„Krone“-Interview

Mogli: Der Soundtrack zum Gesellschaftsausbruch

Musik
14.05.2018 07:00

Wenn es um naturbelassene, atmosphärische und cinematische Singer/Songwriter-Klänge geht, ist man bei der erste 24-jährigen Mogli goldrichtig. Die rastlose Weltbummlerin hat mit „Wanderer“ eines der kräftigsten Folk-Alben des letzten Jahres veröffentlicht und arbeitet gerade mit Hochdruck an der EP „Cryptic“ und weiteren Songs. Im „Krone“-Interview erzählt sie von ihrer Reiselust und was es heißt, im Leben das Glück zu finden.

(Bild: kmm)

Koffer packen, Wohnungsschlüssel abgeben und die Tür zum bisherigen Leben schließen. Was vielen in den täglichen Büroalltagsträumen in den Sinn kommt, haben Selima Taibi und Felix Starck vor zwei Jahren einfach beinhart durchgezogen. Eingeengt vom Stress der Metropole Berlin ist das junge Künstlerpaar für ein knappes Jahr ausgebroche, um mit einem umgebauten Schulbus durch Kanada und die USA zu kreuzen. Aus dem Ziel, einen Film zu drehen entstanden schlussendlich zwei Karrieren. Stark reüssiert seitdem als Filmemacher, Taibi alias Mogli, schrieb in der atemberaubenden Atmosphäre unberührter Natur ihr zweites Album „Wanderer“, das 2017 zweifellos zu den eindringlichsten und intensivsten Stücken Singer/Songwriter-Kunst mit Folk-Anstrich zählte. Während der Reise fanden die zwei Abenteurer sich selbst, danach wurde Mogli vom Rampenlicht gefangen. Bei ihrem ersten Österreich-Gig im Wiener WUK spielte sie vor mehr als 600 Leuten - kurz davor nahm sich die 24-Jährige Zeit, um mit uns bei strahlendem Frühlingssonnenschein über ihr einzigartiges Leben, ihre Musik und den Wunsch nach Ruhe zu sprechen.

„Krone“: Mogli, mit deinem Album „Wanderer“ gelang dir letztes Jahr ein wunderbares, zurückgelehntes Singer/Songwriter-Werk und unlängst hast du erstmals in Österreich live gespielt, im Wiener WUK. Welche Beziehung hast du zu diesem Land?
Mogli:
Es wurden rund 600 Tickets für das erste Konzert hier verkauft und es freut mich, dass ich so gut ankomme. Ich war privat mal hier, aber noch nie als Musikerin. Die „Cryptic Europe Tour“ war erst die zweite in meinem ganzen Leben und sie führte mich auch nach London, Amsterdam und Groningen. Das sind ganz besondere Erlebnisse, auch international anzukommen, weil auch die Kultur ganz anders ist. Ich sehe zudem erstmals, dass das Publikum total unterschiedlich ist und die Leute ganz unterschiedlich auf meine Musik reagieren.

„Wanderer“ kam ohne Vorschusslorbeeren und großes Label im Hintergrund bis auf Platz 44 der deutschen Charts. War das ein konkretes Ziel oder eher eine große Überraschung?
Es ist das zweite Album, aber das erste, das ich richtig ernst gemeint habe. (lacht) Ich habe ein sehr kleines Team. Meine Managerin, einen Vertrieb, der mir ein bisschen hilft, und eine Band. Ich wusste nicht, dass Charten im Bereich des Möglichen ist. Ich finde es total arg, dass wir so viele CDs verkaufen. Ich habe sehr viel Herzblut in das Album gesteckt und freue mich, dass es so viele hören. Es ist auch meine Priorität, in diesem Rahmen weiterzuarbeiten, weil das viele Vorteile hat. Ich fühle, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen.

Deine Songs sind sehr sanft, zurückgelehnt und entschlackt. Ist dir das als Songwriterin wichtig, dass die Nummern nicht so überkandidelt sind wie das meiste, das sich in den gängigen Charts tummelt?
Darüber denke ich beim Songschreiben gar nicht nach, die Nummern entstehen im Moment. Heuer bringe ich eine EP raus, von der es den Song „Constant“ bereits zu hören gibt. Das ist ein Übergang von „Wanderer“ zum nächsten Werk, aber es klingt schon anders. Die Songs haben einen anderen Vibe, gehen mehr nach vorne und die Leute nehmen das live gut auf, da war ich anfangs noch unsicher.

