Erfolgsstück-Premiere

Die Vögel sind zu hoch geflogen

Salzburg
16.02.2020 17:00
Wajdi Mouawads „Vögel“ erobern die Bühnen. Da zieht auch Salzburg nach. Irmgard Lübke inszeniert das Stück am Schauspielhaus. Das Pathos des Textes und nicht eingelöste Versprechen machen es der Regisseurin schwer und lassen Zuschauer eher ratlos zurück.

Zwei Wände bilden eine Flucht. In der Mitte ein Tisch, der über die Grenzen der Bühne hinauszugehen scheint. An dessen Ende reihen sich Bücher in einem mannshohen Regal. Wir befinden uns in einer Bibliothek in New York.

 Dort lernen sich Jude Eitan (Jakob Kücher) und Araberin Wahida (Kristina Kahlert) lieben. Ihre Zuneigung kennt weder Grenzen noch Gruppenzugehörigkeiten.

Es macht Spaß, den beiden zuzusehen. Kücher erinnert als rationalistischer Nerd Eitan an eine Figur aus der Erfolgsserie „The Big Bang Theory“. Dabei besitzt er genug Charisma, um nicht zum Epigonen zu verkommen. Und: Er hat nicht nur Formeln und Zahlen im Kopf, sondern auch ein großes Herz in der Brust. Dem kann sich die feurige Wahida nicht entziehen. Problem: Eitans Familie ist gegen die Beziehung. Eine Jüdin muss es sein! Es kommt zum Bruch. Aus Wut sammelt Eitan nach dem Pessachfest die DNA seiner Familie vom Geschirr. Es ist das Mittel eines Forscherhirns, sich seine Probleme Untertan zu machen. Die Analyse ergibt: Eitans Vater David muss ein Kuckuckskind sein!

Dieser Konflikt entwächst den fein gezeichneten Eigenarten Eitans. Gut gemacht. An anderen Stellen zeigt sich die Konstruktion der Geschichte dagegen deutlich. Die israelische Soldatin Eden ist eine Pappkameradin, hat einzig die Funktion, die Handlung voranzutreiben. Und: Während die Darsteller das Publikum anfangs mit zeitlich verschränkten Szenen bannen, verliert sich das Stück im letzten Drittel im Labyrinth der selbst gestellten Fragen.

Was ist Identität? Was macht einen Menschen zu dem, was er ist? Viele Zuschauer linsen auf ihre Armbanduhren. Denn Mouawads „Vögel“ wissen keine Antworten. Sie fliegen im warmen Strom des Zeitgeists, meiden dabei jeden Widerstand. Oft gesehen, oft gehört. Das versucht der Text mit großen Dosen Pathos zu kaschieren. Das trieft aus ihm, lässt die Darsteller ins Schlingern geraten und die Zuschauer ratlos zurück. Verhaltener Applaus: Diese Vögel sind hoch geflogen und im Mittelmaß gelandet. 

Bewertung: 3 von 5 Kronen

Porträt von Christoph Laible
Christoph Laible
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