Sie kommt mit dem Fahrrad, Marke KTM, in den Wiener Burggarten. "Das einzige Statussymbol, das ich pflege", lacht sie und öffnet ihre "Fußfessel", ein Klettband mit einem Schriftzug der Diakonie. "Früher hat man die Hosenbeine noch mit einer Kluppe zusammengezwickt, damit sie sich nicht in der Kette verfangen." Es ist der Morgen nach der Konstituierung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der Morgen nach ihrem ersten ZiB2-Interview, der Morgen nach einem grünen Triumph. Moser leitet als erste Frau einen U-Ausschuss: akribisch, unbestechlich, spröder Charme. Eine Grüne wie aus dem Bilderbuch.
"Krone": Frau Moser, von wie vielen Terrabyte Akten haben Sie heute Nacht geträumt?
Gabriela Moser: Null! Ich hab' von einer netten Frühstückspension geträumt, dort bin ich aufgewacht und hatte die Wanderkarte vergessen. Ich träume nie von Politik.
"Krone": Sie wollten ja diesen Untersuchungsausschuss wirklich leiten. Was war denn Ihr ureigenstes Motiv?
Moser: Nachdem nur jemand von den Grünen das leiten kann, ist die Wahl halt auf mich gefallen. Und ich mache das gerne!
"Krone": Heißt das, die anderen Parteien sind nicht sauber?
Moser: Die anderen Parteien sind alle in irgendeiner Form involviert.
"Krone": Aber es gibt bestimmt auch ein ganz persönliches Motiv.
Moser: Wenn Sie mich jetzt darauf ansprechen: Ich habe mir als Geburtstagsgeschenk von meiner Großmutter immer gewünscht, dass ich ihre Laden aufräumen darf. Das war das Spannendste für mich als Kind: Was verbirgt sich da, worauf stoße ich, wenn ich da herumkrame? Alte Schmuckstücke, Postkarten, Medikamentenfläschelchen.
"Krone": Auch Geheimnisse?
Moser: Ja, Briefe. Aber die konnte ich nicht lesen, weil sie in Kurrent geschrieben waren.
"Krone": Bekannt wurden Sie vor allem mit den Telefonprotokollen zwischen Grasser und Meischberger. Konnten Sie glauben, was Sie da gelesen haben? "Wos woar mei Leistung?" "Da bin ich supernackt."
Moser: Nein. Diese Kombination von Unverschämtheit und Absurdität war einfach unfassbar.
"Krone": Sind solche Dialoge ein Sittenbild unserer Gesellschaft?
Moser: Eines gewissen Teils der Gesellschaft. Einer Gruppe von Menschen, die nach raschem Reichtum strebt und dabei amoralisch ans Werk geht. Ich würde fast sagen, dass das bei Meischberger so was wie spätpubertäre Strizzimentalität war.
"Krone": Ist Österreich ein korruptes Land?
Moser: Es hat eine lange Tradition von Freunderlwirtschaft. So gesehen wird dieser Untersuchungsausschuss zu einer parlamentarischen Reifeprüfung.
"Krone": Wer muss jetzt zittern vor Ihnen?
Moser: Alle, die Malversationen begangen haben. Diese ganze Clique rund um Grasser, Plech, Hochegger, Meischberger... Und dann gibt es auch Hinweise in andere Richtungen; beim Behördenfunk, bei den Staatsbürgerschaften, beim Glücksspiel.
"Krone": Sind Sie eine Frau zum Fürchten?
Moser: Die Herrschaften haben höchstens Angst vor den rechtlichen Konsequenzen, aber nicht vor mir. Politisch sind sie ja größtenteils nicht mehr im Amt. Und außer dem Verlust des guten Rufes kann ihnen nichts mehr passieren. Bei einigen ist es ja so: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
"Krone": Ärgern Sie sich eigentlich, wenn - zum Beispiel von der ÖVP - Ihre Kompetenz angezweifelt wird?
Moser: Reine Parteitaktik. Persönlich ist mir das so was von egal.
"Krone": Aber sollte jemand, der so einen Ausschuss leitet, nicht eine juristische Ausbildung haben?
Moser: Ich habe juristischen Beistand und ich mute mir zu, schnell zu lernen. Auch andere Ausschussvorsitzende in der Vergangenheit waren keine Juristen.
