Seit Impfpflicht steht

„So viele Morddrohungen wie seit Monaten nicht“

Coronavirus
10.12.2021 18:45

Es sei nicht anders möglich gewesen, rechtfertigt die Politik ihren Entschluss, eine Impfpflicht einzuführen. Ist das wirklich so - und warum bringen es Länder wie Portugal auf eine Impfquote von fast 90 Prozent, während wir uns mühen, die 70% zu knacken? Kommunikationsforscher Jakob-Moritz Eberl und Andre Wolf von der Faktencheck-Plattform „Mimikama“ erklären bei „Moment Mal“ im Gespräch mit Damita Pressl, woher die vielen Mythen und Falschmeldungen zur Schutzimpfung kommen, wer sie glaubt und warum sie in Österreich auf so fruchtbaren Boden fallen.

„Wir haben so viele Morddrohungen bei Mimikama bekommen wie seit Monaten nicht mehr“, erzählt Andre Wolf von seiner Arbeit. „Und das, obwohl wir nur Faktenchecks schreiben.“ Es sei eine logische Radikalisierung gewesen, die die Impfpflicht mit sich gebracht habe. „Ich sehe diese Gruppen als sehr gefährlich“, sagt Wolf und verweist auf die radikale Stimmung bei den Anti-Corona-Demonstrationen in Wien.

Gleichzeitig stieg mit der politischen Unterstützung und der Ankündigung auch die Zustimmung zur Impfpflicht, weiß Jakob-Moritz Eberl aus seiner Arbeit am Austrian Corona Panel Project: „Ende letzten Monats hatten wir 52 Prozent Zustimmung“, so Eberl, „ich würde davon ausgehen, dass das noch steigt.“ Denn Wähler würden sich auch an den Parteien orientieren, denen sie vertrauen, und könnten sich nun auch ein Bild machen, wie die Impfpflicht in der Praxis aussehen wird.

Geimpfte, Impfgegner und dazwischen Zögerliche
Ähnlich habe es mit der Impfbereitschaft ausgesehen, weiß Eberl: „Seit der Impfstoff da ist, hat die Impfbereitschaft zugenommen.“ Zumindest eine Zeit lang, dann sei man an den Kern der Skeptiker und Verweigerer gelangt. Etwa zwölf Prozent nicht Impfbereite sind es in der Bevölkerung ab 14 Jahren, berichtet der Kommunikationsforscher, dazu kommen sieben Prozent Zögerliche. „Es sind nicht nur Geimpfte und Impfgegner. Es gibt dazwischen sehr wohl Zögerliche. Die wollen wir abholen. Da müssen wir aber gezielt unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ansprechen. Bei nicht Impfbereiten habe ich keine Hoffnung. Aber das ist eine kleine Gruppe - sie wirken nur groß, weil sie die Lautesten sind.“

Vor allem FPÖ-Wähler und Menschen, die auch an andere Verschwörungsmythen glauben, lehnen die Impfung ab, so zeigt es sich in Eberls Studien. Aber auch viele junge Menschen halten es nicht für notwendig, sich impfen zu lassen: „Im Sommer ist die Impfkampagne eingeschlafen und man hat es verpasst, Junge anzusprechen. So hatten andere Quellen genug Zeit, gegenläufige Informationen zu platzieren.“ Das Bildungsniveau macht jedenfalls keinen Unterschied: „Oftmals wird gesagt, es sind die Ungebildeten. Das ist nicht der Fall.“

„Ganze Ökonomie“ hinter dem Phänomen Fake News
Das Phänomen Fake News ist nicht neu. Das alternative Mediennetzwerk kenne man seit 2015, die Fehlinformationen, verdrehten Tatsachen und Mythen, die sich um einen wahren Kern ranken, kämen von denselben Akteuren wie immer, sagt Wolf: Querdenker etwa, oder Rechtsaußen-Gruppierungen. Aber die Pandemie mache uns dafür besonders empfänglich, so Wolf, weil viel Betroffenheit und Angst vorherrscht. Eberl ergänzt: „Das, was all diese Akteure verbindet, ist nicht unbedingt, dass sie an all diese Mythen glauben - sondern dass sie wissen, dass sie damit Geld machen können - auch in Form einer Wählerschaft oder von Zusehern. Da ist eine ganze Ökonomie dahinter.“

Zwischen dem rechten Weltbild und Verschwörungstheorien gibt es außerdem einige Gemeinsamkeiten, insbesondere den Populismus, sagt Eberl, „wo man die Welt in Gut und Böse einteilt. Die Guten, das sind die einfachen Leute, und die Bösen, das sind die Elite. Die Medizinerinnen, die den einfachen Leuten vorschreiben wollen, was Wahrheit sei.“ Es könne nur ein Richtig und ein Falsch geben, „wissenschaftliche Unsicherheit, wie es sie etwa auch jetzt bei Omikron gibt, hat keinen Platz“.

„Österreich eines der wissenschaftsskeptischsten Länder“
Im europäischen Vergleich sind wir hier anfälliger: „Tatsächlich meint in Österreich ein Viertel der Bevölkerung, der Hausverstand sei richtiger als jede wissenschaftliche Studie. Österreich ist im europäischen Vergleich eines der wissenschaftsskeptischsten Länder. Wir haben ein Grundproblem mit Skepsis gegenüber der Wissenschaft.“

Lösungsansätze zu finden, sei schwierig, sagt Wolf, eben weil es sich hier um ganze Weltbilder handle. Man müsse aber „weiter mit diesen Menschen reden und darauf eingehen“, etwa durch Fragen wie: „Wir kommst du da jetzt darauf? Wieso siehst du das als plausibel an?“ Außerdem könnten Psychologen und Deradikalisierungsstellen Hilfe bieten. „Am Ende geht es darum, dass es uns nicht zerreißt. Wir haben ein gesellschaftliches Problem.“

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