Eine ganz profane Frage - warum eigentlich Mogli?
Ich wollte immer einen Künstlernamen, kam aber erst ein halbes Jahr nach Karrierebeginn drauf. Meine Mama hatte mich schon so genannt und Felix, mein Freund, nannte mich dann später unabhängig davon auch so. Die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben hatten denselben Spitznamen für mich, das war ein Zeichen. Ich war immer gerne in der Natur, hatte oft nur eine Unterhose an und kletterte auf Bäume. Ich war eben ein totales Mogli-Kind. (lacht) Alles andere hat sich nicht nach mir angefühlt und Mogli machte Sinn.

Welche musikalischen Vorbilder haben dich geprägt?
Ich höre gar nicht die Musik, die ich selbst mache. Ich habe keine musikalischen Vorbilder im Sinne der Musik selbst, sondern ich schätze Personen für ihre Entscheidungen. Ich finde es toll, dass alt-J ihr Erfolgsalbum hatten und seitdem immer weniger kommerziell werden - das ist mutig und gut. Oder auch Lorde, die für ihre erste Single einen Grammy gewann. Dann hat sie vier Jahre lang gar nichts gemacht, bis sie bereit war, sich mit einem Produzenten ein Jahr einzusclhließen und ein megageiles Album zu veröffentlichen. Das ist für mich ein Vorbild, weil die Künstler dahinterstehen und sich in gesundem Maße selbst feiern. Ich mag auch sehr gerne Bon Iver oder Ben Howard.

Du hast 2016 mit deinem Freund und Filmemacher Felix Starck eine elfmonatige Reise durch die USA gemacht, wo dann ein Film und eben dieses Album entstanden sind. Wie kam es überhaupt zu dieser Reise?
Vor der Reise wohnten Felix, ich und unser Welpe in Berlin. Wir hatten ein schönes Loft, Erfolg mit seinem Film und ich bekam Preise für mein Album. Irgendwie war der Alltag aber langweilig und wir saßen nur noch vorm Laptop. Wenn man kein Label hat, muss man alles selbst organisieren und das kostet Zeit. Berlin war uns auch zu laut, zu dreckig und es waren zu viele Leute. Wir saßen abends in einer Pizzeria und sahen online, dass jemand seinen Schulbus umgebaut hätte. Da wir beide sehr extreme Menschen sind, haben wir schnell über alles nachgedacht und sind zum Entschluss gekommen, Deutschland und einen festen Wohnsitz hinter uns zu lassen.. Wir haben am nächsten Tag einen Bus in den USA gefunden und gekauft. Wir haben die Wohnung aufgelöst, die Sachen verkauft und der Hund brauchte Impfungen. Wir sind einfach ins Chaos gestürzt.

Und ihr seid dann von Nordamerika bis runter in den Süden getrampt.
Angefangen haben wir im Osten, weil dort der Bus stand. Da wir kein Visum hatten, mussten wir erst mal von Ost nach West Kanada durchqueren und sind dann von Alaska aus runtergefahren. Über den Grand Canyon direkt bis nach Mexiko, wir hatten keine Route, sondern machten alles spontan. Dass wir die Reise dokumentieren und einen Film daraus machen, das war immer geplant. Ich hatte zudem Lust auf neue Musik und fühlte mich in Berlin zu gefangen dafür. Ich habe ein E-Piano und eine Akustikgitarre mitgenommen und habe dort einfach gespielt und aufgenommen. Wir hatten Solarenergie, eine eigene Toilette und Wassertanks und standen oft weit weg von der Zivilisation. Ich habe dann mitten im Nichts in Alaska unmittelbar Songs geschrieben, umrundet von Bergen. Da siehst du erst, wie klein du als Mensch auf dieser Welt bist. Nach der Rückkehr habe ich mir zur Aufgabe gemacht, dass ich die neuen Songs ganz anders haben will. Musik ohne Einflüsse und deshalb habe ich mich mit verschiedenen Produzenten in ein Studio gesetzt und komponiert. Somit heißt die EP „Cryptic“, weil ich es einfach fließen ließ. Das war eine ganz andere Erfahrung, machte aber auch extrem viel Spaß. Es kam sehr viel aus dem Unterbewusstsein, aus dem Gefühl.

