Grundrechtsdebatte

EU will Handys automatisch auf Kinderpornos prüfen

Web
19.11.2021 12:00

Die EU-Kommission plant automatische Scans privater Nutzerinhalte auf Smartphones: Ein Entwurf für eine entsprechende Verordnung ist in Arbeit. Er sieht vor, Inhalte maschinell auf Kinderpornos zu scannen und Funde den Behörden zu melden. Das Vorhaben erinnert an Apples Pläne für einen Kinderporno-Detektor am iPhone, die der US-Konzern nach heftiger Kritik durch Datenschützer allerdings wieder auf Eis gelegt hat. Auch die Idee der EU sorgt für eine Grundrechtsdebatte.

NGOs, die sich dem Kampf gegen Kindesmissbrauch verschrieben haben, fordern eine solche Funktion schon länger. Und auch in der EU-Kommission finden sich Befürworter automatischer Kinderporno-Scans auf den Smartphones der EU-Bevölkerung. Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, sagte bereits im Februar: „Ich erwäge, Unternehmen dazu zu verpflichten, bekanntes Material über sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken und den Behörden zu melden.“

Der Gesetzesentwurf, dessen Existenz eine Sprecherin der EU-Kommission Heise.de bestätigt, soll Anfang 2022 vorgestellt werden. Zielsetzung: „Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern: Erkennung, Entfernung und Meldung illegaler Online-Inhalte“. Konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels will man seitens der Kommission noch nicht kommentieren. Ein vor einem Jahr durchgesickertes 28-seitiges Arbeitspapier zeigt aber, in welche Richtung es gehen könnte.

Diskussion über Echtzeit-Scans direkt am Handy
Darin werden verschiedene technische Möglichkeiten diskutiert, um Inhalte in Echtzeit maschinell auf Missbrauchsdarstellungen zu prüfen. Das kann nur funktionieren, wenn etwa Messenger wie WhatsApp angezapft werden, bevor sie Daten verschlüsseln, oder wenn die Anbieter dazu verpflichtet werden, die Verschlüsselung für die automatischen Scans aufzuweichen. Nach Ansicht von Datenschützern und Informatikern würde das allerdings die Privatsphäre aller Internetnutzer beeinträchtigen.

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Will die EU-Kommission auf eingebaute Hintertüren verzichten, gibt es nach dem Stand der Technik nur die ‚heimliche Online-Durchsuchung‘ der Endgeräte beispielsweise durch Staatstrojaner.

Hartmut Pohl, deutsche Gesellschaft für Informatik

So merkt Hartmut Pohl von der deutschen Gesellschaft für Informatik (GI) Anfang November an: „Will die EU-Kommission auf eingebaute Hintertüren verzichten, gibt es nach dem Stand der Technik nur die ‚heimliche Online-Durchsuchung‘ - sogenanntes ‚client side scanning‘ - der Endgeräte beispielsweise durch Staatstrojaner mit der Durchsuchung aller Speicherinhalte aller Clients und Server. Dies verstößt gegen europäische Grundrechte.“ Auch der EU-Abgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer warnt vor einer Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, welches grundrechtswidrig wäre.

Pläne beim US-Computerkonzern Apple für dieses sogenannte „Client Side Scanning“ hatten für einen Sturm der Entrüstung unter Datenschützern gesorgt. Apple hatte im August angekündigt, iPhones vollautomatisch auf Kinderpornos scannen und Entdeckungen einer NGO melden zu wollen. Angedacht war auch, iPhones Minderjähriger mit einem Nacktfoto-Detektor auszustatten, der den Versand kompromittierenden Materials verhindern sollte. Es folgte heftiger Protest, etwa durch NSA-Aufdecker Edward Snowden. Er warnte: „Egal, wie gut das gemeint ist, Apple erlaubt damit Massenüberwachung auf der ganzen Welt.“ Später ruderte Apple zurück und kündigte an, die Funktion zu „überdenken“.

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