Interview & Album

My Ugly Clementine: Mit der Liebe zum Unperfekten

Wien
10.08.2023 09:00

Auszeichnung für das Indie-Album des Jahres, gefeierte Konzerte und vom Stand weg zum Liebling der Kritiker geworden - mit ihrem Debütalbum „Vitamin C“ trotzte die „All-Star-Band“ My Ugly Clementine sogar der Pandemie. Drei Jahre nach dem Debüt schlägt das Trio Mira Lu Kovacs, Sophie Lindinger und Nastasja Ronck auf „The Good Life“ bekannte und auch neue Töne an. Vom Druck des Debüterfolgs konnte man sich gut freischwimmen, die inhaltliche Themenpalette ist breit und interessant.

„Krone: Mira, Nastasja - euer Debütalbum „Vitamin C“ läutete einst die Pandemie ein, aber trotzdem hattet ihr viel Erfolg und das Projekt machte sich einen Namen. Wie würdet ihr denn die ersten dreieinhalb Jahre von My Ugly Clementine resümieren?
Mira Lu Kovacs:
Es ist uns so viel passiert und wir wussten gar nicht, was da alles passiert. Es war eine absurde Zeit, in der wir nicht rausgehen und schon gar nicht auftreten durften. Jeder einzelnen Person fiel die Decke auf unterschiedliche Art und Weise auf den Kopf. Nasti stieg erst im Jänner 2020 ein und mit den ersten Gigs war die Pandemie da. Es war eine starke Orientierungsphase. Inzwischen sind ein paar wunderschöne Konzerte passiert und ich kann mich an keines erinnern, das nicht cool war. Wir haben absurderweise den „Impala Award“ bekommen und es gab extrem viel Feedback. Sophie Lindinger schrieb „Vitamin C“ von Anfang bis Ende und produzierte es mit Marco Kleebauer. Wir lernten uns damals langsam kennen und in den letzten zwei Jahren wuchsen wir drei noch mal richtig stark zusammen. Es war ein wilder Ritt.
Nastasja Ronck: Wir haben uns beim zweiten Album viel mehr Gedanken gemacht. Früher hechteten wir einem Schneeball nach, der größer und größer wurde. Es hat alles gut geklappt, aber wir hatten irrsinnig viel Glück, dass uns diese Möglichkeiten gewahr wurden. Wir mussten uns überlegen, wie wir all dem gerecht werden können. Mit den Partnerinnen und der Crew, die wir haben, wollen wir nicht mehr nachhechten, sondern vorausgehen. Das Projekt war anfangs gar nicht so gewichtig, aber wir haben ihm immer mehr Zeit eingeräumt.

Habt ihr euch nach dem Erfolg von „Vitamin C“ auch die Frage gestellt, wie ihr euch schlussendlich gerecht werden wollt?
Kovacs:
Interessanterweise war das erste Album nicht so einschüchternd für das zweite. Wir waren ziemlich entspannt.
Ronck: Für mich ist „The Good Life“ das erste Album, das ich überhaupt herausbringe, weil ich beim Debüt noch nicht involviert war. Für mich gibt es ein paar riesige Meilensteine und ich hatte viele Unsicherheiten. Ich höre zum Beispiel Mira gerne zu, weil sie so ein Grundvertrauen in alles hat. Ich habe das in der Form nicht, aber es ist wunderschön, dass wir ohne Aufforderung von Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, gesagt bekommen, dass Leute das Album schön finden.

