Charts-Dauergäste

Clean Bandit: Die gesichtslosen Pop-Megastars

Musik
28.11.2018 07:00

Egal ob Demi Lovato, Luis Fonsi oder Elton John - mit dem britischen Electropop-Trio Clean Bandit will absolut jeder Popstar zusammenarbeiten. So manche Größe muss dann trotz fertigen Song sogar zurückstecken. Wir haben versucht zu ergründen, warum das Trio derzeit die Popwelt revolutioniert, wieso es so lange bis zum zweiten Album „What Is Love?“ gebraucht hat und weshalb es trotz zahlreicher Nummer-eins-Hit noch immer unentdeckt die Straßen entlangschreiten kann.

(Bild: kmm)

Sie sind derzeit die wohl berühmtesten Chartsstürmer, die sich nicht mit den Tücken der Gesichtsprominenz herumschlagen müssen: Clean Bandit. Grace Chatto und die beiden Patterson-Brüder Jack und Luke feuern seit mittlerweile fünf Jahren einen Hit nach dem anderen in den Orbit, können aber selbst in ihrer englischen Heimat unerkannt durch die Straßen laufen. Grund dafür ist die versteckte Herangehensweise an ihre Kunst. Nur selten sieht man die Mitglieder der Electropop-Band mit Klassik-Einschlag selbst im Rampenlicht stehen - dafür holen sie sich meist namhafte Sängerinnen und Sänger. Der große Durchbruch gelang 2014 mit dem englischen Pop-Sternchen Jess Glynne, die den Song „Rather Be“ veredelte. Es folgten u.a. „Rockabye“ mit Sean Paul und Anne-Marie, „Symphony“ mit Zara Larsson oder zuletzt „Solo“ mit Demi Lovato.

Berühmte Opfer
„Die Auswahl der Gäste treffen wir danach, wie ein Song klingt oder was er gerade benötigt“, erzählt uns Chatto im Interview, „Zara Larsson etwa haben wir das erste Mal auf einem Festival gehört und sie hat uns förmlich weggeblasen. Was uns alle drei in der Band aber eint, ist die Obsession für starke, weibliche Stimmen.“ Nach langem Hickhack erscheint dieser Tage nun endlich das heiß ersehnte zweite Studioalbum „What Is Love?“, auf dem Clean Bandit alle bekannten Singles der letzten Monate verpackt haben und auf der sich Superstars wie Ellie Goulding, Craig David und Charli XCX tummeln. Wie streng und selbstbewusst die Band mittlerweile vorgeht, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass ein Song mit dem legendären Elton John von der Platte gefallen ist. „Während eines bestimmten Teils erkannten wir, dass es einen Klang entwickelte und den wollten wir vorantreiben“, erklärte Chatto dem „Guardian“, „aber es hat nicht so ganz zum Gesamtergebnis gepasst.“ Auch ein Song mit Chattos Kindheitsidol Gwen Stefani fiel der Schere zum Opfer - na bumm!

„What Is Love?“ wurde bereits mehrmals angekündigt, schlussendlich aber immer wieder nach hinten verschoben. Es ist nicht zuletzt dem Perfektionismus der Pattersons geschuldet, dass sich das Releasedatum des Albums immer weiter hinauszögerte. Textlich als auch musikalisch gehen Clean Bandit samt der illustren Gästeschar etwas melancholischer, dunkler und schwermütiger vor als auf dem 2014er-Debüt „New Eyes“ vor. Wie es bereits der Albumtitel suggeriert, geht es der Band um die Liebe in all ihren bunten Facetten - echte Liebe, Geschwisterliebe, Mutterliebe, Romantik, Schmerz, Enttäuschung, Trauer, Wut. So bunt wie das Leben selbst und wie die Zugangsweise der Briten zur Musik im Allgemeinen. „Wenn man unsere Musik hört, kann man sie nicht wirklich erklären, irgendwie klappt es aber am Ende doch immer so, dass die Leute Spaß daran haben“, erklärt Chatto mit ungewohtem Understatement.

