre alt Konzeptalbum über Jeffrey Dahmer („Dahmer“) ein Füllhorn an kreativen, deathmetallischen Ergüssen, wirkt die Mischung aus Kinderlied-Atmosphäre („Them Dry Bones“), Gothic-Stimme („Slaughter House“) und deutschem Gesang („Warte warte“) reichlich infantil und langweilig. Irgendwann ist jeder Witz bis zur Gänze auserzählt - bei Macabre war das strenggenommen schon vor zehn Jahren der Fall. 4/10 Kronen
Aya Nakamura - Aya
Der „Guardian“ bezeichnet sie als das „Gesicht der Ermächtigung im Afropop“, die britische „Vogue“ als ein „musikalisches Phänomen“. Hierzulande ist die Französin Aya Nakamura noch viel zu selten in Erscheinung getreten, doch mit ihrer smoothen und galanten Afropop-/R&B-Gemengelage ist die 25-Jährige einer der aufstrebendsten Sterne am Popmusikhimmel. Das letzte Album „Nakamura“ hat sich - in Zeiten wie diesen - mehr als eine Million Mal verkauft und auch der Nachfolger „Aya“ wird ein garantierter Erfolg. Die karibischen anmutenden Dance-Klänge werden mit der Mischung aus Pariser Slang, Arabisch und der malischen Sprache Bambara durchsetzt und schlagen in Tracks wie „Tchop (Car Ride)“, „Jolie Nana“ oder „Plus Jamais“ voll ein. Letzterer Song beinhaltet noch ein Feature von Superstar Stormzy, aber mit diesen Namen muss sich Nakamura längst nicht mehr brüsten. Großartiges Werk. 8/10 Kronen
Neuzeitliche Bodenbeläge - Der große Preis
„Sensual Adult Oriented Wave Music“ nennen zwei Berliner ihr Projekt Neuzeitliche Bodenbeläge, das schon aus dem Bandnamen heraus ahnen lässt, dass man die Neue Deutsche Welle der 80er-Jahre durchaus zu schätzen weiß. Was 2018 mit der Single „Ich verliebe mich nie“ begann und sich letztes Jahr mit der EP „Leben“ fortsetzte, wird nur auf „Der Große Preis“ in Form von nur sieben Songs auf (dünne) Albumlänge gebannt: ein elektronisches Klangfeuerwerk mit Dub-Anleihen, peitschender Snare-Drum und klar hervorstechenden Basslinien. „Dort wo Haare sind, ist Liebe“ singen die beiden nonchalant und machen sich in den durchaus träumerischen Songs auch Gedanken über den „Marktplatz“ oder „Keramik & Konflikte“. Wer artifiziellen Deutschpop liebt, kommt bei den Neuzeitlichen Bodenbelägen voll auf seine Kosten. 7/10 Kronen
Katy J. Pearson - Return
Mit ihrem Bruder hat Katy J. Pearson schon ein paar Jahre lang in einer Band musiziert, sich dabei aber von den Pflichten und Nachteilen eines Plattenvertrags zu sehr in die Enge gedrückt gefühlt. Anstatt dessen also nicht aufgeben, sondern die Flucht nach vorne. Zweieinhalb Jahre lang pendelte sie zwischen Wohnung und Studio, um ihre Fertigkeiten als Solokünstlerin zu forcieren und es im Indie-Segment neu zu versuchen. Mission gelungen! „Return“ ist ein wundervoll sanftes, sehr überlegtes Stück Lo-Fi-Indie-Pop, das sich nicht vor den größeren Namen des Genres verstecken muss. Die Tracks wirken unschuldig und jugendlich und werden all jenen Freude machen, die sich prinzipiell mit filigranem Pop identifizieren können. Weiter so! 7,5/10 Kronen
Mark Pritchard - MP Productions: EP 1
Der Brite ist eine Legende im Elektronikbereich, das ist bei Genrefans allgemein bekannt. Seit Anfang der 90er-Jahre ist er ein nicht wegzudenkender Teil der Club-Welt, der es unter diversen Alias-Namen wie Harmonic 313, Troubleman, Link oder N.Y. Connection zu globaler Berühmtheit brachte. Der mittlerweile in Australien lebende Musiker hat auf seinem Haus- und Hoflabel Warp Records nun einen kleinen, aber feinen Appetizer in Umlauf gebracht. „MP Productions: EP 1“ verbindet Rave, Grime, House und Acid Techno zu einem wohligen Ganzen und bleibt in angenehmer Kurzform nachhaltig in den Gehörgängen kleben. „Be Like Water“ klingt wie ein elektronisches Schlaflied, „One Way Mirror“ taucht tief in die elektronische Welt Detroits ein und „In My Heart“ kokettiert mit Ambient-Klängen. Als nächstes ist der Nachfolger von „Under The Sun“ geplant. Ohne Bewertung