Der Ausarbeitungs- und Schreibprozess ging viel kollektiver vonstatten?
Kovacs:
Die erste Single „Are You In“ war als allererster Song fertig, das war im Winter 2021. Im Jänner 2022 fingen wir an und die heiße Phase begann in Tschechien bei Nastis Verwandtschaft, wo wir an der Grenze zu Polen in einem wunderschönen Haus arbeiten konnten. Wir haben alles zusammengepackt und haben dort geschrieben, eingespielt und produziert. Da war überhaupt nichts rund um uns - vielleicht ein paar Schwarzbären. (lacht) Am Ende waren es nur drei oder vier Tage, aber wir haben viel geschafft und hatten eine klare Vision. Sophie ist immer noch das Mastermind. Sie schreibt die Sounds und dominiert die Produktionsebene. „The Good Life“ ist ein bisschen riskanter, weil wir mehr an den Rand und an die Grenze gehen. Wir haben uns mehr getraut und man spürt, dass vieles zusammenkommt und wir sehr nah und intim über Dinge gesprochen haben, die uns wichtig sind und berühren.
Ronck: Das Album kann man auch so hören, dass man als Gruppe wohin fährt und sich über aktuelle Themen austauscht und individuelle Dinge teilt. Wir haben alle drei sehr unterschiedliche musikalische Zugänge, sind aber alle auf einer Singer/Songwriter-Ebene verwurzelt. Auch inhaltlich und textlich.
Kovacs: Ich bin schon ein bisschen für die weirden Sachen zuständig. Bei „No“ etwa habe ich geschaut, dass ich mein Riff reinbringe. (lacht) Ich habe mir gewünscht, dass wir so märchenhaft zusammenarbeiten können, aber nicht damit gerechnet. Dass es dann so gut funktioniert, hätte ich mir nicht träumen lassen.
Ronck: Die Platte ist genauso geworden, wie wir aufgenommen haben. Um 20 Uhr wurde der Song fertiggestellt, um 20.30 Uhr aufgenommen. In dem Haus in Tschechien hatten wir keine Drums mit, also haben wir auch viel in Österreich eingespielt.

Besetzungswechsel verändern natürlich auch die Dynamik in einer Band. Hat sich nach dem Ausstieg von Kem etwas eklatant in der Band verändert?
Kovacs:
Sophie und ich haben schon immer gut zusammengearbeitet und Nasti brachte dann den Song „The Adviser“ in die Produktionsphase, was mich voll gefreut hat. Das Songwriting-Team begann bei Sophie, dann kam ich dazu und später auch Nasti. Gefehlt hat in dem Sinn nichts.
Ronck: Wir haben ja auch nie zu viert geschrieben. Kein Teil vom zweiten Album sind irgendwelche Überbleibsel aus der Sophie-Soloschreibphase. Ich habe Sophie und Mira erst im Laufe der Zeit kennengelernt. Niemand von uns will schnell etwas erzwingen und eine Band ist ein ganz spezielles Gefüge.
Kovacs: Nach den ersten Terminen war ich positiv überrascht, dass alles so geflutscht hat.

War es von Anfang an leicht, dass ihr drei mit unterschiedlichen Zugängen zu Sound und Produktion schnell auf einen gemeinsamen Nenner kommt?
Kovacs:
Das klingt fad und kitschig, aber ja. Es gab schon Punkte, wo wir diskutiert haben, aber ich vertraue den beiden auf einer emotionalen Ebene extrem. Die ist wichtig, weil sonst auch der Rest nicht passen würde. My Ugly Clementine ist kein Soloprojekt und wenn die anderen bessere Ideen haben, dann wird das natürlich akzeptiert. Wir haben auch viel über das Warum geredet. Manchmal wurde man von den anderen überzeugt und hat dazugelernt. Man kann sich hier selbst beim Wachsen beobachten.
Ronck: Natürlich stoßen wir auch mal auf Reibereien, aber alle wollen alles gleich klären und die Wut nicht woanders hintragen. Manchmal gibt es Seiten an uns, wo eine Person es der anderen recht machen will und dann wird darüber diskutiert, ob man nur jemand zufriedenstellen will oder es wirklich ernst meint. Man lernt sich einfach sehr gut kennen.

Die völlige Ungezwungenheit, die man vor einem allerersten Album hat, war in dem Fall nicht mehr gegeben. Trotz allem habt ihr euch offenbar sehr leicht getan mit „The Good Life“?
Ronck:
Ich kann mich erinnern, dass aus einzelnen Bausteinen in der Gruppe spannend überlegt wurde, wie ganze Songs daraus entstehen könnten. „Are You In“ ist im klassischen Clementines-Gewand, aber andere Songs wie „Feet Up“ hätte man vielleicht so nicht erwartet. Es hat sich aber alles gut zusammengefügt und Sinn gemacht. Wir schrieben einfach drauflos und daraus ergaben sich die Songs.
Kovacs: Ich gehe immer wahnsinnig geordnet an Sachen ran. Mit großem Blatt Papier, wo alles penibel notiert wird. (lacht) Nasti und Sophie waren sehr lieb zu mir, aber für sie war so ein Plan nicht wichtig. Mir war es aber wichtig, dass es mir nicht ausgetrieben wurde und ich habe dafür gelernt, wie der Werdegang der Songs vor sich ging. Ich liebe Pläne.

