ÖAW-Bericht

„Soziale Medien sind eine Gefahr für Demokratie“

Web
27.02.2024 08:20

Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok sind heute fester Bestandteil unseres Alltags - und zu einem dominierenden Faktor in der Meinungsbildung geworden. Eine neue Stellungnahme der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) legt nun eine Bestandsaufnahme vor, die Potenziale und Probleme von Social Media für die Demokratie analysiert und daraus Empfehlungen für die Politik ableitet.

Die Forscher, zu denen unter anderem Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin, Rechtswissenschaftlerin Magdalena Pöschl und Technikfolgenforscher Stefan Strauß zählen, verstehen unter sozialen Medien Online-Plattformen, deren Geschäftsmodell im Verkauf personalisierter Werbung und im Data-Mining, also der automatischen Auswertung großer Datenmengen, besteht.

Die Algorithmen richten sich folglich auf die Optimierung der Wirtschaftlichkeit dieser beiden Aspekte aus. Die Folge: Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit - und damit Einnahmen - spielen Meinungsvielfalt und Faktentreue eine Nebenrolle.

Das ist auch deswegen problematisch, so die Forscher, weil die sozialen Medien vor allem für jüngere Menschen zu einer wesentlichen Quelle von Nachrichten geworden sind, für Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren sogar zur Hauptnachrichtenquelle.

Lautstarke Minderheiten
Gleichzeitig zeigen Analysen des Nutzungsverhaltens, dass nur rund 22 Prozent der User aktiv posten. Besonders häufig melden sich dabei Vertreter der politischen Ränder zu Wort. Deren vorrangig negative, emotionale und polarisierende Postings sorgen auf den Plattformen wiederum für Reichweite und Aufmerksamkeit.

Das Fazit der Wissenschaftler: Der Diskurs in den sozialen Medien wird hochpolitisiert von nicht repräsentativen, aber lautstarken Minderheiten geführt.

Vertrauen in Politik nimmt ab
Für die Demokratie in Österreich hat das zunehmend negative Auswirkungen: Das Vertrauen in die Politik nimmt ab, Populismus und Polarisierung steigen, sagen die Forscher in ihrer Stellungnahme. Als Infrastruktur einer demokratischen Öffentlichkeit seien soziale Medien daher ungeeignet. Allerdings: Für Autokratien und sich entwickelnde Demokratien gelte das nicht. Hier zeigen sich vielmehr positive Auswirkungen der sozialen Medien, die mehr Teilhabe, Transparenz und Information ermöglichen.

Empfehlungen der Experten
Für die politischen Entscheidungsträger in Österreich leitet die ÖAW aus ihrer Stellungnahme sechs Empfehlungen ab, die die demokratischen Grundprinzipien im Zusammenspiel mit sozialen Medien stärken sollen: 

  • Verhaltenskodex: Abgeordnete zum Nationalrat sollten sich im Sinne ihrer Vorbildfunktion einen „Code of Conduct“ für das Verhalten in den sozialen Medien auferlegen. Dieser kann eine selbstregulierende Funktion haben und bei Missachtung einen „Digitalen Ordnungsruf“ nach sich ziehen.
  • Ethikrat: Parallel zum Österreichischen Werberat kann ein Ethikrat für politische Werbung und PR in sozialen Medien dazu beitragen, grundlegende Standards einzuhalten.
  • Monitoring: Inhalte, Nutzungsverhalten und Reichweiten der politischen Kommunikation regelmäßig zu erheben, ermöglicht Transparenz und neue Handlungsableitungen.
  • Reform der Medienförderung und Inseratenvergabe, um Qualitätsmedien zu ermöglichen, wirkungsvoll als „Gatekeeper“ im öffentlichen Diskurs zu agieren.
  • Stärkung der demokratischen Kontrolle über digitale Plattformen: Über „Digital Services Act“ (DSA) und „Digital Markets Act“ (DMA) hinaus Transparenzbestimmungen für die eingesetzten Algorithmen fordern. Schaffung sozialer Medien in öffentlichem Eigentum unterstützen, die demokratischer Kontrolle unterliegen und freie, öffentliche Diskursräume begünstigen.
  • Stärkung von Medienkompetenz und demokratischer Bildung der Bevölkerung im Sinne eines lebenslangen Lernens.
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