Die Songtitel und Songs selbst auf „Wanderer“ waren teilweise sehr geografisch bezogen, was sich klar aus dieser Reise ergab. Inwiefern ist das auf der kommenden EP „Cryptic“ jetzt anders?
Auf der Reise war das nicht nur äußerlich inspiriert, denn ich dachte auch über mich selbst nach. Es war ja niemand da und ich war weit weg von zuhause. Ich habe versucht, die Bilder von Bergen oder einer epischen Weite zu benutzen um zu beschreiben, was in mir selbst vorgeht. Mit dem Reisen startet immer ein Reflektionsprozess. In „Alaska“ geht es nicht um den Ort, sondern um meine Gefühle. Ich arbeite hier viel mit Metaphern. Auf „Cryptic“ erkläre ich mich weniger genau, sondern ließ dafür einfach die Gefühle raus. Am Ende drehen sich aber alle Songs um mich und wie ich mich spüre. Ich werde die Songs einzeln veröffentlichen, im Zweimonats-Takt. Ob die EP physisch kommt, weiß ich noch gar nicht. Es sind ja nur fünf Songs. Eigentlich vier Songs plus Intro. (lacht) Ich wollte mir und den Leuten mehr Zeit geben, denn 14 Songs auf einmal war letztes Jahr fast etwas viel.

War es auch von Anfang an die Intention, neben dem geplanten Film auch das Album „Wanderer“ herauszubringen?
Wir haben gesagt, dass wir gerne einen Film machen wollen, aber wir mussten eine Geschichte zu erzählen haben. Wir gingen sehr ungezwungen an die Sache ran, aber zum Glück fanden wir etwas zu erzählen und ich war stolz auf die Songs. Sonst hätte ich das auch gelassen. Die Musik trägt den Film sehr emotional und als Musikerin kann ich den Fans zeigen, wie die Songs entstanden sind und inspiriert wurden. An Weihnachten kam ich zurück, ging im Februar 2017 ins Studio und veröffentlichte im Mai das Album.

Diese Geschichte hat eine klare „Into The Wild“-Romantik, von dem legendären Buch über den Aussteiger Chris McCandless. Ist so eine Reise tatsächlich so romantisch, oder würdet ihr sie nie wieder machen?
Da steckt auf jeden Fall beides drin. Es ist einerseits natürlich naturromantisch und wahnsinnig intim, als Familie auf so engem Raum zu sein. Gleichzeitig ist es aber extrem anstrengend, jeden Tag woanders aufzuwachen. Ich würde nicht noch einmal so lange wegfahren. Zwei bis drei Monate reichen und dann wieder heim- und ankommen. Wir waren durch die Wohnungsauflösung komplett frei, aber als Fazit würde ich sagen, dass wir schon gerne ein Zuhause haben. Wir haben uns jetzt ein Grundstück in der Pfalz, an der südlichen Weinstraße, gekauft, um dort ein Haus und ein richtiges Nest zu bauen.

Wenn man so einen Film plant, muss man ja auch aufpassen, dass man nicht der x-te, gleichförmige Influencer-Reiseblogger ist. Habt ihr das im Vorfeld bedacht?
Ich finde unseren Film nicht wahnsinnig tiefgründig und wir hatten nicht den Anspruch, jemandem etwas beizubringen. Hass im Internet verstehe ich nicht, ich würde einfach weiterklicken. Wir wollten einfach unser Leben und uns abbilden. Wenn jemandem etwas Anderes wichtig ist, ist das auch okay. Ich gebe auch bewusst nie Tipps, denn jeder hat andere Bedürfnisse, wenn es ums Reisen geht.

Das geht gegen all die Menschen, die immer behaupten, als Künstler müsse man in Deutschland in Berlin sein, weil es das Epizentrum für eine erfolgreiche Karriere im Kulturbereich sei.
Viele hätten Angst was zu verpassen, aber ich will einfach das machen, was ich möchte. Manchmal fehlt mir die Stadt, aber ich bin auch immer wieder dort, viel auf Tour und habe Band und Freunde in Berlin. Ich habe zwei Lebensstile und das ist wunderschön. Ich mache es einfach andersrum als die meisten. Andere fahren am Wochenende aufs Land, um sich vom Dauerstress zu entspannen. Ich sitze im Winter vorm Kamin und im Sommer vorm Teich und wenn mir fad wird, fahre ich eine Woche nach Berlin. Für Felix und mich ist das eben das Richtige.