Zwischen einem Song wie „No“ und dem abschließenden „How Would I Know What I Know“ liegen musikalisch Welten. Kann man diese Vielseitigkeit auch unter dem von euch verwendeten Terminus „riskant“ einordnen?
Kovacs:
Diese beiden Nummern beschreiben ganz gut das gesamte Spektrum der Band. Wenn man das Dazwischen auslässt, weiß man nicht, wie das Album klingt. „No“ ist eines meiner absoluten Lieblingslieder und live nicht leicht zu spielen. Unter riskant verstehen wir auch, dass live viel passieren kann, weil das gar nicht so einfach ist. Wir haben härtere Songs und manchmal klingen wir sehr weich und folkig. So hören wir Musik auch. Egal, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, überlegten wir immer auch eine A-Capella-Stelle, einen Kanon oder einfach pure Zerstörung. Wir erfüllen uns mit der Vielseitigkeit auf einer Bühne und auf einem Album mehrere Träume. Die beiden von dir angesprochenen Songs sind nicht so weit voneinander entfernt, weil es beiden um das Setzen von Grenzen geht.
Ronck: Der letzte Track kam aufs Album, weil er so unmittelbar entstanden ist und wir niemals denselben Text singen. Drei Leute singen drei Texte, die überlagern sich und haben eine gewisse Gleichzeitigkeit. Wir sind eine Band, aber auch drei verschiedene Individuen und das spiegelt der Song gut wider.

Ist „The Good Life“ als Albumtitel so gemeint, dass man versuchen sollte, es zu finden in einer Zeit, die alles andere als gut ist?
Ronck:
Eine sehr spannende Interpretation. Am Albumcover gibt es sicher einen Sarkasmus bezüglich des guten Lebens mit der heilen Familie. Es hat schon einen Grund, warum es nicht „The Best Life“ heißt, sondern eigentlich eher ein „Okay Life“ ist, nur das klingt nicht so gut und kommt im Text nicht vor.
Kovacs: Der tägliche Stress als freischaffende und selbstständige Künstlerin ist eine Realität und es geht stark um Selbst- und Lebensoptimierung.
Ronck: In unserer Gesellschaft wird uns suggeriert, dass wir dann glücklich sind, wenn wir ein Haus kaufen können oder zumindest so viel Erspartes haben, um eine kaputte Waschmaschine ersetzen zu können. Es ist natürlich total okay, wenn dem nicht so ist. In diesen Gedanken geht es nicht nur um Strukturelles, aber ein gutes Leben hat sehr viel damit zu tun, wo und wie du geboren wirst oder wie du aussiehst. Es stellen sich auch Fragen wie: Was tut mir gut? Welche Menschen tun mir gut? Mit wem verbringe ich gerne Zeit?

Die sogenannten Benchmarks des Hausbauens und Familiengründens kommen aber auch aus einer ganz anderen Generation, mit anderen Möglichkeiten und ganz anderen Lebensrealitäten.
Kovacs:
Die Interpretation bleibt jedem selbst überlassen, aber das Lied ist eine Frage. Lebst du das Leben, das du leben möchtest oder läufst du von einem zum nächsten? Wie viel Geld brauchst du denn, oder reicht es nicht auch, sich die Miete leisten zu können? Corona hat noch einmal alles auf den Kopf gestellt und viele haben hinterfragt, warum sie sich stressen. Wir haben den besten Beruf der Welt und warum ist der oft so stressig? Sollte er nicht viel mehr Spaß machen? Diese Frage stellte ich mir sehr oft und den habe ich in dem Song eingebaut. Ich will jeden Tag extrem gut essen und immer lachen. Das hat alles nichts mit meiner Arbeit zu tun.

Während Corona haben sich viele Verhältnisse verschoben und auch wenn vieles wieder beim Alten ist, ändern sich Dinge dadurch schon auch nachhaltig. Vielleicht langsamer als gedacht, aber es passiert. Auch die Generationskluft wurde so klar wie lange nicht mehr in den Vordergrund gerückt.
Kovacs:
Deshalb bin ich einigermaßen entspannt an „The Good Life“ rangegangen. Ich kann eh nicht noch mehr Druck in mich und andere setzen. Wenn ich mir noch mehr Druck mache, wird die Musik wahrscheinlich schlechter und zu nichts führen. Seit gut einem Jahr geht es mir darum, eine gute Zeit zu haben. Ich habe sehr lange meine Fehler auf der Bühne gezählt, aber jetzt versuche ich die Dinge einfach anders zu sehen. Die Gigs in den letzten Monaten waren anders. Es war wie im Wohnzimmer, auch wenn viele Menschen da sind.
Ronck: Ich finde es am besten, wenn eine Show läuft und glattgeht, wo man sich richtig hinein lehnen kann. Aus der Perspektive einer Konzertbesucherin fand ich es immer viel spannender, wenn wo eine Saite reißt oder jemand auf der Bühne umfällt. Das Unperfekte hat einfach mehr Reiz als das Glattgebügelte.

