„Krone“-Interview

Kogler: „Wenigstens bin ich ausreichend stabil“

Politik
15.06.2022 19:30

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im Gespräch mit der „Krone“ über das neue Entlastungspaket, die Koalition und Neuwahlen. Angelobungs-Quiz inklusive.

„Krone“: Herr Vizekanzler, was ist eigentlich länger: die Liste der Milliardenausgaben für diverse Maßnahmen oder die Liste der Skandale Ihres Koalitionspartners ÖVP?
Werner Kogler: Ich habe auch oft Freude an zugespitzten Formulierungen. Aber ich glaube, dass das Thema Teuerung zu ernst ist für jene, die davon betroffen sind, und das sind ganz viele. Die Milliarden, vor allem die Soforthilfen, sind gut investiert, weil es die bekommen, die es brauchen.

Nach den Corona-Maßnahmen in der Höhe von 44,5 Milliarden Euro kommt jetzt noch das Anti-Teuerungspaket mit einem Volumen von 28 Milliarden Euro bis 2026. Insofern Sie nicht auf eine Goldader gestoßen sind: Wer soll das bezahlen?
Ja, die Rechnung ist so schwierig nicht. Österreich wirtschaftet so gut, dass sich das ausgeht. Die harte Währung und der Maßstab sind ja der Schuldenstand, gemessen an unserer Wirtschaftsleistung, und der sinkt sogar.

Prof. Christoph Badelt, der Präsident des Fiskalrates und Österreichs höchster Wächter der Staatsfinanzen, hat im ORF-Report die langfristigen Maßnahmen gegen die Teuerung als „ziemlich riskant“ eingestuft. Kennt er sich nicht aus?
Es gibt ja viele Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher, die das Paket als historisch bezeichnen. Was die Finanzierbarkeit betrifft, ist es auch eine Frage der Perspektive. Die fünf Milliarden, die an die Menschen gehen, plus die eine Milliarde an Wirtschaftssoforthilfen sind 1,2 bis 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das müssen wir stemmen, wir leben in außergewöhnlichen Zeiten.

Nun soll die kalte Progression, die heimliche Inflationssteuer, zu zwei Drittel abgeschafft werden. Eine Ankündigung. Ich habe hier eine lange Liste an Ankündigungen, aus denen bis heute nichts geworden ist. Vom Klimaschutzgesetz über die Impflotterie bis zur Abschöpfung der Übergewinne von Konzernen. Wieso sollten die Österreicher der Regierung dieses Mal glauben?
Die Gesetze werden vorbereitet und eingebracht. Einerseits im Ministerrat, aber auch im Nationalrat.

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Ich garantiere persönlich aus Seriositätsgründen genau gar nichts.

Werner Kogler über die kalte Progession

Gibt es die Werner-Kogler-Garantie, dass das so umgesetzt wird?
Ich garantiere persönlich aus Seriösitätsgründen genau gar nichts. Ich habe es ja nicht alleine in der Hand. Die Zeiten sind turbulent, das wissen wir, aber ich gehe davon aus, dass es genau so kommt, und da gibt es viele gute Gründe und Hinweise dafür.

Was bekommen Sie durch das Anti-Teuerungspaket persönlich?
Die kurzfristigen Maßnahmen zielen ja auf Leute ab, die es brauchen. Also ich werde sicher nicht die 300 Euro bekommen, die für Mindestpensionisten oder Studienbeihilfenbezieher da sind. Also am Ende die 250 Euro Klimabonus, den bekommen ja alle. Die zweiten 250 Euro Anti-Teuerungsbonus werden zum Unterschied von Wenigerverdienern mit 50 Prozent versteuert sein.

Als der Ukraine-Krieg begann, war Deutschland noch zu 55 Prozent von russischem Gas abhängig, zwei Monate später nur noch zu 35 Prozent. In zwei Jahren soll die Quote bei 0 Prozent liegen. Wann wird es in Österreich realistisch so weit sein, wie soll das genau gelingen und was wird es kosten? Bitte um eine Auflistung von Fakten.
Ich halte es für unseriös, so zu fragen. Als könnte man das aus dem Ärmel schütteln. Noch unseriöser wäre, die Antwort darauf zu geben. Wir reduzieren die Abhängigkeit so schnell wie möglich. Die Situation in Österreich ist einerseits entlang unserer Voraussetzungen der Pipelineführung und andererseits der Verträge, die österreichische Firmen gemacht haben, namentlich die OMV, eine ganz andere. Jetzt ist der Plan, dass wir uns bis 2027 möglichst unabhängig machen können.

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Möglicherweise hat es stabilere Regierungen gegeben, wer immer das beurteilten mag, die haben nur weniger zusammengebracht.

Werner Kogler über die Stabilität der Regierung

Kommen wir zu parteipolitischen Themen. Wie stabil ist die Koalition?
Ausreichend stabil dafür, dass Ergebnisse geliefert werden können. Die erste Steuerreform mit der CO2-Bepreisung und Klimabonus, das historische Anti-Teuerungspaket mit der Abschaffung der kalten Progression und der Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen, und die Pflegereform ist auf den Weg gebracht worden. Ich halte das für mega. Möglicherweise hat es stabilere Regierungen gegeben, wer immer das beurteilten mag, die haben nur weniger zusammengebracht. Weil stabil und nix ist auch keine Kunst.

