Lehrlingsausbildung

Barroso “spioniert” in Wiener Vorzeigebetrieb

Österreich
05.03.2012 15:32
Österreich könne als "Best Practice"-Modell für andere Länder gelten. Das hat EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am ersten Tag seines Österreich-Besuchs erklärt, nachdem er mit Kanzler Werner Faymann und Sozialminister Rudolf Hundstorfer einen Einblick in den Arbeitsalltag einer "Jugend am Werk"-Lehrwerkstätte in Wien erhalten hatte. In Ländern, wo es kein Lehrlingssystem gebe, sei die Jugendarbeitslosigkeit höher - es müsse dringend mehr Initiativen geben, so Barroso.

Am Montag herrschte freudige Gespanntheit in der Lehrwerkstätte in der Lorenz-Müller-Gasse in der Brigittenau. Vom Schwesternbetrieb mit Schwerpunkt Gastronomie in Wien-Landstraße waren eigens zwei Lehrlinge samt belegter Brötchen angereist, um die Fotografen und Journalisten zu verköstigen - auch wenn diese nur sehr zurückhaltend zugriffen.

Im Holz-Lehrraum versuchten die Jugendlichen, sich nicht weiter von den Besuchern ablenken zu lassen und wie gewohnt an ihren Stücken zu arbeiten. Nur der 16-jährige Markus konnte es kaum erwarten und verkündete selbstbewusst, er werde auf jeden Fall versuchen, den Kommissionspräsidenten anzusprechen.

Interessierter Dialog trotz Sprachbarrieren
Exakt nach Zeitplan, Punkt 11 Uhr, erschien Barroso in Begleitung des Bundeskanzlers. Die Delegation wurde, begleitet vom Klicken der Fotoapparate, in die Räume der Holz- und der Metallverarbeitung geführt. Barroso und Faymann sprachen mit den Lehrlingen und ließen sich erklären, woran die Jugendlichen gerade werkten (siehe auch Diashow in der Infobox).

Markus bekam seine Gelegenheit, mit dem Kommissionspräsidenten zu sprechen. Die dabei entstehende Sprachbarriere - dem Lehrling fehlten die englischen Worte - überbrückte Faymann hilfsbereit. Vier Räume, eine Tasse Kaffee und 25 Minuten später war der Besuch vorbei.

Kanzler hatte Barrosos Neugier geweckt
Zum Schluss der Visite erklärte Barroso, dass in den acht Ländern der EU, die besonders von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, Aktionsteams eingesetzt werden sollen. Faymann habe ihm vom Ausbildungssystem in Österreich erzählt, deshalb habe er so einen Betrieb besichtigen wollen.

Die Lorenz-Müller-Gasse ist eine von fünf Standorten der "Jugend am Werk Berufsausbildung" in Wien, eine sechste unterhält der Verein im Südburgenland. Rund 1.500 Jugendliche, die am freien Arbeitsmarkt keine Lehrstelle gefunden haben, können ihre Ausbildung teils oder zur Gänze in den Lehrwerkstätten machen, die vom AMS und dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds finanziert werden. Im Standort in Wien-Brigittenau absolvieren derzeit 250 Jugendliche ihre Lehre in den Bereichen Metall, Holz oder Elektro.

"EU ist Schutz in stürmischen Zeiten"
Das dem Lehrlingsbesuch folgende Pressegespräch nutzte Barroso, um zu Solidarität und Zusammenhalt innerhalb der EU aufzurufen. Nur so könne man drängende Probleme wie die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff bekommen, die in manchen Mitgliedstaaten bei bis zu 50 Prozent liegt. "Wir müssen jetzt mittels der 'Strategie 2020' die Grundlagen für künftiges Wachstum legen."

Österreich stehe in Sachen Jugendarbeitslosigkeit besser da als andere Staaten, lobte Barroso. Für schlimmer betroffene Länder werde die EU nun Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds umlenken und für Projekte wie Arbeitsplätze für junge Leute oder Lehrstellen zur Verfügung stellen. Faymann meinte, es sei eine Frage der Menschenwürde, dass "junge Menschen nicht auf der Straße landen".

Einigkeit bei Finanztransaktionssteuer
Einig waren sich Barroso und Faymann bei der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer. Dieses Vorhaben werde von der Kommission unterstützt, so der Präsident. Faymann argumentierte, dass man nicht nur im Rahmen von Sparpaketen die Steuern für die Arbeitnehmer erhöhen dürfe. "Man muss auch Beiträge aus dem Finanzsektor einheben, der ja auch Hilfe bekommen hat." Barroso bekräftigte seinen Standpunkt, dass die Lage bezüglich der Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa schon besser aussehe als noch vor einigen Monaten.

Dennoch müsste die EU Einheit beweisen, wenn sie sich auch den Herausforderungen des globalen Marktes stellen wolle. Um dies zu unterstreichen, formulierte Barroso seinen Appell sogar auf Deutsch: "Es gibt keine Insel der Glückseligen. Ohne ein geeintes Europa schafft es kein Land, aus der Krise kommen - ohne die EU herrscht das Gesetz des Stärkeren." Kleine Länder könnten dann nur mit einer schwachen Stimme sprechen. Aber auch die starken Länder Europas seien schwach im weltweiten Vergleich. Eine einige EU sei ein "Schutz in stürmischen Zeiten" (siehe Video oben).

Prinzipiell müsse Europa gemeinsam die finanzielle Stabilität kultivieren, erklärte Barroso: "Ohne Wachstum gibt es kein Vertrauen. Wir müssen aber auch konkurrenzfähiger werden. Es gibt weltweit dramatische Änderungen, wir müssen aber immer daran denken, die soziale Marktwirtschaft fortzusetzen."

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