Eine Band wie My Ugly Clementine schreit ja danach. Ihr spielt eine Musik, die Fehler zulässt und habt musikalische Idole, bei denen das ebenfalls der Fall war.
Ronck:
Wir spielen ohne Click-Track und ohne Backing-Tracks. Das passt auch gut zu uns, aber es hat viele überrascht. Warum auch immer.

Das Loslassen und Gemeinsame beinhaltet schon der Opener „Circles“. Ein Lied, dass ihr eigentlich für euch geschrieben habt und wo ihr auch ein natürliches Lachen drinnen gelassen habt. Auch ein bewusstes Zeichen der Imperfektion.
Kovacs:
Sophie hat uns den Song geschickt und wir fanden ihn wunderschön. Sie hat den Song als Freundschaftsnummer für uns geschrieben und das ganz leise gesagt. Sie ist ein wandelndes Understatement und schreibt die ganze Zeit irgendwelche Hits, ohne es zu merken. (lacht)
Ronck: Wir wussten schnell, dass der Song das Album eröffnen muss, weil es sich so organisch angefühlt hat.

Finden sich alle drei von euch in den Songs auf „The Good Life“ wieder? War es euch ein Anliegen, euch darin selbst zu verewigen?
Kovacs:
Das kommt auf den Song an. Ich konnte mich sehr gut in „The Adviser“ hineinversetzen, aber der Song kommt von Nasti und wäre nicht aus mir hervorgebrochen. Ich kann mich aber mit jedem Satz in jedem Song identifizieren.
Ronck: „WWW“ hat Sophie geschrieben, weil sie aufgrund ihrer lädierten mentalen Gesundheit, über die sie auch öffentlich spricht, immer von der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten bekommt. Wann ist man normal und was bedeutet das überhaupt? Man hat unterschiedliche Voraussetzungen und es geht darum, sich besser zu verstehen und zu lösen. Ich manchen Situationen verstehe ich andere besser, wenn ich mich darauf einlasse. „WWW“ ist ein Song, bei dem ich sofort Sophie höre und sie im Arm habe. Ich weiß dadurch, was sie meint, weil sie es mir erzählt hat. So wird der Song dann auch zu meinem, weil ein Austausch stattfindet.

Sind Songs wie „Circles“ oder „WWW“ neue Kommunikationsmöglichkeiten zwischen euch? Oder Möglichkeiten, euch neu und besser kennenzulernen?
Ronck:
Es ist nicht so, dass wir jetzt mit den Songs eine Art Therapiesession machen. (lacht)
Kovacs: Ich gehe da eher analytisch ran und wenn wir etwa eine zweite Strophe suchen, dann diskutieren und reden wir sehr lange über das jeweilige Thema und daraus kommt dann schlussendlich der fehlende Text.
Ronck: Bei „Feet Up“ gibt es für uns zwei verschiedene Auslegungen. Sophie hat den Song geschrieben in der Intention, dass wenn sie nach Wochen und Monaten der Arbeit einmal einen Nachmittag daheimsitzt, aus dem Fenster schaut und sich denkt, wie langweilig ihr ist. Sie hat zwar frei, aber ihr ist sofort fad und da kommt man schnell in ein Loch. Als ich den Song hörte, habe ich ihn anders aufgenommen. Ich habe eher „Jomo“ - joy of missing out. Mira zum Beispiel glaubt immer, etwas zu verpassen, wenn sich wo jemand trifft und sie nicht dabei ist. Ich bleibe lieber daheim und schaue fern. Oder ich mache bei schönem Wetter die Vorhänge zu und spiele auf meiner Nintendo Switch. (lacht) Es gibt da zwei grundverschiedene Zugänge zu der Nummer.

