Das muss man sich mal trauen. Hut ab, Hyundai! Der Staria hat ein futuristisches (Außen-)Design, das absolut in diese Zeit der digitalexzessiven Autos passt und sich von aktuellen Fahrzeugen und erst recht von früheren so extrem unterscheidet, dass man noch immer kaum glauben mag, dass dieser Future-Bus ein ganz normales Serienauto ist. Allerdings: Schaut man genauer hin, kann es zur einen oder anderen Enttäuschung kommen.
Eines vorweg: Der Staria bietet für vergleichsweise wenig Geld viel Bus. Man blicke einfach mal in die Preislisten der einschlägigen deutschen Konkurrenz. Die coole Optik kann aber Erwartungen wecken, die auf diesem Preisniveau vielleicht nicht zu erfüllen sind. Aber hin und wieder darf man sich auch was wünschen.
Meine persönliche erste Enttäuschung ist die Farbe, aber das ist natürlich kein Konstruktionsfehler. Die Koreaner sollten meiner bescheidenen Meinung nach allerdings die Extreme zusammenführen und für den Staria ausschließlich die Farbpalette des legendären Ford Model T (nein nicht Transit, und das war auch kein Tesla, sondern das erste fließbandgefertigte Auto der Welt, ab 1908) anbieten: „Sie können ihn in jeder Farbe haben, sofern sie schwarz ist“, hat Henry Ford dereinst gesagt. Und Schwarz ist beim Staria leider die einige Farbe, in der das Design „funktioniert“. In Schwarz ist er ein Gesamtkunstwerk. Mit dem riesigen schwarzen Kühlergrill, den riesigen schwarzen Fensterflächen. Wenn alles schwarz ist und man nicht gleich auf den ersten Blick erkennt, was was ist, dann ist das ein cooles Ding. So käme auch die LED-Leiste quer über die Front besonders gut zur Geltung. Ansonsten … na ja, ein bisserl sehr gewollt.
Die senkrechten Heckleuchten im Pixeldesign würden dann auch besser wirken. Dass die am Testwagen undicht und nach einem Regenschauer innen nass waren, würde das natürlich auch nicht ändern.
Wo ist die futuristische Kreativität im Innenraum hinverschwunden?
Die große Frage war: Wenn der außen so steil ausschaut, was haben sie dann erst im Innenraum gezaubert? Was soll ich sagen … das Interieur ist für mich die größte Enttäuschung. Dass ihr Innenraum könnt, habt ihr mit dem Ioniq 5 gezeigt. Seid mir nicht böse bei Hyundai, aber das hier ist in meinen Augen geradezu lieblos gestaltet. Die meisten Tasten als Touchelemente ausgeführt, die so klein sind, dass man sie während der Fahrt kaum trifft, weil man die Hand nirgendwo sinnvoll abstützen kann. Hauptsache man kann vom Fahrersitz zum Beifahrersitz durchsteigen. Das geht sicher auch während der Fahrt, wenn man den automatisierten Fahrassistenten einschaltet. Der ist übrigens nicht ungefährlich: Wenn er sich nicht mehr auskennt, quittiert er den Dienst, ohne den Fahrer zu warnen.
Der Gnubbel mit den Fahrwahlknöpfen ist nicht unpraktisch, wirkt aber wie ein Fremdkörper und stört vor allem am Knie (das linke Knie hat das gleiche Problem mit dem Türgriff). Und bitte was soll das daneben sein? Ein Ablagefach? Das schaut eher so aus wie früher die DIN-Schächte, wo man sich ein Autoradio einbauen konnte. Oder eigentlich so, als hätte mir jemand das Radio rausgestohlen. Soll das retro sein? Nein, das ist einfach nur deplatziert.
Andere Ablagefächer sind hingegen bestens gelungen. Die Klappe vorm Tacho zum Beispiel. Oder die in der Mitte auf dem Armaturenbrett hinter der Riesenwand, die das 10,25-Zoll-Display beherbergt. Auch in den vorderen Seitentüren finden sich je drei längliche Ablagefächer. Ist niemand auf die Idee gekommen, dass man in so einer großen Türverkleidung vielleicht auch die Möglichkeit schaffen könnte, eine 1,5-Liter-PET-Flasche unterzubringen?
Ja, klar, die kann man in die Box zwischen den Sitzen stellen, die wie ein Kühlschrank wirkt (ist sie aber nicht). Wäre anders trotzdem praktischer. Diese Box ist übrigens fix, nicht verschiebbar, wie das VW beim T7 gelöst hat.
Dass die Seitenfenster so weit heruntergezogen sind, macht ein gutes Raumgefühl. Man sieht einfach sehr viel von dem, was seitlich vom Auto ist. Man blickt von oben herab (also von der erhöhten Sitzposition) und hat einen guten Überblick. Das gilt allerdings auch anders herum, also man sieht auch von draußen sehr viel. Wer gern unauffällig das Handy in der Hand hat, sollte sich das schnell abgewöhnen - das sieht man.
