UN-Chef im Interview

Ban: "Trump wird verantwortungsvoll handeln"

Ausland
09.12.2016 17:08

Am 31. Dezember räumt Ban Ki Moon nach zehn Jahren Amtszeit seinen Sessel. Bei seinem letzten Auslandsbesuch als UNO-Generalsekretär traf er auch mit "Krone"-Redakteur Kurt Seinitz zusammen. Im Interview gibt sich Ban bezüglich der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten optimistisch: "Ich bin überzeugt, dass er in jener globalen Verantwortung handeln wird, die der führenden Rolle der USA in der Welt zukommt." Die Bilanz des UN-Chefs zum Ende seiner Amtszeit fällt insgesamt kritisch aus.

"Krone": Herr Generalsekretär, die Welt ist außer Kontrolle, die Welt fällt auseinander. Sie haben während ihrer Amtszeit versucht, sie zusammenzuhalten. Sind Sie enttäuscht, weil Sie nicht mehr tun konnten? Ich habe sie manchmal sehr zornig erlebt.
Ban Ki Moon: Wir sehen so viele Krisenherde. Ja, ich war manchmal schockiert über den Mangel an Mitgefühl, den so manche Politiker gegenüber ihrem Volk empfinden. Ich habe sie gedrängt und gedrängt, auf die Stimmen ihrer Völker, auf die Erwartungen ihrer Völker zu hören, aber sie sind taub. Nichtsdestoweniger setzen die Vereinten Nationen ihre Bemühungen für den politischen Dialog fort.

Was aber nicht übersehen werden sollte, ist die Tatsache, dass die UNO täglich Zehntausenden Menschen in Not hilft. Auch setzen sich Staatsführer für eine nachhaltige Entwicklung in der Welt ein. Denken wir nur an das starke Signal, das auf der Pariser Weltklimakonferenz gesetzt worden ist. Auch wenn wir bei so vielen Krisenherden ein kollektives Versagen der internationalen Gemeinschaft feststellen, so ist die Einigung auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung der Welt und das Abkommen gegen den Klimawandel eine kollektive Errungenschaft in unserer Welt.

Gutes Gespräch mit Donald Trump
Die Welt braucht Stabilität. Nun sind viele Menschen über die Präsidentschaft des Donald Trump besorgt. Sie auch?
Ich kenne diese Befürchtungen. Wir wissen, dass in Wahlkämpfen viele harte Dinge gesagt werden. Wenn Herr Trump nun gewählt und bald der Präsident der Vereinigten Staaten ist, hoffe ich und bin ich überzeugt, dass die Leute um ihn herum im Amt und die Treffen mit ausländischen Führern sicherstellen, dass die USA weiterhin eine politisch und wirtschaftlich verantwortungsvolle Rolle in der Welt spielen werden. Ich hatte einige Tage nach der Wahl ein Telefongespräch mit ihm. Wir diskutierten eine ganze Reihe von Fragen. Es war ein gutes Gespräch. Ich bin überzeugt, dass er in jener globalen Verantwortung handeln wird, die der führenden Rolle der USA in der Welt zukommt.

Atomabkommen mit Iran läuft nach Plan
Es ist schon zu Unstimmigkeiten über den unter UNO-Schirm erzielten Atomvertrag mit dem Iran gekommen. Trump sagte, er mag ihn nicht, und Teheran nennt die Verlängerung der vom US-Kongress verhängten Sanktionen einen Vertragsbruch.
Die Sanktionen des US-Kongresses sind nicht Teil des Vertrages. Sie sind weit älteren Ursprungs. Die Umsetzung des Abkommens zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft, insbesondere mit den USA, läuft nach Plan, und in diesem Prozess werden auch die Sanktionen aufgehoben, die der UNO-Sicherheitsrat verhängt hatte.