Das Thema Langeweile ist gesellschaftlich auch kein unwichtiges. Heute wird alles dafür getan, jedem Moment die Langeweile zu nehmen. Kinder werden von Kurs zu Kurs geschickt, dabei wäre die Leerzeit, um kreative Muse zu bekommen, irrsinnig wichtig.
Kovacs:
Ohne Langeweile würde mir nichts einfallen. Deshalb fuhr ich früher immer für mehrere Monate in ein anderes Land. Ich konnte dort mit niemand anderem sprechen und so floss alles in mein Buch. Langeweile ist wichtig, um Motivation zu bekommen und deshalb ist auch Urlaub so wichtig. Was heißt überhaupt fad? Es bedeutet, nicht ständig von Reizen überflutet zu sein oder an 14 Dinge gleichzeitig zu denken. In unserer Generation befassen wir uns im Übermaß mit dramatischen und emotional überfordernden Momenten. Wir lesen die Nachrichten auf fünf verschiedenen Kanälen, dann erzähl uns jemand was privat und auf der Straße wird man fast angefahren, weil man dauernd am Handy hängt. Dazu kommt irgendein Abgabestress dazu. Wenn all diese Dinge erledigt sind, befinden wir uns auf einem krassen Entzug, wenn wir gar nichts machen.
Ronck: Man muss sowieso drei Wochen Urlaub machen, wenn nicht länger. Dann zahlt man meist extrem viel für ein schönes Hotel und liegt dann lieber im Bett, auch wenn es draußen schön ist. Selbst dort will man alles auskosten und ausschöpfen und man kommt aus dem Stress gar nicht mehr raus, obwohl diese Tage der Entspannung dienen sollen. „Jomo“ heißt auch auf einer freundschaftlichen Ebene nicht, dass man jemanden in Stich lässt, sondern sich Zeit für sich selbst nimmt. Das ist in Beziehungen unheimlich wichtig, sonst wird einem irgendwann die Rechnung präsentiert.

Im Video zu „Feet Up“ gibt es ganz viele Referenzen zu Kultbands von Nirvana und den Red Hot Chili Peppers über Blink-182 bis hin zu Avril Lavigne. Habt ihr da die Lieblingsbands von euch allen dreien zusammengeworfen?
Kovacs:
Die einzige Band, die mir als Teenie was bedeutet hat, waren die Peppers. Nirvana auch, aber da war ich noch zu jung. Die kamen erst später, nachdem Kurt Cobain schon tot war. Die Idee zum Video kommt von Sophie, dass wir die 90er- und Millennium-Bands nachspielen. Es sind alles Dude-Bands, weil wir oft ungnädigerweise auf eine sogenannte „Frauen-Band“ reduziert werden. Deshalb wollten wir Boybands persiflieren. Für Sophie war Avril Lavigne das Wichtigste.
Ronck: Wir haben uns im Vorfeld ausgeschnapst, wer wen darstellen darf und das war wirklich lustig. Wir haben Kurt Cobain zum Beispiel während seiner rote-Haare-Phase genommen und nicht während der Blond-Phase, was eine gute Pop-Referenz ist. Ein paar Sachen sind eine Hommage, andere ikonisch und wieder andere, wie die von Sum 41, fanden wir einfach witzig. Mit 16 verstand ich nichts von dem, was Blink-182 singen, aber sie waren ein richtiges Band-Ding und ich dachte, das würde ich nie machen. Wir hatten beim Videodreh den größten Spaß. Manches fanden wir auch katastrophal. Zum Beispiel „Why Don’t You Get A Job?“ von The Offspring, wo der Inhalt extrem sexistisch ist. Wir haben uns den Song aber genommen und sie damit veräppelt. Wir hatten einfach Spaß, das nachzustellen.
Kovacs: Da kommt auch der Bogen zur Langeweile. Wir haben so kindlich mit Sachen gespielt. Meine Schwester ist Filmemacherin und wir hatten uns schon als Kinder als Spice Girls verkleidet und diese Videos auf einer Super-8-Kamera nachgedreht. Es geht einfach um Spaß und darum, lustvoll Sachen nachzuspielen.

Ihr seid aber nicht wirklich nackt durch Wien geflitzt, wie es im Video bei der Blink-182-Hommage den Anschein macht?
Kovacs:
Nein, aber Blink-182 auch nicht. Es wäre in Amerika strafbar, Genitalien zu zeigen.
Ronck: Tom DeLonge meinte in einem Interview, dass das Drehen der Szene ca. zwei Minuten lustig war und dann nicht mehr, weil sie von allen Leuten beschimpft wurden. Bei uns war es fünf Sekunden lustig und dann wurde es sehr unangenehm. Wir wurden von Männern extrem verbal sexuell belästigt. Gedreht haben wir hauptsächlich im 15. Bezirk in Wien.
Kovacs: Wir konnten fast keinen Take machen, ohne dass da etwas passierte. Ich habe das voll unterschätzt und dachte, wir machen uns einen lustigen Tag und passt schon. So ein bisschen wie bei „Willkommen Österreich“. Nach zehn Minuten wollte ich nicht mehr, weil ich aggressiv wurde und Aggressionen Kraft kosten. Vermeintliche Nacktheit fordert die Menschen offenbar auf, es irgendwie zu kommentieren. Ein Typ stand vor einem Würstler ganz lässig mit seinem Bier und sagte „na? Kommt’s von der Sauna?“ (lacht) Das war die eine witzige Meldung, die Wien so schön widerspiegelt.

