Ende der Kreativität

Wie KI-Bots das Internet zum „toten Raum“ machen

Digital
01.07.2025 10:08

KI-generierte Inhalte überschwemmen das Internet – mit unübersehbaren Folgen, nicht nur für die Wissenschaft. Davor gewarnt wurde lange vor ChatGPT. Bereits 1993 äußerte Jean Baudrillard seine Skepsis vor KI.

Thomas Sommerer von der Johannes Kepler Universität Linz hat nun in einem neuen Paper diese Warnung untersucht – und bestätigt Baudrillards Befürchtung.

Im Kern warnte der französische Philosoph und Soziologe Baudrillard 1993 in seinem Essay „Xerox and Infinity“, dass kommunikative Werkzeuge – seien es Worte oder Bilder – durch KI zwangsläufig vom Kontext entkoppelt werden. „Die Konsequenz ist, dass sie dann gewissermaßen ein Eigenleben entwickeln. Aber die KI-Inhalte haben dann keinen kulturellen Hintergrund mehr, aus dem sie entstanden sind“, erklärt Thomas Sommerer von der Art x Science School for Transformation.

Bilder ohne Sinn und Bedeutung
Ein berühmtes Beispiel, das Sommerer genauer untersucht hat: „Shrimp Jesus“. Das von einer generativen KI erstellten Bild von Jesus besteht aus einer Anzahl von Shrimps. Dieses Bild ging viral – zeigt aber ein grundlegendes Problem: „Dieses Bild ist völlig ohne Kontext. Es zeigt bekannte Muster – Jesus und Shrimps - die aber völlig beliebig und in dieser Zusammensetzung inhaltslos sind.“

Was hier nur kurios scheint, kann aber gefährlich werden: „Man hat einst an eine Demokratisierung des Wissens durch das Internet geglaubt. Aber dieser Zug der Demokratisierung des Internets und damit auch von AI ist abgefahren. Denn durch die Überschwemmung mit KI-Inhalten geben wir als Menschheit die kreative Führung ab“, warnt Sommerer. In einer Masse aus kontextlosen Bildern und Sätzen gehe jede Bedeutung verloren. Und: auch jeder Fortschritt.

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Wir meinen zwar, wir hätten hier etwas geschaffen, weil wir einen Prompt eingeben. In Wahrheit ist das aber nur ein Auftrag an die KI, aus bereits vorhandenem Kulturwissen neue Versatzstücke zu bilden.

Thomas Sommerer, JKU Linz

„Wir meinen zwar, wir hätten hier etwas geschaffen, weil wir einen Prompt eingeben. In Wahrheit ist das aber nur ein Auftrag an die KI, aus bereits vorhandenem Kulturwissen neue Versatzstücke zu bilden.“ In der Folge werde nichts Neues mehr zum Wissen oder zur Kultur der Menschheit hinzugefügt – das Internet entwickelt sich zu einem toten Raum (Totes-Internet-Theorie), in dem nur alte Inhalte wieder und wieder aufgewärmt würden. Diese Entwicklung hielt Baudrillard für unausweichlich – und Sommerer hat keinen Anhaltspunkt gefunden, der diese Befürchtung widerlegen würde.

„So wie Jesus angeblich der Bote Gottes war, ist ,Shrimp Jesus‘ der Bote eines fatalen Systems, in das wir uns selbst manövriert haben. Entkoppelt, vermehrt und in einem Zustand exponentieller Metastasierung, an dessen Ende eine kreativ und inhaltlich bankrotte Menschheit steht“, befürchtet Sommerer. Viele Chancen, diese Entwicklung der kreativen Enteignung abzuwenden, sieht er nicht. „Am besten wäre noch, einen verpflichtenden Warnhinweis anzubringen, so wie an Zigarettenpackungen: ,Die Verwendung von AI kann unvorhersehbare kulturelle Konsequenzen haben!‘“

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