Flammen in Russland
Abgefackeltes Gas sogar vom Weltraum aus erkennbar
Flammen, die so groß und so hell sind, dass sie selbst vom Weltraum aus erkennbar sind, beunruhigen aktuell Finnland. Nördlich von der russischen Millionenstadt St. Petersburg, nahe der finnischen Grenze, kann beobachtet werden, wie Russland große Mengen an Gas verbrennt. Mengen, so groß, dass täglich eineinhalb Millionen Haushalte versorgt werden könnten. Für Wissenschaftler ist das ein Umweltdesaster.
Die ersten Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt, kamen von finnischen Bürgern, die Anfang des Sommers an der nahe gelegenen Grenze eine große Flamme am Horizont entdeckten. Aufnahmen an der Grenze zu Finnland zeigen Flammen, die so groß sind, dass sie sogar aus einer Entfernung von 40 Kilometern erkennbar sind. Die Rede ist von einem Flüssiggasterminal in Russland. Während in der EU die Energiekosten immer weiter in die Höhe schießen, verbrennt Russland seit Wochen enorme Mengen an Gas, anstatt es in die daneben liegende Pipeline zu füllen. Zu diesem Schluss kommen die Experten von Rystad Energy, einem weltweit führenden Analyseunternehmen in der Gasindustrie.
„Gas im Wert von 10 Mio. US-Dollar am Tag verbrannt“
„Die Menge, die täglich verbrannt wird, liegt zwischen drei und vier Millionen Kubikmetern“, erklärt Senior Vice President Sindre Knutsson im Ö1-„Mittagsjournal“. Diese Menge entspreche dem Gasverbrauch von 1,6 Mio. Haushalten in Europa. „Es wird Gas im Wert von 10 Mio. US-Dollar am Tag verbrannt, das erzeugt 9000 Tonnen CO₂ am Tag“, so Knutsson.
Nicht weit entfernt von dem betroffenen Gasterminal nimmt an der Kompressorstation in Portovaya, nördlich von St. Petersburg, eine Pipeline ihren Anfang - Nord Stream 1. Die Gasleitung durch die Ostsee liefert russisches Gas direkt nach Deutschland, allerdings in immer geringeren Mengen. Derzeit sind es nur 20 Prozent der Kapazität, ab kommenden Dienstag wird die Pipeline ganz abgedreht - Wartungsarbeiten. Die Lieferungen durch die Pipeline sind bereits seit Mitte Juli gedrosselt, wobei die Russen technische Probleme für die Einschränkung verantwortlich machen.
Mehrere Gründe für Verbrennung möglich
Ob es in diesem Fall für die Überprüfung eine technische Notwendigkeit gibt oder Russland das Gas bewusst zurückhält, ist nicht bekannt. Gazprom hat bislang noch keine Stellungnahme zu den Gründen der Vernichtung dieser Gasmengen veröffentlicht. Experten halten mehrere Gründe für möglich: Die russischen Gasspeicher könnten überfüllt sein, es könnte sich aber auch um einen Produktionsüberschuss handeln, den Gazprom nicht nach Europa transportieren kann oder will.
Ob die von der EU verhängten Sanktionen Grund für die Verbrennungen sind, kann man ebenso nur vermuten. Miguel Berger, der deutsche Botschafter im Vereinigten Königreich, erklärte gegenüber BBC News, dass die europäischen Bemühungen, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, „einen starken Einfluss auf die russische Wirtschaft haben“. „Sie haben keine anderen Orte, wo sie ihr Gas verkaufen können, also müssen sie es verbrennen“, meinte er.
Enorme Spitze bereits im Juni gesehen
Während das Abfackeln von Gas in Verarbeitungsanlagen üblich ist - normalerweise aus technischen oder sicherheitstechnischen Gründen - hat das Ausmaß dieser Verbrennung die Experten verwirrt. „Ich habe noch nie gesehen, dass eine LNG-Anlage (Flüssigerdgas-Anlage, Anm.) so viel Gas abfackelt“, sagte Jessica McCarty, Expertin für Satellitendaten von der Miami University in Ohio. „Etwa ab Juni haben wir diese enorme Spitze gesehen, und sie ist einfach nicht mehr verschwunden.“
Ich habe noch nie gesehen, dass eine LNG-Anlage so viel Gas abfackelt.
Dr. Jessica McCarty
Mark Davis ist der Geschäftsführer von Capterio, einem Unternehmen, das sich mit der Suche nach Lösungen für das Abfackeln von Gas beschäftigt. Seiner Meinung nach ist das Abfackeln kein Zufall, sondern eher eine bewusste Entscheidung, die aus betrieblichen Gründen getroffen wird. „Die Betreiber zögern oft, Anlagen abzuschalten, weil sie befürchten, dass es technisch schwierig oder kostspielig sein könnte, sie wieder in Betrieb zu nehmen, und das ist hier wahrscheinlich der Fall“, erklärte er gegenüber BBC News.
Andere glauben, dass es technische Probleme bei der Bewältigung der großen Gasmengen geben könnte, die in die Nord Stream 1-Pipeline eingespeist wurden.
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