Julia Scheib hat am Samstag in Sölden den bisher größten Erfolg in ihrer Karriere gefeiert. Und das, obwohl das geplante Nickerchen zwischen den beiden Durchgängen nicht klappte. „Es ist ziemlich laut im Hospitality“, schmunzelt die Siegerin.
Mit dem ersten Riesentorlauf-Sieg einer Österreicherin im Weltcup seit Eva-Maria Brem im März 2016 tilgte sie auch eine ominöse Durststrecke. Dabei stand die Steirerin das erste Mal als Letzte im zweiten Durchgang im Starthaus. „Das ist die Meisterstufe“, lobte ÖSV-Alpinchef Christian Mitter die 27-Jährige. Es sei „ein perfekter Saisonstart für mich“, sagte Scheib.
„Es war oft so das Denken von mir, ich muss 100 Prozent geben, sonst reicht es nicht. Aber das war wirklich ein Irrglaube. Die Lockerheit und der Mittelweg sind, glaube ich, das Geheimnis, richtig schnell zu sein und Rennen zu gewinnen“, führte sie in einem ersten ruhigen Moment nach ihrem Triumphzug aus. Ihr Weltcup-Debüt hatte die Athletin des SC ATUS Frauental schon im Jänner 2018 am Kronplatz gegeben. Verletzungen und Krankheiten bremsten sie anschließend aber wiederholt aus. Ihre erste Top-Ten-Platzierung im Riesentorlauf ließ dadurch bis November 2023 auf sich warten, da war sie Siebente in Killington. Dann ging es schnell und relativ konstant nach oben.
Es war oft so das Denken von mir, ich muss 100 Prozent geben, sonst reicht es nicht. Aber das war wirklich ein Irrglaube.
Julia Scheib
„Rennen gewinnt man mit 80 Prozent“
Den bisherigen Höhepunkt demonstrierte Scheib an diesem Samstag in Sölden. Nach dem ersten Durchgang lag sie gewaltige 1,28 Sekunden vor der zweitplatzierten US-Amerikanerin Paula Moltzan. „Ich war überrascht über den Vorsprung. Aber das war natürlich der Grundstein für den Sieg“, sagte sie nachher. Zwischen den Durchgängen habe sie versucht zu schlafen. „Ich habe mich wirklich hingelegt“, berichtete Scheib, die bereits zwei Kreuzbandrisse und das Pfeiffersche Drüsenfieber hinter sich hat. Beim Versuch sei es allerdings geblieben: „Es ist ziemlich laut im Hospitality.“
Im Sommer hatte Scheib mit neuen Betreuern viel am Material getüftelt, um eine fehlerverzeihende Fahrweise zu etablieren. Immer wieder hatte sie sich schnelle Teilzeiten mit Verschneidern zunichtegemacht. Mehrere Halbzeit-Führungen kamen dadurch nicht zustande. Nun habe sie das perfekte Vertrauen in ihr Paket gefunden – und eine taktische Perspektive dazugenommen.
„Ich habe ihr gesagt, die Rennen gewinnt man mit 80 Prozent“, erklärte der neue Riesentorlauf-Gruppentrainer Martin Sprenger. „Sie will immer 100 Prozent, dann macht sie immer Fehler. 80 Prozent auf einem gleichmäßigen Level – so gewinnt man die Rennen.“ ÖSV-Cheftrainer Roland Assinger hatte im Vorfeld gemeint, das sei „ein Reifeprozess“.
Übung macht die Meisterin
Laut Sprenger sei Scheib zwischen den Durchgängen unbeeindruckt gewesen. „Sie war zwar ein bisschen blass, man hat es ihr ein bisschen angesehen. Aber die ist da völlig cool“, sagte der Tiroler, der schon Nicole Hosp, Hannes Reichelt oder Alexis Pinturault betreut hatte. Im zweiten Durchgang habe Scheib „schon ein bisschen viel taktiert“, befand Sprenger. Als Letzte zu starten, sei allerdings nicht einfach. „Man darf nicht vergessen, sie ist das erste Mal oben gestanden als Führende. Das war schon eine besondere Leistung. Oft ist es einfacher zu gewinnen, wenn du Fünfte bist.“
Über das Training habe sich Scheib aber die Sicherheit für solche Situationen geholt. „Wenn wir einen vierten Lauf gemacht haben, dann sind ungefähr 30 bis 35 Leute schon durchgefahren, ist sie auch im Training oft die schnellste Zeit gefahren“, erzählte Sprenger. Technisch habe er bei Scheib an keinen Stellschrauben drehen müssen. „Skifahrerisch hat sie einfach ein gutes Niveau. Da braucht man nichts neu erfinden.“ Seine Aufgabe sei oft, die Polizeisportlerin etwas zu bremsen. Das werde auch in Zukunft das Rezept sein.
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