Bei der Pressekonferenz (am Mittwoch, Anm.) standen Sie, Bundeskanzler Karl Nehammer, Finanzminister Magnus Brunner und Gesundheitsminister Johannes Rauch vor den Kameras. Sie sind der Einzige, der noch nicht ausgetauscht wurde. Ist das wirklich ausreichend stabil?
Wenigstens ich bin dann ausreichend stabil. Wichtig ist die Zusammenarbeit, und die funktioniert.

Aber insgesamt 14 Regierungsumbildungen, drei Bundeskanzler, drei Gesundheitsminister, die aktuellen Serienrücktritte. Verlieren Sie da nicht selbst schon den Überblick?
Ich hoffe doch nicht. Ich habe den Überblick über die Ergebnisse der Regierungsarbeit. Und die kann sich sehen lassen.

Dann eine kleine Testfrage für Sie: Wer wurde am 6. Dezember angelobt?
Am 6. Dezember? Jedenfalls Bundeskanzler Nehammer. Außenminister Schallenberg wurde wieder Außenminister, dann wurde logischerweise ein neuer Innenminister angelobt, der Herr Karner. Was war damals noch? Das war der Kern der Umbildung.

Soll ich auflösen? Es waren noch Finanzminister Magnus Brunner, Bildungsminister Martin Polaschek und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm.
Na ja, ob die am 7. oder 6. angelobt wurden, ist mir wurscht. Entscheidend ist, dass sie da sind.

Schmid-Chats, BMI-Chats, Ermittlungen, Anklagen, die Vorarlberger Wirtschaftsbund-Affäre, dokumentierter Postenschacher, die Leibwächter-Affäre, der verheerende Rechnungshofbericht, der Wirtschaftsprüfer bei der ÖVP und vieles, vieles mehr. Ist „Koste es, was es wolle“ auch Ihr Motto für den Verbleib in der Koalition?
Nein, wir haben einen Regierungsvertrag, der lautet zu Recht „Verantwortung für Österreich“. Es hat in den letzten Jahrzehnten noch nie so schwierige Zeiten gegeben, wo mehrere Krisen gleichzeitig zusammenkommen. Ukraine-Krieg, Pandemie und die Folgen der immer drohender werdenden Auswirkungen der Klimakrise. Da ist es doch das Entscheidende, die Ärmel aufzukrempeln und Lösungen herbeizubringen.

Was muss passieren, dass Sie Neuwahlen ausrufen?
Ich werde alleine gar keine Neuwahlen ausrufen, das ist immer noch Angelegenheit des Parlaments. Was die anderen Zuschreibungen und Vorbehalte gegenüber der ÖVP betrifft, erkennt man, dass seitdem wir Grüne in der Regierung sind, mehr aufgedeckt und aufgeklärt wird als je zuvor. Und die meisten dieser Affären haben sich ja in den Jahren ab 2013 und vor allem 2016 bis 2019 abgespielt. Wichtig ist, dass die Justiz unabhängig ermitteln kann. Aktuell hat der Rechnungshof einen Wirtschaftsprüfer zur ÖVP geschickt, das ist ein außergewöhnlicher Vorgang, das braucht man auch nicht herunterspielen.

Je nach Umfrage ginge sich eine Ampel-Koalition Rot-Grün-NEOS aus. Interessiert Sie das nicht?
Jetzt wird einmal gearbeitet für das, was jetzt gebraucht wird. Mögen andere spekulieren, wir arbeiten.

Gehen Sie als Spitzenkandidat in die nächste Wahl?
Ich beschäftige mich jetzt nicht mit nächsten Wahlen. Wir werden rechtzeitig eine Lösung finden, wenn es wieder welche gibt.

Wird Ministerin Leonore Gewessler Ihre Nachfolgerin sein?
Wir haben mit Leonore Gewessler eine super Klimaschutzministerin, sie macht das hervorragend. Das Weitere wird sich weisen.

Wie oft haben Sie in dieser Koalition Ihren Prinzipien verraten müssen?
Meine persönlichen habe ich gar nicht verraten. Das ist eine verfehlte Vorstellung von Politik, dass man immer zu 100 Prozent seinen eigenen Kopf durchsetzt. In der parlamentarischen Demokratie westlichen Zuschnitts wie in Österreich wird es immer Kompromisse geben müssen.

Das heißt, illegale Kinderabschiebungen mitten in der Nacht gehen mit Ihren Prinzipien konform?
Natürlich nicht, und da hat es auch öffentlich einen Konflikt gegeben. Wir haben damals klipp und klar gesagt, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt und keine Sinnhaftigkeit. Und das haben wir nicht irgendwie, sondern öffentlich ausgetragen, wie man unschwer nachlesen kann.

Letzte Frage an den Sportminister: Wie viele Liegestütze schaffen Sie?
Ich habe schon länger keine gemacht, ich bin froh, wenn ich einmal durchgehend zwei, drei Stunden Rad fahre oder eine halbe Stunde schwimme. Also mein sportliches Leistungslevel ist in der Hinsicht momentan ein eher geringes.

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