„Überraschender“ Grund
Erste Rückfuhr nach Syrien findet doch nicht statt
Österreich bereitet derzeit eine erste Abschiebung Syrer vor. Betroffen ist ein 32-jähriger Mann, der zuletzt eine siebenjährige Haftstrafe wegen mehrerer Straftaten verbüßt hat. Allerdings: Kurzfristig musste die Abschiebung nun doch abgesagt werden ...
Erstmals seit vielen Jahren dürfte Österreich eine Abschiebung nach Syrien vornehmen, berichtet das Ö1-„Morgenjournal“ am Montag. Der 32-Jährige wäre damit der erste syrische Staatsbürger seit mindestens zehn Jahren gewesen, der in sein Heimatland abgeschoben wird. Österreich hätte sich damit unter eines der wenigen EU-Länder gereiht, die überhaupt nach Syrien abschieben. Der Mann befand sich zuletzt in Schubhaft, wogegen er juristisch versucht hat, anzukämpfen – ohne Erfolg.
Behörden vom Krieg überrascht?
Bleiben darf er jetzt aber wohl doch noch ein wenig – und sich dafür bei Israel, den USA und dem Iran „bedanken“. „Auf Grund der aktuellen Lage im Nahen Osten ist der Flugverkehr nach Syrien zum Erliegen gekommen“, erklärt das Innenministerium. Und weiter: „Deshalb sind Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts von Personen aktuell nicht finalisierbar.“
Nicht nur Flüge aus dem Westen direkt nach Syrien seien aktuell eingestellt, auch Flüge aus Nachbarstaaten gäbe es aufgrund von Luftraumsperren nicht. Der Syrer bleibe nun weiter in Schubhaft – bis sich die Situation im Luftverkehr wieder ändere.
Syrien gilt als „nicht sicheres Herkunftsland“
Im Vorfeld gab es in dem betroffenen Fall seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EMRK) keine Hemmung der Abschiebung mehr. Das heißt, es bestehen keine europarechtlichen Bedenken, da man nicht davon ausgeht, dass der Person Gefahr in seiner Heimat droht. Der Europäische Gerichtshof habe „hier keinen Stopp für diese Maßnahme gesetzt“, erklärt der Jurist Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Austria. Angesichts der sich schnell wandelnden Ländersituation in Syrien äußerte er Bedenken. Denn Syrien gelte nach wie vor als nicht sicheres Herkunftsland, kritisiert Gahleitner-Gertz.
Zusammenarbeit mit Syrien „korrekt“
Die neuen Machthaber, die den langjährigen Diktator Baschar al-Assad gestürzt hatten, bemühen sich um den Aufbau einer funktionierenden Regierung und suchen den Kontakt zum Westen. Die Lage in Syrien bleibt jedoch weiterhin unübersichtlich. Laut Gahleitner-Gertz ist die Situation vor Ort so undurchsichtig, dass dies direkte Auswirkungen auf Asylverfahren in Österreich hatte. Nach dem Machtwechsel wurden sämtliche Verfahren von syrischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorübergehend gestoppt. Die Behörden verwiesen darauf, dass keine verlässlichen Informationen über die Sicherheitslage in Syrien vorlägen. Eine fundierte Prüfung der Asylanträge sei unter diesen Umständen nicht möglich gewesen.
Gegenüber der „Krone“ bestätigte das Innenministerium die Zusammenarbeit mit den syrischen Behörden, sie sei „korrekt und zielorientiert“. Syrien habe sich bereiterklärt, den Mann wieder aufnehmen zu wollen. Dem 32-Jährigen wurde ein Rückreisezertifikat ausgestellt, das mit dem heutigen Tag allerdings auslaufe.
Menschenrechte sind kein Schönheitswettbewerb. Wir können derzeit nicht sagen, ob diese Person festgenommen oder gefoltert wird. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar.
Jurist und Asylexperte Lukas Gahleitner-Gertz
„Menschenrechte sind kein Schönheitswettbewerb“
Die Hintergründe der siebenjährigen Haftstrafe des Syrers sind zwar grundsätzlich bekannt, dürfen aus Sicherheitsgründen jedoch vorerst nicht öffentlich gemacht werden. Unklar ist, welche Informationen syrischen Behörden bereits vorliegen – und welche Folgen dem Mann drohen könnten, falls diese bekannt werden. „Menschenrechte sind kein Schönheitswettbewerb. Wir können derzeit nicht sagen, ob diese Person festgenommen oder gefoltert wird. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar“, erklärt Asylexperte Gahleitner-Gertz.
Karner legte Basis mit Besuch in Syrien
Dass Österreich Abschiebungen nach Syrien vorbereitet, zeichnete sich seit Längerem ab. Ende April reiste Innenminister Karner gemeinsam mit seiner damaligen deutschen Amtskollegin Nancy Faeser nach Syrien und sprach dort mit den neuen Machthabern. „Wir konnten konkrete Umsetzungsschritte vereinbaren, was die Ausbildung der Sicherheitskräfte sowie Rückkehr und Abschiebungen betrifft“, erklärte Karner anschließend. Ob dabei auch menschenrechtliche Bedingungen thematisiert wurden, ist nicht bekannt. Die Abschiebung war ursprünglich für heute geplant. Sollte sie nicht erfolgen, bleibt der Mann vorerst in Schubhaft. Syrien müsste dann ein neues Heimreisezertifikat ausstellen.
Abschiebungen aus der EU nach Syrien sind aktuell absolut unüblich. Zwar legt eine Eurostat-Statistik nahe, dass einige Dutzend Menschen etwa aus Rumänien und Ungarn während der vergangenen Monate in das Land überstellt wurden. Ob diese Außerlandesbringungen aber tatsächlich stattgefunden haben, ist unklar.
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