Was kann ich tun?

Experten beantworten Fragen zu Reisestorno & Co.

Reisen & Urlaub
19.05.2020 08:16

Warum wird meine Reise nicht storniert, obwohl es eine Reisewarnung gibt? Ich bin selbst in Quarantäne und kann nicht anreisen. Greift meine Reiserücktrittsversicherung? Muss ich mich mit Umbuchungen oder „Credit“-Angeboten meiner Airline abspeisen lassen oder kann ich auf Rückerstattung der Kosten bestehen? Welche Möglichkeiten der Rückerstattung habe ich, falls Fluglinie oder Reiseanbieter Konkurs anmelden? Zwei Experten beantworten wichtige Fragen zum Thema Reise in und nach Corona-Zeiten. Sie haben Fragen? Dann posten Sie diese einfach in den Storykommentaren!

Viele Menschen, die 2020 schon einen Urlaub gebucht haben, sind momentan mit unzähligen Fragen konfrontiert und werden von oft uneinsichtigen Flug- und Reiseveranstaltern mit Gutscheinen abgespeist statt eine Rückerstattung zu erhalten. Aus diesem Grund haben wir zwei führende Experten um Beantwortung aktueller Fragestellungen rund ums Thema Reise gebeten.

Andreas Sernetz, Gründer und CEO von FairPlane, und Prof. Dr. Ronald Schmid, Rechtsanwalt und einer der führenden Gestalter der Fluggastrechte in Europa, beantworten Fragen rund ums Thema Reisen in Krisenzeiten.

Warum wird meine Reise nicht storniert, obwohl es eine Reisewarnung gibt?
FairPlane-Ceo Andreas Sernetz:
Die Reiseveranstalter stornieren immer in Tranchen, aber nicht generell. Reisen, die kurz vor dem Abreisedatum liegen, werden zuerst storniert, dann wieder die nächsten. 

Mein Urlaubsziel wurde zum Corona-Risikogebiet erklärt. Übernimmt meine Reiseversicherung die Stornierungskosten?
Dr. Ronald Schmid: Das muss man in den Vertragsbedingungen nachlesen. Meist sind „außergewöhnliche Umstände“ wie Pandemien, Terror etc. aber vom Leistungsumfang ausgenommen. Wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, kann man in der Regel kostenlos vom Vertrag zurücktreten, ohne eine Versicherungsleistung dafür in Anspruch nehmen zu müssen.

Darf ich trotz der weltweiten Reisewarnung eine Urlaubsreise antreten?
Sernetz:
Eine Reisewarnung ist eine Empfehlung. Letztlich liegt es in der eigenen Verantwortung zu reisen - oder eben nicht. Fraglich ist, ob eine Einreise überhaupt möglich ist, wenn im Zielland eine Einreisebeschränkung auferlegt wurde. Ratsam ist es aber, sich vor der Reise in ein Land mit Reisewarnung beim Außenministerium zu registrieren, damit der Aufenthaltsort bei Schwierigkeiten im Urlaubsland bekannt ist.

Ich bin selbst in Quarantäne und kann nicht anreisen. Greift meine Reiserücktrittsversicherung?
Sernetz:
Auch hier muss man den im jeweiligen Vertrag vereinbarten Schutz einzeln bewerten. Grundsätzlich ist eine ärztlich attestierte Reiseunfähigkeit durch Krankheit ein Grund für Deckung des Rücktritts und damit die Rückerstattung der Reisekosten. Meist reicht es - beispielsweise bei einer Familienreise -, wenn ein Familienmitglied erkrankt, dass alle vom gemeinsamen Urlaub kostenfrei zurücktreten können. Doch Vorsicht: Kontrollieren Sie, ob eine Pandemie auch gedeckt ist. Manchmal ist dies ausgenommen.

