Fakten zu Bus-Chaos

Einmal zu Mozart und gleich wieder weg

Salzburg
13.07.2017 21:54

Fünf Millionen Touristen besuchen pro Jahr die Stadt Salzburg. 2,8 Millionen davon nächtigen hier. Einmal zu Mozart und gleich wieder weg. Das Chaos mit den Reisebussen zeigt es ganz deutlich auf: Die Kulturstadt prostituiert sich für die Massen. Wir zeigen sieben Fakten zu diesem brennenden Thema auf.

1. Hunderte Reisebusse fahren völlig unkontrolliert durch die Stadt.

Jeder Autofahrer und jeder O-Bus-Fahrgast kann es jeden Tag aus nächster Nähe sehen: Vor allem ausländische Reisebus-Lenker scheren sich keinen Deut um die Vorschriften. Sie parken in Öffi-Haltestellen, fahren bei Rot in Kreuzungen und lassen stundenlang den Motor laufen.

Sieben Fakten zu Salzburgs Bus-Chaos

2. Im Schritt-Tempo Sightseeing in der Innenstadt und am Weiher.

"Der Verkehrsfluss darf nicht mutwillig gestört werden" sagt die Straßenverkehrsordnung. Sogar Doppelstock-Busse schieben sich im Schritt-Tempo durch die Stadt, schieben im Landschaftsschutzgebiet Leopoldskroner Weiher zurück, um den Gästen einen Blick auf das Schloss samt der "Sound of music"-Kulisse zu bieten.

3. Der direkte Weg zum Geburtshaus des Genius ist der schnellste.

Von der Paris Lodron Straße in der Neustadt über die Schutzwege beim Makartplatz (sie sind oft Viertelstunden-lang völlig blockiert), weiter über den Makartsteg und gleich in die Getreidegasse: Deshalb fahren die Reisebusse den Terminal Nonntal nicht an. Es muss "quickly" gehen.

Kulturstadt prostituiert sich für Massen

4. In der Paris Lodron Straße werden sämtliche Vorschriften des Umweltschutzes und der Straßenverkehrsordnung gebrochen.

In Wirklichkeit ist das natürlich kein Bus-Terminal (Ausdruck für Station), sondern ein ungeeigneter Abstellplatz direkt an einer historischen Mauer.

5. Heimische Fremdenführer würden ihnen die vielen Schönheiten zeigen.

Weder den Sebastian-Friedhof noch die romantische Linzergasse noch die Jahrhunderte alten Kirchen bekommen die durch die Stadt gehetzten Touristen zu sehen, denn die heimischen Fremdenführer werden durch mitgebrachte Guides "ausgebremst".

6. Kaufleute im Kaiviertel vermissen Kundschaft.

Weil der um eine Million Euro errichtete "echte" Bus-Terminal Nonntal (samt Luxus-Toilette mit selbstreinigendem WC) leer ist, gehen wenig Touristen durch das romantische Kaiviertel.

7. Stadttourismus ist überängstlich und fürchtet Gäste zu verlieren.

Jede Forderung nach einer ordentlichen Regelung wird sofort als Anschlag auf den Tages-Tourismus betrachtet.

Salzburg ist so ein Magnet, dass man auch durch strengere Regeln keinen Gast verlieren würde.

Kraftvolle Regierung für die schöne Stadt!

Es soll ja nicht so energisch bis brutal zugehen, wie einst unter Rathaus-Legende Helmut Zilk: Weil ihn die Autos am Tuchlauben so störten, erklärte er das Areal kurzerhand zur Fußgängerzone und ließ danach den Gemeinderat abstimmen.

Aber wie die Stadt Salzburg auf Grund der geltenden Verfassung geleitet werden muss, erscheint reformbedürftig: Langatmige Amtsberichte, die Suche nach Mehrheiten, ununterbrochene Querschüsse. Denn: In der Regierung sind vier Parteien vertreten, die einander täglich das Leben zur Hölle machen. Noch ärger: Im Stadtsenat sind überhaupt alle versammelt.

Bevor es zu den Sitzungen kommt, überfluten die Parteien die Redaktionen mit abstrusen Ideen für den Papierkorb. So taucht im Meer der Sinnlosigkeiten jeden Sommer der gespenstische Tunnel durch den Kapuzinerberg auf. Einfach irr.

Wie beim Spiel Bridge bilden sich Mehrheiten, aktuellstes Beispiel ist das Alko-Verbot. In den Pausen seiner Gerichtsverhandlung versucht der Bürgermeister, möglichst viele Lösungen zusammen zu bringen, ein Einzelkämpfer am Radl.

Diese schöne Stadt braucht eine kraftvolle Regierung.

Helmut Zilk selig hätte das Chaos in zwei Tagen beseitigt: Zuerst die Busse umdirigiert und dann den Gästen höchstpersönlich die verborgenen Schönheiten von Salzburg gezeigt.

Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

Interview - "Keine schnelle Lösung möglich"

Vizebürgermeister Harald Preuner will eine Rückkehr zum Vignetten-System für Busse. Aber die Maßnahme könnte erst nach längerer Vorlaufzeit greifen.

*Herr Preuner, aus Ihrer Sicht wäre es sinnvoll, die Anfang 2006 gekippte Regelung mit einer Vignetten-Pflicht für Busse wieder einzuführen. Wie schnell wäre das umsetzbar?

"Frühestens erst im Sommer 2018. Wenn wir jetzt im Herbst beschließen würden, dass wieder ein Fahrverbot für Busse ohne eine Vignette eingeführt wird, dann kann es erst im nächsten Sommer in Kraft treten. Denn im internationalen Tourismus haben wir mit den Buchungen von Bussen eine wahnsinnig lange Vorlaufzeit. Und bis das alles umgestellt ist, das dauert natürlich."

*Warum hat man das alte System überhaupt abgeschafft?

"Früher war es ja so, dass jeder Bus, der in die Stadt rein wollte, eine Vignette kaufen musste. Damit konnten wir den Andrang regulieren und notfalls auch drosseln. Über die Jahre hat sich dann aber ein gewisses System eingeschlichen, wo Fremdenführer und vor allem asiatische Restaurants auf die glorreiche Idee gekommen sind, das könnte man irgendwie für sich nutzen mit einer Art Refundierung."

Anna Dobler, Kronen Zeitung

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