Sometimes With Others - Nous
Diese Projekt ist eine ganz besondere All-Star-Zusammenkunft aus der zweiten Reihe, wenn man so will. Neben der Nico-ähnelten Sängerin Mika Bajinski und Cellistin Marie-Claire Schlameus sind auch noch Kontrabassist Yoyo Röhm (Mick Harvey Band) und Swans-Gitarrist Kristof Hahn im Einsatz. Ebenfalls zu hören ist Gast-Drummer Larry Mullins, der schon Werke von Iggy Pop und Nick Cave würdevoll veredelt hat. So wie sich die Besetzungsliste liest, so erklingt „Nous“. Es ist ein besonders schwermütiger Noir-Sound, der sich natürlich am großen Cave anschmiegt, aber dessen zwingend-sakrale Atmosphäre nicht wirklich zu erreichen vermag. Das macht aber nichts, denn dieses Berliner Konglomerat schert sich einen Dreck um Referenzen und schwelgt in Tracks wie „Hey Hey“, „The One“ oder „Ways“ bewusst in bleierner Schwere. Der Soundtrack für die Einsamkeit oder gewagte David Lynch-Filme. Eine klangliche Perle der Dunkelheit. 7,5/10 Kronen
Soulburn - Noa’s D’ark
Früher einmal haben es die holländischen Death-Metaller von Soulburn nicht so genau genommen mit den Zeiten zwischen Albenveröffentlichungen, was aber auch daran lag, dass die Band sich immer wieder mit den wesentlich bekannteren Asphyx assimilierten und entfremdeten. Zeitweise wusste man schon gar nicht mehr, welches Mitglied wo am Werk ist. Mittlerweile ist die Unterscheidung längst gelungen - auch musikalisch. Während Asphyx mit ersten Teasern auf eine richtige Walze für Anfang 2021 hindeuten, gehen Soulburn wesentlich punkiger vor. Auch auf „Noa’s D’ark“ vergisst man trotz aller Atmosphärik und knallender Peitschenschläge nicht darauf, dass Rotz’n’Roll stets ein wichtiger Ursprungsgedanke der langdienenden Combo war. Außerdem fürchtet man sich auch nicht, Black und Doom in das Gebräu zu streuen und den allmächtigen Bathory zu huldigen. Das gelingt durchaus adäquat und kurzweilig. Starker Release! 7,5/10 Kronen
Chris Stapleton - Starting Over
In den USA ist Chris Stapleton längst einer der allergrößten Superstars und erobert die Charts mit müheloser Leichtigkeit, in unseren Breitengraden widmet ihm seine Plattenfirma noch nicht einmal eine einfache Werbekampagne. Am grassierenden Country-Boom wird auch Österreich nicht mehr ewig vorbeischauen können. Vor allem dann nicht, wenn die Qualität dermaßen hoch ist wie bei Stapleton, der auf „Starting Over“ einmal mehr beweist, warum er derzeit der absolute Goldjunge des Genres ist. Der Mann, der von P!nk bis zu Justin Timberlake in allen Genres kollaborierte und wilderte wagt auch hier neue Schritte. Etwa mit der getragenen Piano-Ballade „Cold“ oder „Joy Of My Life“, dem man deutlich heraushört, dass er von CCR-Legende John Fogerty stammt. Dass er meist im langsameren Bereich bleibt, steht im sehr gut zu Gesicht. „Starting Over“ wird Stapleton hoffentlich auch bald bei uns in lichte Sphären katapultieren. 8/10 Kronen
Swans - Children Of God Re-Release
Krach- und Noisefetischisten wissen es ohnehin - die Swans gehören nicht nur zu den lautesten, sondern auch aufregendsten Bands im weiten Feld des atonalen Undergrounds. Michael Gira und Co. haben im Laufe der Jahre auch immer wieder Österreich ihre Aufwartung gemacht und die einzelnen Konzerte stets zu einem kleinen Fest gedeihen lassen. „Children Of God“ war das 1987er Meisterwerk, das von Mute Records nun neu auf Vinyl aufgelegt und damit nicht nur Sammlern, sondern auch einer jüngeren Generation zugänglich gemacht wird. Die zerstörerischen Kakophonien hat man nicht zuletzt auch Sängerin Jarboe zu verdanken, die dem bedrückend-dissonanten Sound noch ein extra Schäuflein Depression draufschüttet. Ein Meisterwerk - nicht mehr und schon gar nicht weniger. Ohne Bewertung