An welche Adressen kann ich mich wenden, wenn ich von der Fluggesellschaft/Reiseanbieter niemanden erreiche bzw. mit Gutscheinen abgespeist werden soll?
Schmid:
Sehr wichtig ist es, dass der Passagier Gutscheine oder Umbuchungen (wenn er dies nicht will) schriftlich ablehnt, wenn die Fluglinie den geplanten Flug selbst storniert hat. Schweigt der Kunde, also reagiert er auf diese Schreiben nicht, könnte es so ausgelegt werden, dass er durch sein Schweigen zustimmt. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Annahme von Gutscheinen, auch wenn das von den Fluglinien behauptet wird.

Ganz klar gesetzlich geregelt ist dies in der EU-Fluggastrechteverordnung: „Wenn das Luftfahrtunternehmen den Flug storniert, kann der Passagier wählen zwischen einer Ersatzbeförderung oder der Rückerstattung der Ticketkosten innerhalb von sieben Tagen. Natürlich wird eine Rückerstattung momentan weit mehr als die gesetzlich vorgegebene Frist betragen. Kunden können sich an FairPlane wenden, wir haben extra für diesen Fall den Service ticketrefund.de ins Leben gerufen. In wenigen Minuten kann man online seinen Fall eingeben. Zahlt die Fluglinie in den ersten sieben Tagen ab dem Einschreiten unserer Vertragsanwälte, ist der Service kostenlos, danach fällt nur im Erfolgsfall eine Provision an. Man kann sich auch an die Arbeiterkammer wenden, an den Verbraucherschutz oder an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte.

Ist die Fluggesellschaft gesetzlich verpflichtet, mir mein Geld zurückzuerstatten (statt Gutscheinen/Credits)?
Schmid:
Ganz klar gesetzlich geregelt ist dies in der EU-Fluggastrechteverordnung: "Wenn das Luftfahrtunternehmen den Flug storniert, kann der Passagier wählen zwischen einer Ersatzbeförderung oder der Rückerstattung der Ticketkosten innerhalb von sieben Tagen. Die EU-Verordnung gilt unmittelbar in der gesamten EU für alle Flüge, die aus der EU starten, egal welche Fluglinie den Flug abfliegt. Ebenso für alle Flüge innerhalb der EU, unabhängig von der ausführenden Fluglinie. Wenn der Flug vom Drittstaat in den EU-Raum fliegt, also z.B. New York - Wien, dann kann die Rückerstattung nach EU-VO nur erfolgen, wenn es sich um eine europäische Fluglinie oder eine Fluglinie mit Sitz in Europa handelt. Natürlich wird eine Rückerstattung momentan weit mehr als die gesetzlich vorgegebene Frist betragen. Bei Ryanair bspw. kann es derzeit bis zu sechs Monate dauern.

Credits müssen nicht akzeptiert werden. Möglich sind Ersatzbeförderung oder Rückerstattung des Ticketpreises ohne Abzüge.

Greift die EU-VO nicht, dann gilt nationales Vertragsrecht. Der Vertrag wird einseitig geändert (Fluglinie storniert, will umbuchen). Stimmt der Passagier dieser Änderung nicht zu, wird der Vertrag rückabgewickelt, also die bereits erbrachten Leistungen werden zurückgestellt. Der Passagier erhält die im Voraus geleisteten Ticketkosten zurück.

Für Pauschalreisen ist dies in der Reiserechtrichtlinie geregelt, die jeder EU-Mitgliedstaat umgesetzt hat. In Österreich ist das das PRG (Pauschalreisegesetz). Bei einem kostenlosen Rücktritt (Pandemie als außergewöhnlicher, überraschender Umstand) muss der Reisepreis innerhalb von 14 Tagen zurückgezahlt werden.

In welchen Ländern wird 2020 voraussichtlich ein Sommerurlaub möglich sein?
Sernetz: Das ist eine schwere Prognose und wird, falls es keine EU-weite einheitliche Regelung zumindest für die Mitgliedstaaten gibt, stark von bilateralen Abkommen abhängen. Viele Länder sind fast gar nicht von der Pandemie betroffen und signalisieren, dass eine Reise ohne Gefahr angetreten werden kann (z.B. Kroatien, Slowenien).

