Integrationsdebatte
Merkel: “Multikulti gescheitert, absolut gescheitert”
Die Bestrebungen, in einer Multikulti-Gesellschaft einfach nebeneinanderher zu leben, seien gescheitert, betonte Merkel bei einem Kongress der Jungen Union in Potsdam. In der Vergangenheit sei zu wenig verlangt worden. Es sei aber eine berechtigte Forderung, dass Zuwanderer die deutsche Sprache lernten, um in der Schule mitzukommen und eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Zwangsehen seien nicht akzeptabel, und natürlich müssten auch Mädchen aus muslimischen Familien auf Schulausflüge mitgehen dürfen.
Die Zuwanderung sei aber auch eine Realität, mit der man umgehen müsse. Deutschland habe sich seit 1945 stark verändert: "Realitätsverweigerung war noch nie eine gute Antwort auf das, was auf uns zukommt", warnte Merkel. Die Kanzlerin stellte sich auch hinter die in Teilen der Union umstrittene Aussage von Bundespräsident Christian Wulff, wonach der Islam ein Teil Deutschlands ist. "Er ist ein Teil Deutschlands - das sieht man nicht nur am Fußballspieler Mesut Özil", betonte Merkel mit Verweis auf den türkischstämmigen Torschützen der deutschen Nationalelf.
Seehofer: "Deutschland kein Zuwanderungsland"
CSU-Vorsitzender Seehofer hat seine Positionen nach Informationen des Magazins "Focus" in einem Sieben-Punkte-Papier konkretisiert. Der bayerische Ministerpräsident beharrt darauf, dass "Deutschland kein Zuwanderungsland" sei. Auch könne "ein prognostizierter Fachkräftemangel kein Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung sein", so Seehofer. Den Zuzug Hochqualifizierter hält er für "ausreichend geregelt".
Seehofer hat am Freitag bei dem JU-Kongress in Potsdam erneut für mehr Integration und weniger Zuwanderung plädiert. "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. MultiKulti ist tot!", rief er. Eine Aufweichung des restriktiven Zuwanderungsgesetzes oder Immigration nach einem Punktesystem lehnt der CSU-Politiker ab.
Ministerinnen gegen Forderungen des CSU-Chefs
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warb hingegen dafür, die Hürden für die Zuwanderung von Spezialisten aus dem Ausland zu senken, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen: "Seit einigen Jahren verlassen mehr Leute unser Land als neu hereinkommen. Wir müssen, wo immer es geht, die Eintrittsschwellen senken für die, die das Land nach vorne bringen." Sie will die Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit auf den Prüfstand stellen, wonach Deutsche, EU-Bürger und Bewerber mit einer Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland bevorzugt eingestellt werden. Von einem Punktesystem, wie es etwa Kanada zur Auswahl von Einwanderern anwendet, hält von der Leyen nichts: "Ich glaube nicht an ein Patentrezept."
Auch Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) bezog Position gegen Seehofer. "Nicht Einwanderung muss uns aufregen, sondern Auswanderung aus Deutschland", sagte sie. Wenn nichts geschehe, werde sich der Fachkräftemangel zur größten Wachstumsbremse entwickeln. Schavan habe daher einen Gesetzentwurf erarbeiten lassen, der die Anerkennung der Berufsqualifikation von Ausländern regle.
"Uns fehlen 400.000 gut ausgebildete Fachkräfte"
Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) fehlen der deutschen Wirtschaft "rund 400.000 Ingenieure, Meister und gut ausgebildete Fachkräfte". "So geht uns rund ein Prozent Wirtschaftswachstum verloren", kritisierte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Deutschland benötige daher dringend mehr qualifizierte Zuwanderer aus aller Welt.
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