Ihr habt offenbar euer Glück gefunden - mitunter auch durch die Reise. Kann man diese Form von Glück an irgendwas Bestimmtem festmachen?
Glück sollte ein Dauerzustand sein und nicht eine Emotion wie Freude oder Spaß. Die Reise selbst war nicht das Glück, sondern pure Freude. Glück macht für mich zum Beispiel aus, dass ich jeden Morgen aufwache und zufrieden bin. Wir haben auch gelernt, dass es für uns nicht funktionierte, nicht immer ausbrechen zu wollen. Das Nomadenleben ist für mich nichts, diese Erkenntnis habe ich gewonnen. Ich will auf jeden Fall immer zurückkommen können und eine Balance zwischen meinen beiden Leben haben. Frühstücken, mit den Hunden raus im 200-Seelendorf und dann wieder auf Tour in die großen Metropolen.

Was waren die größten High- und Lowlights dieser Reise?
Ganz viele Orte und von der Natur her war Alaska unglaublich. In Deutschland bist du nirgends so weit weg von der Zivilisation. Ich habe schon mal alleine eine zweiwöchige Reise durch die Wüste gemacht mit den Beduinen, aber auch das war kein Vergleich mit dieser US-Reise. Die Menschen kommen aus den verschiedensten Kulturen, haben aber die gleichen Sorgen und gleichen Wichtigkeiten im Leben. Die Reise hat mich sicher verändert. Es ging vieles schief, weil wir nichts planten. Natürlich gab es anstrengende Momente, als wir nicht in die USA kamen, oder der Hund krank wurde. Glück ist nicht immer nur glücklich zu werden, sondern mit Unglück umgehen zu können. Ich bin einfach ausgeglichener und sehe das Leben viel entspannter.

War es nach der langen Reise schwierig, dich wieder an das normale Leben, Termine und Pläne zu gewöhnen?
Das hatte ich sonst immer, dass das Ankommen superschwer war. Dieses Mal haben wir es aber geschafft, das Freiheitsgefühl in den Alltag zu integrieren. Es soll nicht immer alles so extrem sein. Einerseits 9-to-5-Job und dann drei Wochen Freiheit in Thailand, das ist nichts für uns. Ich erinnere mich gerne an die Reise zurück, kann mir auch Fotos und Film ansehen, aber ich habe gelernt, dass ich mich durchsetze und mein Leben im Griff habe. Ich mache sehr viel nicht, worauf ich keine Lust habe. Das klappt mittlerweile ganz gut, nicht jeden Tag mit Rücksicht auf irgendwen zu leben.

Hast du bestimmte Bilder vor dir, wenn du Songs schreibst?
Eigentlich gar nicht. Ich saß im Bus, fuhr durch die Landschaft, bekam eine idee und die kanalisierte sie in einen Song. Was ich sah, das habe ich einfach als Metapher benutzt und manchmal habe ich auf Englisch die Landschaft beschrieben und das später benutzt. Es waren alles Momentaufnahmen, ohne besondere Bilder. Ich hatte auch wirklich nur diese 14 Songs geschrieben und sonst nichts mehr in der Hinterhand. (lacht)

Wie sollten die Menschen deine Musik rezipieren? Was sollte vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen?
Ich will den Leuten nichts vorschreiben, kriege aber sehr ähnliches Feedback. Sie freuen sich, dass sie zum Träumen angeregt werden. Unlängst hat nach einem Konzert einer gesagt, dass er sich so entspannt fühlt wie nach dem Yoga. (lacht) Die Leute sollen in den Sound eintauchen können, gar nicht so viel nachdenken, viel fühlen und träumen.

Wie sieht deine musikalische Zukunft aus? Wie geht es bei dir weiter?
Ich habe immer Lust auf das, das ich noch nicht machte. Bis jetzt habe ich mein Album komplett mit Band aufgenommen und eingespielt und bei der EP habe ich mit mehreren Produzenten gearbeitet und selbst kreativ mitproduziert. Als nächstes hätte ich Lust, mit meiner Band gemeinsam Musik zu erschaffen. Ich würde sie gerne auf dem Land einladen, in einem großen Raum zu proben und aus einem anderen Kontext Musik machen. Mir machen Veränderungen total viel Spaß und vielleicht ende ich irgendwann mit Orchester. (lacht) Meine Musiker verstehen meinen Vibe total gut und ich bin extrem teamfähig. Durch jemand anderen werde ich nur noch mehr inspiriert. Auf der Tour sind wir wie eine Familie und ich habe mich sehr gut mit ihnen allen angefreundet.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele