Dicker Büro-Freund

Sony Ericsson P990i im Test

Elektronik
05.12.2006 22:36
Mit Sequels ist das bekanntlich so eine Sache – bei schätz-o-metrisch zwei Drittel der Blockbuster floppt die Fortsetzung. Nachfolgemodelle von Handys, die fast nahtlos an den Vorgänger anknüpfen, sind vielleicht auch deswegen eine Seltenheit. Aber warum den kompletten Garten umgraben, wenn die alten Pflänzchen noch farbenfroh blühen? Sony Ericssons neues Organizer-Handy P990i unterscheidet sich wenig von seinem Vorgänger, dem P910i, das sich schon kaum von seinem Vorgänger, dem P900, unterschieden hat, welches wiederum seinem Vorgänger, dem P800, sehr ähnlich war. Und der Apfel wurde jetzt wieder nicht sehr weit vom Stamm fallen gelassen – deswegen ist auch das P990i kein schlechtes Handy geworden.

Soviel ist klar: der P990i-Benutzer liebt Ordnung. Schon beim ersten Modell wurde das etwas klobige Mobiltelefon als reinrassiges Organizer-Handy definiert. Auch heute rüttelt Sony Ericsson nicht an diesem Status. Die 2-Megapixel-Kamera mit Blitz des P990i versprüht zwar äußerlich etwas „Multimedia-Flair“, die Aufgeräumtheit und gänzliche Unverspieltheit, die einem begegnet, sobald man den ersten Eintrag im Hauptmenü öffnet, verkündet aber nur eines: Hier wird gearbeitet.

Die Kontakt-Einträge sind standardmäßig nach dem Nachnamen sortiert und bei jedem Anrufer, der nicht im Telefonbuch eingetragen ist, fragt das Handy, ob man die Rufnummer speichern möchte. Die Organizer-Funktion wirkt übersichtlich, aber kühl. Die Kalenderblätter – sie können Monate, Wochen oder auch bloß einen Tag zeigen – sind schmucklos in Weiß gehalten und werden nur durch schlichte Symbole, die auf die Art des Eintrags (Termin, Erinnerung, Ganztagsereignis, Jahrestag) hinweisen, aufgepeppt. Das führt zu ausgezeichnet Lesbarkeit.

Immer schon etwas Besonderes ist die Art der Bedienung bei P990i und Vorgängern. Telefoniert wird, wie bei einem ganz normalen Handy, mit dem Tastatur- und Navigationsblock, der sich an der Außenseite der robust wirkenden Klappe befindet. Im zugeklappten Zustand bleiben ca. 15% des Displays darunter verborgen. Des Weiteren hilft ein an der linken Außenseite befindliches Scrollrad mit Druckfunktion beim Navigieren durch die Menüs. Aufgeklappt wird mit Scrollrad, Tippstift und der QWERTZ-Tastatur gearbeitet. Das nun vollständig benutzbare Touchscreendisplay kann von Feinfühligen auch mit den Fingern bedient werden, die QWERTZ-Tastatur kann nur von den Feinfühligeren mit den Fingern bedient werden. Der Rest grobfingerige Minderheit – und das hat sich unter langjährigen P900- bzw. P910-Usern angeblich so eingebürgert – tippt mit dem umgedrehten Stift auf die Tasten, was mit Zeit und Übung schneller zum Ergebnis führt, als die Fingermethode.

Erfreulich ist beim P990i, dass der Tastaturblock nun nicht mehr auf der Innenseite der Klappe liegt, sondern dahinter, fix im Telefon integriert. Das nimmt der Sache zwar ein wenig den Nervenkitzel, da man nun weitaus seltener in die Situation kommt, die Verankerung der Klappe einer Zerreißprobe nach dem Motto „Na, wie weit geht’s denn?“ zu unterziehen – am Ende ist es aber die vernünftigere Lösung. Außerdem kann die Klappe nun auch abgenommen werden und der Benutzer der voll Manager-mäßigen Stift-und-Tastatur-only-Bedienung frönen. Durch die Neuplatzierung des Tastaturblocks fehlen dem Display im Vergleich zum Vorgänger allerdings knapp anderthalb Zentimeter in der Länge, womit Sony Ericsson Angesichts der immer größer werdenden Displays gegen den Strom schwimmt. Das Touchscreen-Display und der Tippstift – der Mangels vollständiger Gummi-Ummantelung nach längerer Benutzung etwas rutschig wird – arbeiten hervorragend. Im Test gab es keinerlei „Geisterbewegungen“, auch Reaktionsverzögerungen sind nur beim Öffnen von größeren Programmen oder beim Scrollen durch längere Dokumente bemerkbar und liegen dort im Bereich des auf alle Fälle Erträglichen.

