Experimente am Virus

Forscher testen an Uni Graz Covid-19-Medikamente

Wissenschaft
29.06.2020 12:58

Im BSL-3 Labor an der Medizinischen Universität Graz, dem Labor mit der höchsten Sicherheitsausstattung Österreichs, werden derzeit mögliche Medikamente auf ihre Wirkung gegen gefährlichen SARS-CoV-2-Erreger in Zellkulturexperimenten getestet. Ziel der Forscher ist es, eine vorklinische Wirkstoff-Datenbank aufzubauen mit deren Hilfe antivirale Medikamente deutlich schneller zu einer klinischen Anwendung geführt werden können. Weiters werden Medikamente zur Therapie bereits infizierter Covid-19-Patienten entwickelt.

Weltweit geht die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus mit noch nie gesehener Geschwindigkeit voran. Dennoch dauert es oft Jahre, bis eine geeignete Impfung vorliegt. Daher konzentriert sich ein Forschungsprojekt des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), der Medizinischen Universität Graz und des Grazer Biotech-Unternehmens Innophore zusätzlich auf das Auffinden, Evaluieren und vorklinische Testen einer bestimmten Klasse an Wirkstoffen, die schnellere Verfügbarkeit mit hoher Wirkung verbindet.

Die Rede ist von antiviralen Medikamenten, wie sie etwa gegen HIV, MERS oder SARS entwickelt wurden. Sie hemmen Enzyme, die Viren zur Vermehrung benötigen, in ihrer Aktivität und verhindern das Eindringen von Viren in z.B. Lungenzellen. Damit können sie einerseits die Infektion von Zellen verhindern, und andererseits die Vermehrung von Viren in den infizierten Zellen unterdrücken. Beide Strategien sind wichtige Säulen für die Therapie von an Covid-19 Erkrankten.

Da viele dieser Medikamente bereits am Markt zugelassen sind, lassen sie sich relativ rasch zu Corona-Medikamenten umfunktionieren. „Im ersten Schritt konzentrieren wir uns darauf, Wirksubstanzen gegen das Coronavirus ausfindig zu machen. Daher screenen wir in einem weiteren Projekt durch den Einsatz von Computermodellierungen und -simulationen über zwei Milliarden einzelne Wirkstoffe gegen Covid-19.“

Sichere Umgebung für hochinfektiöse Viren
Um Substanzen auf ihre Wirkung zu testen, müssen sie mit dafür eigens vermehrten, lebenden Erregern wie dem hochinfektiösen SARS-CoV-2 Virus in Zellkulturen zusammengebracht werden. Um den Schutz von Personen und Umwelt zu gewährleisten, ist daher eine Laborinfrastruktur gefordert, wie sie am Med Uni Campus Graz zur Verfügung steht.

„Das BSL-3 Labor weist den in Österreich derzeit höchsten verfügbaren Sicherheitsstandard für Labore auf. Schleusensysteme mit unterschiedlichen Dekontaminationsverfahren, abgeschlossener Luftkreislauf mit Filtersystemen und eine hochwertige persönliche Schutzausrüstung für MitarbeiterInnen ermöglichen das sichere Arbeiten mit Mikroorganismen, welche zu schweren Erkrankungen und Epidemien führen können, wie es aktuell beim Erreger SARS-CoV-2 der Fall ist“, sagt Kurt Zatloukal vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz.

Die in-vitro-Tests antiviraler Medikamente folgen dabei drei Phasen: In der ersten, die bereits abgeschlossen ist, werden sogenannte Zytotoxizitätstests durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Verbindungen keine generelle Schädigung der Zellen verursachen und um zu bestimmen, in welcher Konzentration die Substanz eingesetzt werden kann.

Zellkulturmodelle verringern Tierversuche
In der zweiten, kürzlich gestarteten Prozessphase testen die Forscher die Verbindungen auf ihre Wirkung gegen Covid-19. Um möglichst genau Aufnahme und Wirkung - sowie mögliche Nebenwirkungen - von Medikamenten im menschlichen Körper nachzubilden, kommen sogenannte humane Organoide zum Einsatz: „Das sind im Labor gezüchtete Zellgruppen, deren Aufbau und Fähigkeiten weitgehend denen von Organen gleicht. Diese nächste Generation neuartiger, organischer Tools erlaubt es, die Wirkung von Substanzen in Zellen - außerhalb des Körpers - sehr genau zu untersuchen“, sagt Zatloukal, der weitere Vorteile nennt: „Wir versuchen, möglichst viel Information darüber, wie sich Substanzen im menschlichen Körper verhalten können, in solchen Modellorganen in der Petrischale abzufragen. Damit werden der Einsatz von Tierversuchen verringert und die Entwicklungsdauer von SARS-CoV-2-Medikamenten verkürzt.“

Neue Medikamentengruppen entwickeln
In der letzten Phase testen die Forscher, ob die genetische Diversität verschiedener Virus-Subklassen von SARS-CoV-2 die Wirkungsweise von Medikamenten beeinflusst. Dazu werden die Virus-Isolate von steirischen Covid-19 Patienten sequenziert und gemeinsam mit Referenzstämmen aus anderen Ländern in-vitro- und Computer-Experimenten unterzogen. Dies ist erforderlich, um zu zeigen, dass eine chemische Substanz für einen breiten klinischen Einsatz geeignet sein könnte.

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