Was mich wirklich stört, ist, dass man das Fenster nicht ganz öffnen kann: Es bleibt immer ein beträchtlicher Teil der Scheibe stehen. Außerdem ist es unangenehm, dass die Armablage am Fenster schräg ist, sodass der Arm abrutscht.
Das Cockpit an sich ist gelungen, das Display mit der Tachoeinheit ist gut ablesbar und auch grafisch schön. Wie bei anderen Fahrzeugen des Konzerns kann es beim Blinken den Kamerablick nach hinten zeigen und dadurch den toten Winkel mit Leben füllen (Luixury Line). Ungewöhnlich ist die Position: Es sitzt oberhalb des Lenkrads auf der Konsole, so, wie man das mittlerweile bei Peugeot gewohnt ist.
Die hinteren Reihen des Staria-Busses
Prinzipiell gibt es den Staria als Transporter und als Bus, Letzteren wiederum als Neunsitzer mit zwei Bänken im hinteren Teil (Trend Line) oder als Siebensitzer mit zwei Business-Class-Einzelsitzen in der zweiten Reihe und einer Dreierbank ganz hinten. Diese „Luxury Line“ ist die Konfiguration des Testwagens.
Die beiden Schiebetüren öffnen in der Luxury Line ebenso elektrisch wie die Heckklappe. Hinter dieser findet sich relativ wenig Kofferraum. Je nach Position der verschiebbaren Bank sind es 117 bis 431 Liter. Sie lässt sich nicht so einfach ausbauen, was den Nutzwert des Staria einschränkt.
Die beheiz- und belüftbaren Einzelsitze in Reihe zwei lassen sich auf Knopfdruck in eine sehr bequeme Lounge-Position bringen. Um sie dann voll zu genießen, ist aber zu wenig Platz: Wenn man größer als vermutlich 1,70 Meter ist, stoßen die Füße am Vordersitz an. Unpraktisch ist der Weg nach ganz hinten: Man muss sich zwischen den Sitzen durchzwängen.
Praktisch: Der Fahrer kann über ein Kamerabild beobachten, was hinten vor sich geht, zudem können sich Front- und Fonds-Insassen über die Navitainment-Anlage unterhalten.
Dicker Diesel mit Allradantrieb
Die Optik des Hyundai Staria lässt auf Elektroantrieb schließen. Doch weit gefehlt: Einziger derzeit verfügbarer Antrieb ist ein 2,2-Liter-Dieselmotor mit 177 PS und 430 Nm. Im Fall der Luxury Line ist er ausschließlich mit Achtgangautomatik und Allradantrieb erhältlich. Mit 19 Zentimeter Bodenfreiheit ist er damit durchaus ein Bus für alle Fälle. Außer für die eiligen, denn der Staria setzt sich etwas widerwillig in Bewegung und bleibt auch dann eher behäbig, trotz 430 Nm ab 1500/min. Als Standardsprintwert werden für den 2,4 Tonnen schweren Allradler 13,5 Sekunden angegeben, als Höchsttempo 180 km/h. Als Durchschnittsverbrauch zeigte der Bordomputer 12 Liter auf 100 Kilometer.
Später sollen ein schwächerer Diesel sowie ein Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb in die Baureihe Einzug halten.
Das Fahrverhalten passt zur Motorisierung, halbwegs komfortabel dank einer hochwertigen Mehrlenkerhinterachse und mit einer etwas indirekten Lenkung. Mit 3,27 Meter Radstand und 5,25 Meter Länge auch absolut souverän. Apropos Maße: Im Parkhaus wird regelmäßig oben etwas schleifen. Davon braucht man sich nicht irritieren lassen, das ist nur die Dachantenne. In der Regel kommt man mit 1,99 Meter Fahrzeughöhe durch (ohne Gewähr!).
Erfreuliche Preisgestaltung
Die Preisliste für den Staria-Bus fängt bei 53.990 Euro an (Transporter bereits bei gut 30.000 Euro), schon in der Basis ist die Ausstattung ziemlich opulent, inklusive Klimaautomatik mit getrennter Regelung für hinten, Parksensoren, Rückfahrkamera und Assistenten bis hin zum Spurfolgeassistenten. Der adaptive Tempomat ist nur mit Automatik serienmäßig an Bord, das Basismodell ist aber ein handgeschalteter Fronttriebler.
In der Topausstattung Luxury Line ist um 69.490 Euro praktisch Vollausstattung drin, lediglich 800 Euro für die Lackierung (wenn man nicht Weiß will) kommt dazu, außerdem gibt es noch ein Designpaket um 200 Euro.
Fahrzit
Ich bin mit einigen Details hart ins Gericht gegangen, aber in Wahrheit ist der Hyundai Staria ein wirklich guter, günstiger Bus, der wegen seines spacigen Designs teurer ausschaut, als er ist. Allerdings auch außen moderner wirkt als innen. Die Assistentenphalanx ist aber aller Ehren wert. Man muss sich allerdings auch trauen, dieses Designstück zu fahren, man fällt auf jeden Fall auf.
Warum?
Ungewöhnliches Design
Günstig und gut ausgestattet
Warum nicht?
Etwas zäher Antrieb
Oder vielleicht …
… VW T7, Mercedes V-Klasse
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