Sicherheitsrat bedarf Reform
Die UNO leidet unter wachsendem Autoritätsverlust, weil der Sicherheitsrat keine Lösungen liefert. Dessen Strukturen aus der Gründungszeit sind schon längst überholt. Reformversuche sind wiederholt gescheitert. Haben Sie die Zauberformel?
Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten erlebt, dass die UNO einen großen Beitrag zur Erhaltung von Frieden und Stabilität sowie zum Schutz der Menschenrechte leisten kann, wenn der Sicherheitsrat einig ist. In der Syrien-Krise sehen wir leider die Folgen, wenn unter den fünf ständigen Mitgliedern, die auch das Vetorecht haben, Uneinigkeit herrscht. Viele Mitgliedsstaaten fordern seit Jahren, dass die Struktur des Sicherheitsrates demokratischer und transparenter werden soll. Das ist nur logisch angesichts der Veränderungen, die in der Welt eingetreten sind. Die Mitgliedsstaaten sind sich darüber einig, dass es diese Anpassungen geben soll, aber leider keine Einigung gibt es über das "Wie". Es ist höchste Zeit, dass die Mitgliedsstaaten ihrer globalen Verantwortung nachkommen.

Militärisch keine Lösung in Syrien
Syrien ist die größte Tragödie in unserer Zeit. Welche Lehren können wir daraus ziehen, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen?
Eine Lehre ist: Es gibt in Krisen wie diesen keine nachhaltigen militärischen, sondern nur politische Lösungen, etwa durch die Schaffung einer Übergangsregierung mit allen sicherheitspolitischen Befugnissen. Eine andere Lehre ist: Die internationale Gemeinschaft soll sich solidarisch ihrer humanitären Verantwortung besinnen. Ich erinnere daran, dass die UNO die überlebenswichtige Versorgung von Millionen Kriegsflüchtlingen organisiert.

Globale Verantwortung in Migrationskrise
Eines der brennendsten Probleme in Europa ist die Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationskrise. Die Aufnahme einer so großen Zahl in so kurzer Zeit aus anderen Kulturkreisen führt zu Spannungen.
Wir haben heute 65 Millionen Flüchtlinge auf der Welt - die größte Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg - und 130 Millionen Menschen, die auf eine tägliche Unterstützung angewiesen sind. Dazu bedarf es einer globalen Anstrengung und einer globalen Verantwortung. Man kann kein einzelnes Land damit allein lassen. Man kann die EU damit nicht allein lassen. Wir haben eine globale Verantwortung, die Bürde zu schultern.

Neue Karriere als Präsident von Südkorea
Ihre erste Heimat - Sie nennen Österreich ja Ihre zweite Heimat -, Südkorea also, braucht dringend einen neuen Präsidenten. Sind Sie der Kandidat?
Ich diene der UNO bis zu meinem letzten Amtstag am 31. Dezember. Danach werde ich diese Frage mit den gesellschaftlichen Kräften in meinem Land zu besprechen haben. Mein Land durchlebt zurzeit politische Schwierigkeiten. Wir hatten in meinem Land in den letzten 70 Jahren große politische Schwierigkeiten durch gesellschaftliche Solidarität und Weisheit überwunden. Man sagt, dass wir in der Demokratie und in der Wirtschaft ein sehr erfolgreicher Staat wurden. So bin ich fest davon überzeugt, dass wir auch die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden.

Sie sind dazu jung genug. Soeben wurde ein Mann gleichen Alters, Alexander Van der Bellen, bei uns zum Präsidenten gewählt.
Ja, wir hatten bei unserem Gespräch festgestellt, dass wir beide im gleichen Jahr, 1944, geboren wurden, Van der Bellen aber sechs Monate älter ist. Ich fand seine humanitäre Einstellung und Weisheit sowie seine Hingabe für sein Land beeindruckend. Ich wünsche ihm allen nur erdenklichen Erfolg. Ich werde ihm auch als ehemaliger Generalsekretär und auch als Privatperson zur Seite stehen und ihn unterstützen. Wir haben vereinbart, uns wieder zu treffen.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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