Druck zu groß

D: Bundespräsident Christian Wulff zurückgetreten

Ausland
17.02.2012 13:53
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff ist zurückgetreten. Am Freitag erklärte der Politiker, dass er das erst vor anderthalb Jahren übernommene Amt nicht länger ausüben werde. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft gefordert, Wulffs Immunität aufzuheben. Sie will die zahlreichen Affären, die in den vergangenen Wochen bekannt geworden waren, untersuchen. Es bestehe der Verdacht der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung.

Wulff sagte in seinem Amtssitz Schloss Bellevue, der Bundespräsident müsse sich "uneingeschränkt" seinen Aufgaben widmen können und vom Vertrauen der Bürger getragen werden. Dieses Vertrauen sei "nachhaltig eingeschränkt", deshalb könne er dieses Amt mit seinen "gewaltigen Herausforderungen" nicht mehr ausüben. Er trete zurück, um eine zügige Nachfolge zu ermöglichen.

Die Medienberichterstattung der vergangenen Wochen habe ihn und seine Frau verletzt. Wulff unterstrich in seiner nicht einmal fünf Minuten dauernden Erklärung, er sei überzeugt, dass die rechtliche Klärung der Vorwürfe gegen ihn "zu einer vollständigen Entlastung führen wird". Er habe Fehler gemacht, sei aber immer aufrichtig gewesen.

Merkel sucht Konsens-Kandidaten
Bundeskanzlerin Angela Merkel gab nach dem Rücktritt bekannt, dass sie nun einen parteiübergreifenden Kandidaten als Nachfolger suchen will. Die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und FDP würden sich beraten und anschließend auf SPD und Grüne zugehen, sagte die Kanzlerin am Freitag in Berlin.

Merkel würdigte außerdem die Verdienste des zurückgetretenen Bundespräsidenten. Die Kanzlerin sagte, sie habe dessen Erklärung "mit größtem Respekt und tiefstem Bedauern" zur Kenntnis genommen. Zu den geplanten Ermittlungen der Justiz gegen Wulff erklärte Merkel, es sei "eine Stärke unseres Rechtsstaats", dass jeder gleich behandelt werde. Es sei anzuerkennen, dass Wulff seine Verteidigung hinter die Erfordernisse des Amtes zurückgestellt habe.

Mit dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff übernimmt Bayerns CSU-Regierungschef Horst Seehofer gemäß Grundgesetz als derzeitiger Präsident des Bundesrates kommissarisch die Funktion des Staatsoberhaupts in Deutschland.

Staatsanwaltschaft beantragte Aufhebung von Immunität
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Vorabend beim deutschen Bundestag die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten beantragt, um ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Vorteilsannahme einleiten zu können - ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang. Manche Experten meinen, die Ermittlungen würden mit großer Wahrscheinlichkeit wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Ex-Präsidenten jedoch bis zu drei Jahre Haft.

Wulff war am 30. Juni 2010 ins höchste Staatsamt gewählt worden. Der Christdemokrat war zuvor sieben Jahre lang Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen gewesen. Wegen Vorgängen aus dieser Zeit steht der heute 52-Jährige seit Wochen unter Beschuss. Dabei geht es um die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits, kostenlose Urlaube bei wohlhabenden Freunden oder die staatliche Finanzierung von Lobby-Veranstaltungen (siehe Infobox).

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele