Inselcamp statt Haft

„Kuschelpädagogik kostet uns eine Menge Geld“

Wien
31.01.2023 20:00

Die renommierte Ärztin und Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger steht sogenannten Auszeit-Projekten für straffällig gewordene Minderjährige skeptisch gegenüber.

„Krone“: Frau Doktor, was halten Sie davon, dass ein Problemjugendlicher aus Wien für sechs Monate in ein Auszeitcamp auf Madeira geschickt wird und gleich zwei Gerichtsprozesse schwänzen durfte?
Psychotherapeutin Prof. Dr. Leibovici-Mühlberger: Ich kann leider nicht beurteilen, wie effizient beziehungsweise effektiv derartige Auszeit-Maßnahmen (und es gibt einige davon) tatsächlich sind. Und dies ist mein Hauptkritikpunkt. Es gibt diesbezüglich keine einzige veröffentlichte Nachhaltigkeitsstudie. Mich würde interessieren: Wenn ich schwerst verhaltensauffällige, teils psychiatrisch behandelte Jugendliche in so ein Projekt stecke - was ist der Output? Wie viele sind hinterher nicht weiter auffällig, werden nicht wieder straffällig oder sind bildungswillig? Sprich: Wie viele werden tatsächlich resozialisiert? Oder sind dies alles nur sehr kostspielige Überbrückungsmaßnahmen?

Inwiefern eine Überbrückung?
Ich habe von Sozialpädagogen gehört, dass diese Maßnahmen auch oft einfach nur als zeitliche Überbrückung eingesetzt werden sollen - bis die Personen volljährig und die Jugendbehörden nicht mehr zuständig sind. Viele Betreuungseinrichtungen sind mit den Jugendlichen mittlerweile völlig überfordert.

Sie sind also skeptisch.
Ich möchte die Initiativen als solche gar nicht angreifen - aber ich will anhand wissenschaftlicher Aufarbeitungen sehen, ob diese Kuschelpädagogik auch tatsächlich langfristig Wirkung zeigt. Immerhin kostet uns Steuerzahler diese eine Menge Geld. Und es gibt ja auch andere Ansätze - wie Bootcamps zum Beispiel. Wo man straffe Strukturen und Ordnung vorgibt und Jugendliche eben auf diese Art versucht zu restrukturieren. Bitte nicht falsch verstehen - ich sag nicht, dies oder das sei der bessere Weg. Aber man könnte die verschiedenen Ansätze ja zumindest mal vergleichen.

Gibt es hierzulande überhaupt derartige „Bootcamps“?
Natürlich nicht - wir bauen ja auf Kuschelpädagogik. Unter dem Motto: Lieber zu Tode streicheln, als einmal aufreiben. Selbstverständlich sollte man Jugendlichen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen. Nur haben wir es in diesen Spezialfällen mit 14-, 15-, 16-Jährigen zu tun, die meist ohne diese Werte aufgewachsen sind, sich oft selbst eine Sprache der Gewalt zu eigen gemacht haben - und die liebevolle Kuschelpädagogik möglicherweise sogar als Schwäche interpretieren.

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