Haben die Videos und die Umsetzung der Videos für euch die gleiche Wichtigkeit wie die Musik? Ihr scheint zumindest immer extrem viel Spaß daran zu haben, das sah man schon bei den Videos zum ersten Album.
Kovacs:
Das ist das Bandkonzept.
Ronck: Ich merke beim Dreh schon, dass ich große Lust aufs Ausprobieren habe. Sophie hat sich bei einem Video für Leyya in ein 7 Grad kühles Meer geworfen und gemeint, sie hätte schon alles erlebt. (lacht) Ich habe noch ein paar Meter, die ich gehen kann. In Videos geht es extrem um Ausdruck und wenn man so tun kann wie Kurt Cobain oder Anthony Kiedis macht das extrem viel Spaß.
Kovacs: Mich hat immer das Subtile bei Videos interessiert, ich habe mich da nie so richtig hineingeworfen.

Wer wird denn in Zukunft bei My Ugly Clementine das Schlagzeug spielen?
Kovacs:
Das wird weiterhin Günther Paulitsch übernehmen. Der Ehren-Clementine. Er erfüllt musikalisch und zwischenmenschlich all unsere Träume und ist ein sehr guter Freund von uns. Ich schätze ihn als Mensch sehr, denn ihm ist das Zwischenmenschliche genauso wichtig wie die Musik. Er hat seine eigene Band Good Wilson, weshalb wir ihn wahrscheinlich manchmal herborgen müssen, aber dann haben wir eine Substitutin, die einspringen kann. Er ist selbst sehr beschäftigt, aber wir werden das schon alles hinkriegen. Es wird jedenfalls kein Klavier live geben. (lacht)

Die Priorität hat sich für My Ugly Clementine im Vergleich zum Debütalbum vor mehr als drei Jahren aber erhöht?
Kovacs:
Das stimmt sicher. Man kann getrost sagen, dass man einem Projekt viel Priorität einräumt, dass nicht nur musikalisch und zwischenmenschlich gut funktioniert, sondern mit dem man auch weit herumkommt und die Miete bezahlen kann.
Ronck: Wir kriegen auch von unserer Technikperson mit, dass der Branche das Geld fehlt und da ist es umso wichtiger, dass es sich auch finanziell ausgeht. Wir sind eine Alternative-Band und haben alles andere als ausgesorgt, aber es ist uns sehr wichtig, dass jeder bei uns seinen Job hat und die Finanzen in Ordnung sind. Wir machen uns viele Gedanken darüber, wie gut wir touren können. Es ist sehr schön, aber auch wahnsinnig herausfordernd. Wir wollen jedenfalls keine Grenzen überschreiten und das testen wir gerade aus. Wenn wir Pausen brauchen, dann werden wir sie uns nehmen.
Kovacs: Es wird extrem darauf geachtet und das ist der Weg, der sich im Musikbusiness manifestieren wird. Arlo Parks oder Shawn Mendes haben ihre riesigen Tourneen abgesagt, wegen ihrer Mental Health. Wenn wir das jetzt priorisieren und darauf achten, sparen wir in Wahrheit viele Ressourcen und können das Ganze viel nachhaltiger machen. Man muss auf sich achten und es nicht einfach ignorieren. Das ist wie das Altern. Man darf sich nie einreden lassen, dass irgendwas nicht mehr passt, nur weil man älter wird. Dagegen gilt es anzustreben. Von der Musik überleben können, ist unglaublich schwierig. Das geht sich bei mir auch nur mit drei Projekten, Jurysitzungen und vielen Nebengeräuschen aus. Es ist alles nicht so leicht.

Live in Österreich
Im Herbst sind My Ugly Clementine mit „The Good Life“ auch zweimal in Österreich zu sehen. Am 29. September spielt das Trio im Grazer ppc und am 10. November in der Arena Wien. Unter www.oeticket.com gibt es die Karten und weitere Informationen zu den Konzerthighlights. 

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