Mozart und Avicii
Kennengelernt hat sich das Trio am Jesus College in Cambridge, vor exakt zehn Jahren kam den klassisch ausgebildeten Vollblutmusikern die Idee, unter dem Banner Clean Bandit selbst für Musik zu sorgen. „Mozart’s House“ war übrigens einer der allerersten Hits, der international für Furore sorgte. „Ich liebe Mozart und für mich war er der prägende Popmusiker seiner Epoche. Würde er heute noch existieren, wäre er wohl so etwas wie es jetzt für viele Avicii war. Gewisse Lieder von ihm waren wunderschön, andere wiederum etwas anstrengend. Das ist aber ein bisschen so wie bei den Beatles. Da war auch nicht jeder einzelne Song ein Volltreffer und viele andere entwickelten sich erst im Laufe der Zeit zu besonderen Perlen.“ Chatto begann schon früh mit dem Cellospielen und wurde von Jack Patterson zunehmend in die Welt der elektronischen Musik eingeführt. „In einem Nachtclub haben wir das erste Mal versucht, unsere beiden Welten zu vereinen. Leider haben wir nie etwas davon aufgenommen, was nachbetrachtet eine Schande ist.“

Ein essenzieller Teil des großen Erfolgs ist nicht nur die Vermischung aus Klassik und Pop, sondern auch das Wechselspiel zwischen akustischen und elektronischen Elementen. Für Songs wie „Operator“ oder „Rockabye“ verwendeten die Klangperfektionisten etwa eigene Synthies. „Zu behaupten, wir wollen die Musik revolutionieren, wäre etwas vermessen, aber natürlich wollen wir so viel wie möglich experimentieren und möglichst unberechenbar bleiben.“ Viele Jahre verwehrten sich Clean Bandit gegen ein Majorlabel - vor zwei Jahren landete man schlussendlich doch bei Warner Music. „Je größer man wird, umso schwieriger ist es, alles unabhängig zu machen. Wir müssen intern jedenfalls weiterhin sehr genau darauf achten, wem wir vertrauen und auf wen wir hören. Das ist nicht immer einfach, aber wichtig und notwendig.“

Politisches Gewissen
Clean Bandit gehören auch zu jenen Bands, die aktiv ins politische Geschehen eingreifen und mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten. Im Mai 2017 unterstützten sie bei der UK-Wahl offiziell Jeremy Corbyn von der Labour-Party, diesen Juni waren sie Headliner beim „Labour Live Festival“ in London. „Politiker erreichen die jungen Menschen oft gar nicht mehr und keinen interessieren verschachtelte Reden. Es liegt heute auch an Leuten außerhalb der Politik, diese der Jugend näherzubringen. Dazu zähle ich Musiker, Schauspieler und Sportler. Tragisch am Brexit war vor allem, dass die jungen Menschen gar nicht wählten. Künstler wie Grimes oder Stormzy haben schnell Position bezogen und vielen die Augen geöffnet. Wichtig ist jedenfalls, dass sich das nicht mehr so wiederholt.“

Clean Bandit werden auch weiterhin ihre Finger in Wunden legen und sich um politische Vorkommnisse kümmern - vor allem live wird man das Trio in nächster Zeit sicher öfter sehen. „Es ist natürlich eine Art von Nomadenleben, aber wir haben uns das so ausgesucht. Seit wir unterwegs sind, haben wir noch nie eine wirklich anständige Pause gemacht. Das sollten wir vielleicht einmal in Betracht ziehen, aber derzeit ist ohnehin keine Zeit dafür.“ Für weitere Kooperationen hat Chatto auch schon ganz Bestimmte Namen im Hinterkopf: „Vor allem Rapper wären interessant. Bryson Tiller wäre einer meiner Favoriten. Ich würde aber auch sehr gerne mit Bruno Mars, Lana Del Rey oder Miley Cyrus zusammenarbeiten.“ Wer Songs mit Elton John kappen kann, dem sind ohnehin keine Grenzen gesetzt…

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