In vielen Ländern ist natürlich der drohende Ausfall der wichtigsten Haupteinnahmequelle Tourismus ein Motor, wie beispielsweise auf den Balearen, aber ja auch in Österreich mit dem Angebot an deutsche Urlauber. Griechenland (ebenfalls sehr geringe Fallzahlen) wartet dringend auf eine Entscheidung der EU und will eine Öffnung für den Sommertourismus. In Spanien müssen Einreisende aktuell noch in 14-tägige Quarantäne.

Die Grenzen meines Zielgebietes sind noch gesperrt bzw. ist die Lage vor Ort noch chaotisch (z.B. Ausgangssperre). Kann ich stornieren?
Sernetz:
Grenze gesperrt, keine Einreise. Zur Ausgangssperre am Urlaubsort: Bei einer Pauschalreise kann dadurch vermutlich nicht die vertraglich geschuldete Reiseleistung erbracht werden. Den Reiseveranstalter trifft auch eine Beistandspflicht, wenn während der Reise Probleme auftreten.

Welche Möglichkeiten der Rückerstattung habe ich, falls die Fluglinie oder der Reiseanbieter Konkurs anmelden?
Schmid: 
Anmeldung der Forderung im Konkursverfahren. Da eine Vielzahl von Gläubigern vorhanden sein wird, ist hier erstens mit sehr langen Wartezeiten und dann nur mit einem sehr geringen Betrag zu rechnen. Wir von FairPlane raten daher zur Annahme von Gutscheinen generell ab, da dies erstens gesetzlich nicht zwingend ist - es gibt keine Annahmeverpflichtung von Gutscheinen, weder bei Flügen noch bei Pauschalreisen. Zweitens bleibt das Risiko der Insolvenz, denn viele Fluglinien oder Reiseveranstalter wird es nach der überstandenen Krise nicht mehr geben. Leider wird den Verbrauchern die Lage oft so dargestellt, dass es eine Annahmepflicht gibt: Das passiert, um nicht Beträge in Milliardenhöhe auszahlen zu müssen.

Bei Pauschalreisen ist der Reisepreis dank EU Pauschalreiserichtlinie insolvenzgesichert. Bei Flügen ist das leider nicht der Fall, was viele Passagiere schmerzlich bei den Pleiten von Air Berlin und Fly Niki feststellen mussten. Sie sind leer ausgegangen und haben nichts zurückbekommen. Unsere Kunden waren damals verzweifelt, oft handelte es sich auch um sehr teure Langstreckenflüge für die ganze Familie. FairPlane fordert seit Jahren eine Insolvenzabsicherung für den viele Monate im Voraus zur Gänze bezahlten Ticketpreis. Wir hoffen, dass diese Forderung in die EU-VO aufgenommen wird.

Ich habe über einen Reiseanbieter (lastminute.de, Travelgenio, GOTOGATE ...) gebucht, der Flug sollte von SWISS durchgeführt werden. Die Airline hätte die Kosten für die Flüge rückerstattet, das muss aber über den Reiseanbieter abgewickelt werden. Dort erreiche ich niemanden. Gibt‘s da eine Möglichkeit, doch noch das Geld zurückzubekommen?
Schmid: Lastminute.de ist nur der Vermittler des Fluges, Vertragspartner ist SWISS. In der EU-Fluggastrechteverordnung steht klar, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten des Tickets zurückerstatten muss. Wie die Buchungsplattform intern Zahlungen an Swiss abwickelt, ist ein internes Problem. Der Passagier soll die angebotene Zahlung von SWISS annehmen, die Buchungsplattform würde vermutlich noch eine Gebühr aufschlagen. Wir von FairPlane raten unseren Kunden ab, bei Ticketplattformen zu buchen, denn manche bergen böse Überraschungen, siehe jüngstes Urteil gegen travelgenio.

Bundesministerium für Soziales: HIER finden Sie weitere Infos zu Reisen und Konsumentenschutz!

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