Die Office-Funktionen des P990i sind vielseitig und dabei auch erweiterbar. Standardmäßig sind PDF-Reader, die Quick-Office-Versionen von MS Word und Excel, Rechner, Stoppuhr & Countdown, Diktierfunktion und ein Einheitenumrechner mit an Bord. Auch eine virtuelle Notizzettelsammlung samt Handschriftunterstützung, mit der sich während eines Meetings vorzüglich Mondgesichter kritzeln lassen, steht zur Verfügung. Durch die integrierte WLAN-Funktion ist auch das Abrufen und Senden von E-Mails ohne Zusatzkosten möglich. Surfen im Web funktioniert sowieso, wobei man auch auf Flash-Unterstützung nicht verzichten muss. Der RSS-Reader kann Webfeeds auslesen. 

Das ist aber nur der Anfang, denn Dank des Symbian-Betriebssystems, lassen sich haufenweise Zusatzapplikationen wie Navigationsfunktion oder Translationssoftware und dergleichen installieren. Die Integration der Software-Plattform in die Hardware-Architektur hat man beim P990i recht gut hinbekommen. Im Test gab es hin und wieder zwar kleine Verzögerungen und ein paar unrunde Momente, richtig „hängen geblieben“ ist das System aber nie. Neben einer USB-, Infrarot- und Bluetooth-Schnittstelle können Daten auch per Memory Stick ans Handy transferiert bzw. wichtige Daten vom Handy am PC gesichert werden. Gerade beim Installieren neuer Software erweist sich das als praktisch, da man die Installationsdatei direkt vom Memory Stick starten kann. Intern stehen dem P990i-Besitzer etwas mehr als 60 Megabyte Speicher zur Verfügung.

So weit so gut. Hakelig wird’s beim P990i erst, wenn man den Organizer-Klotz (Sorry, aber es ist immer noch eines der größten und vor allem auch dicksten Handys am Markt) zum Multimedia-Riesen machen will. Die Audioplayer-Software im P990i ist zwar jederzeit einsatzbereit, mit einem MemoryStick voll großer MP3s hat das Teil allerdings schwer zu kämpfen und lässt sich recht zäh in Bewegung bringen. Die Radio-Funktion bereitet dem P990i dagegen keine Probleme. Die Klangqualität des Headsets ist erfreulich. Auch die 2-Megapixel-Kamera liefert ordentliche Bilder, von denen man das eine oder andere auch ausdrucken könnte. Bloß bei der Entwicklung der Kameraabdeckung ist Sony Ericsson unachtsam gewesen. Wie bei einem altmodischen Pfefferstreuer schiebt man die runde Scheibe, die das Objektiv abdeckt, zur Seite, bis die Kamera durchs Loch guckt. Sodann wird der Kameramodus in beachtlichen zwei Sekunden initialisiert und man kann loslegen. 

Bloß war der Objektivschutz bei unserem Test-Gerät sehr leichtgängig und verselbstständigte sich in der Umhängetasche. Die Folge: Das P990i verharrte im Kameramodus bis der Akku schwach wurde – und das ging recht schnell und passierte im 14-Tage-Dauertest insgesamt drei Male. Da die Objektivabdeckung gleichzeitig auch die Tastensperre deaktiviert, kam es einmal vor, dass eine unschuldige Redakteurs-Großmutter von einem spätabendlichen Anruf, bei dem es sich offenbar um einen Telefonscherz gehandelt haben muss, da der Anrufer nur Schab- und Kratzgeräusche und kaum hörbares Straßenbahngebimmel von sich gab, aus dem Prime-Time-Tiefschlaf geholt wurde. Zumindest wurde davon der Akku nicht entleert...

Sieht man über diese kleine Unzulänglichkeit hinweg – schließlich findet sich ein P990i unter Garantie häufiger in einer samtig weichen Sakko-Innentasche, als in einer mit technischem Krimskrams vollgestopften Umhängetasche – bleibt ein sowohl preislich (495,- Euro frei, die ersten Vertragsmodelle gibt’s für 399,- Euro) als auch technisch attraktives Organizer-Handy, dem durch die modelpflegerischen Streicheleinheiten ein behutsames Update widerfahren ist und das in erster Linie zwar im Office zuhause ist, aber ganz gewiss auch für die "organisierten Versprecher" im Alltag taugt.

Christoph Andert

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