"Krone": Sie waren früher einmal AHS-Lehrerin. Was an Ihnen ist noch lehrerhaft?
Moser: Vielleicht, dass ich andere Menschen überzeugen, Wissen vermitteln möchte. Und froh wäre, wenn sie hinterher klüger sind.
"Krone": Hätten Sie sich das je träumen lassen, dass Sie einmal als erste Frau einen U-Ausschuss leiten?
Moser: Nein, ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass ich je ins Parlament komme. Ich habe einfach immer das gemacht, was notwendig war. Oder wie Oswald von Wolkenstein geschrieben hat: Es fueget sich. Das ist irgendwie mein Lebensmotto.
"Krone": Hat Ihr Mann nicht protestiert, als Sie diesen Mammut-Job angenommen haben?
Moser: Nein, da war er schon mürbe. (lacht) Das war 1991 bei den Landtagswahlen in Oberösterreich noch anders, da hat er mir gedroht. "Wehe, du kommst nach Hause und hast den ersten Platz!" Also hab ich gleich für den Zweiten kandidiert.
"Krone": Wie werden Sie Peter Robespierre Pilz im Zaum halten?
Moser: Es gibt ja die Geschäftsordnung. (grinst) Nein, im Ernst: Auf Peter Pilz lastet, wenn Sie sich die Mitglieder des Ausschusses vor Augen führen, ein Großteil der Aufklärungsarbeit. Ich bin froh, dass er dabei ist.
"Krone": Oder beanspruchen Sie den Robespierre für sich selbst?
Moser: Nein. Wenn, dann bin ich eher Danton. Obwohl der bald gestorben ist.
"Krone": Was soll am Ende bei diesem Ausschuss herauskommen? Neuwahlen? Gefängnis?
Moser: Im Ausschuss gibt es weder Handschellen noch Fußfesseln. Der Ausschuss ist ein politisches Gremium, ein Kontrollinstrument, der die politische Verantwortung feststellt.
"Krone": Wird am Ende geklärt sein, wohin die Millionen geflossen sind?
Moser: Das untersuchen die Gerichte. Das zu untersuchen würde unsere Kapazität völlig übersteigen. Daran scheitert ja fast schon die Staatsanwaltschaft.
"Krone": "Da kommt eh nix heraus" - so denken wahrscheinlich die meisten Bürger über den Ausschuss. Was sagen Sie denen?
Moser: Dass das nicht stimmt. Nach diesem Ausschuss wird so manches Netzwerk nicht mehr funktionieren. Es wird mehr Kontrolle in Unternehmen geben, es wird in den Ministerien und Kabinetten wieder vor allem um das Allgemeinwohl gehen.
"Krone": Könnten Sie eigentlich für sich selbst ausschließen, dass Sie je Geld annehmen würden?
Moser: Ja. Vor allem, wenn das in keiner Relation zu meiner Leistung steht... Außerdem brauche ich es ja nicht.
"Krone": Sie brauchen kein Extra-Geld?
Moser: Nein, wozu denn? Ich hab' ein schönes Einkommen, eine schöne Wohnung, fünf Fahrräder - wenn auch alte. Ins Grab kann man sich sowieso nichts mitnehmen.
"Krone": Keine Kredite? Oder ein kleiner Luxus?
Moser: Mein Vater hat mich gelehrt: Erst sparst du und dann kaufst du. Daran habe ich mich immer gehalten. Mit meinem Ersparten ökologisiere ich mein Haus weiter. Oder kaufe mir noch einen Quadratmeter Nationalpark oder Regenwald in Costa Rica. Und mein kleiner Luxus sind höchstens die etwas teureren handgemachten oberösterreichischen Schuhe. Die kosten so um die 110 Euro.
Biografie von Gabriela Moser:
Geboren am 28. Juli 1954 in Linz als ältestes von vier Kindern. Der Vater ist Orthopäde, die Mutter Pianistin. Gabriela Moser studiert Geschichte und Germanistik und wird Lehrerin. Nachdem sie sich über die schlechte Luft geärgert hat, geht sie 1985 in die Politik. Seit 1994 ist sie im Nationalrat und grüne Sprecherin für Bauten, Tourismus, Verkehr. Am Freitag startete der Korruptions-U-Ausschuss, den Moser leitet. Seit 27 Jahren ist sie mit dem Physiker Rolf Moser verheiratet.
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