Frank Turner & Jon Snodgrass - Buddies II: Still Buddies
Frank Turner ist in diesem Jahr mehr als fleißig und hat schon mit so einigem neuen Material aufhorchen lassen. Corona sei Dank hat er sich zehn Jahre nach der ersten Zusammenarbeit auch wieder mit seinem alten Kumpel Jon Snodgrass zusammengetan, um allen zu zeigen, dass man eben „Still Buddies“ sei und Freundschaft keiner Zeitbeschränkung unterliegt. Die beiden alten Punks sind älter und reifer, aber längst nicht erwachsen worden. So ist „Buddies II“ eine Zusammenfassung von gegenseitigen Gesprächen, Witzeleien und - zum Glück doch - einigen Songs, die man zusammen aufgenommen hat. Die teils politischen und umweltkritischen Texte gehen bei dem zwischenzeitlichen Nonsens fast unter, was angesichts starker Songs wie „S-Bar“ oder „The Age Of A Dog“ sehr schade ist. Material für Hardcore-Fans, das aber durchgehend wie ein Insider-Joke wirkt. 6/10 Kronen
Ava Vegas - Ava Vegas
Der Schatten der großen Nico ist auch in der aktuellen Popszene gottlob noch ein großer. So hat sich die Berliner Songwriterin Sarina Giffhorn mit „Ava Vegas“ nach einem Song ihres großen Idols benannt und hat - ähnlich wie Nico am Ende ihres Daseins - auch einige Zeit ihres Lebens auf Ibiza verbracht. Ihr gleichnamiges Debütalbum dürfte durchaus auf Anklang stoßen, denn die feinen, zwischen Lounge und Grandezza pendelten Songs haben in ihrer bedrückenden Melancholie einen Lana Del Rey-Touch, fürchten sich aber auch nicht mit den großen Chanseusen aus Frankreich zu kokettieren. Eine spannende Tour zwischen Deutsch („Mein Mann“) und Englisch, hart und zart, bedrückend und beschwingt. Ein interessantes, u.a. von Drangsal produziertes Debüt, das im Art-Pop-Segment durch Songs wie „Hold On To Your Stars“ oder „Growing Flowers“ sicher noch länger auffallen wird. 7,5/10 Kronen
Völur - Death Cult
Manche Bands sind für ein bestimmtes Label geboren. So zum Beispiel die Kanadier von Völur, die mit ihrem abgedrehten Mix aus Folk, Ambient, Doom Metal und artifiziellem Rock eigentlich nur auf Prophecy Productions landen konnten. Der Bandname wurde einer germanischen Sage entleiht und behandelt Menschenopfer, dementsprechend düster wird auch musiziert. „Death Cult“ gibt sich mit nur vier Songs zufrieden, die aber allesamt mehr oder weniger weit über die Sieben-Minuten-Grenzen über die Ziellinie biegen. Atmosphäre, Musikalität und Grundstimmung sind sehr eigen und speziell, doch für die Masse ist das Produkt auch nicht konzipiert. Wer den Zugang zur traditionellen Musik mit Metal-Versatzstücken anfangs nicht findet, der sollte sich vielleicht die Zeit für einen zweiten Durchlauf nehmen, denn das Konzept erschließt sich eher mit Ruhe und Geduld. Ein Album für Genre-Feinschmecker. 7/10 Kronen
Yukon Blonde - Vindicator
Nach vier Alben mit mehr oder wenigen großen Erfolgen kann man sich schon auch mal auf sich selbst verlassen, so hat das Vancouver-Kollektiv „Vindicator“ erstmals ohne externe Hilfe auf die Beine gestellt und auch den Produktionsprozess aktiv gestaltet. Die offensichtlichen Pop-Elemente der Vergangenheit werden stärker in den Hintergrund gerückt, dafür konzentrieren sich Jeffrey Innes und Co. stärker auf psychedelische Elemente und eine gewisse 70er-Atmosphäre, die ungezwungene Wärme vermittelt. Die Kreuzung von Indie-Chic mit Stolz in den Vordergrund gestellten Pop-Zitaten gelingt den Kanadiern überraschend gut, auch wenn die älteren, deutlich gitarrenlastigeren Stücke bei den Rockern wahrscheinlich auf mehr Gegenliebe stießen, als aktuelle Tracks wie „You Were Mine“ oder „Good Times“, die schamlos mit Synthesizern spielen. Macht aber nix, die künstlerische Freiheit funktioniert hier ausgezeichnet. 7/10 Kronen
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